Ich arbeite mit Intuition und meinen Kunden

29.07.1994

COMPUTERWORLD: Warum verkaufen sich massiv-parallele Rechner so schleppend?

Cray: Aus zwei Gruenden: Einmal ist da die Software - es ist schwierig, ein Programm fuer viele Prozessoren zu schreiben. Hinzu kommt die Hardware - wie erreicht man eine vernuenftige Zusammenarbeit der Prozessoren? Wenn die Prozessoren nicht ueber einen gemeinsamen Datenspeicher verfuegen, ist die Kommunikation sehr schwierig.

CW: Ersetzen massiv-parallele Rechner irgendwann die heutigen Supercomputer?

Cray: Forscher rechnen heute ueberwiegend mit Gleitkommazahlen, die in einem Arbeitsspeicher untergebracht werden muessen. Massiv- parallele Rechner werden hier und da den Platz eines Supercomputers einnehmen, aber niemals alle ersetzen. Der Marktanteil wird maximal auf zwanzig Prozent steigen.

CW: Sie sagten einmal, dass Sie es aufgegeben haetten, mit Entwicklungshilfsmitteln zu arbeiten und sich statt dessen auf Ihre Intuition verliessen. Wie wichtig ist Ihre Intuition heute?

Cray: Es ist Intuition und Ruecksprache mit den Kunden.

CW: Benutzen Sie selbst einen Computer?

Cray: Ich habe einen Macintosh, um Briefe zu schreiben und meine Entwuerfe zu speichern. Zur Zeit lerne ich wieder eine Programmiersprache, C++, - nach einer Pause von 25 Jahren.

CW: Warum?

Cray: Ich moechte eine Simulation der "Cray 4" programmieren und unter verschiedenen Blickwinkeln testen. Ich habe eine Vorstellung davon, was ich will, doch kuemmert sich niemand darum. Alle haben die Augen verdreht, als ich davon erzaehlt habe, also habe ich mir gesagt: "Dann machst Du es alleine."

CW: Warum startete Ihre Firma Cray Computer so schlecht?

Cray: Wir fanden keine Lieferanten und Maschinen, die unseren Anforderungen entsprochen haetten, und mussten alles selbst entwickeln. Ich habe mit drei Gallium-Arsenid-Herstellern rund um den Globus verhandelt - doch ohne Erfolg. Stattdessen stellen wir unsere Chips jetzt selbst her. Die Fertigungstiefe des Unternehmens wurde sehr gross - groesser, als ich das geplant hatte.

CW: Haben Sie ein verkaufsfaehiges Produkt?

Cray: Die "Cray 3" war unser erstes Produkt und die Vorstufe der Cray 4, doch die Produktion kam nie richtig in Gang. Deshalb konnten wir unsere Liefertermine nicht einhalten. Jetzt laeuft die Produktion, und wir erhoffen uns viel von der Cray 4.

CW: Wie wird die Cray 4 aussehen?

Cray: Sie leistet soviel wie ein Supercomputer mit einem Preis von 24 Millionen Dollar und wird doch nur vier Millionen Dollar kosten. Der Aufbau ist konventionell: Es ist ein Vektorrechner mit parallel arbeitenden Prozessoren und einem gemeinsamen Datenspeicher - eng verwandt mit der Cray 3, der Cray Y-MP und C- 90 (von der Konkurrenzfirma Cray Research, Anm. d. Red.). Fuer vier Millionen Dollar erhaelt man acht Prozessoren und 4 GB sehr schnellen Speicher (Zugriffszeit 20 Nanosekunden).

CW: Wann kommen die Rechner auf den Markt?

Cray: Zu Beginn naechsten Jahres; bis Ende 1994 wollen wir einen Prototypen vorfuehren koennen.

CW: Ihr altes Unternehmen und groesster Konkurrent Cray Research will bis Ende 1995 oder Anfang 1996 einen neuen Vektor- Supercomputer fertigstellen. Wie wird er im Vergleich zur Cray 4 abschneiden?

Cray: Ich glaube, er wird nur halb so schnell sein.

CW: Koennen Sie es sich leisten, fuer jede Neuentwicklung 300 Millionen Dollar auszugeben wie bei der Cray 3?

Cray: Nein, sicher nicht. Das war wirklich einmalig. Mit unseren heutigen Moeglichkeiten koennen wir einiges mehr leisten, als in der Cray 4 verwirklicht ist, wenn wir die Chips noch weiter zusammenfassen. Mein Ziel ist die Vervierfachung der Leistung pro Entwicklungszyklus, der vier Jahre dauert, und ich glaube, wir koennen das mit Ausgaben von drei Millionen Dollar pro Monat finanzieren.

CW: Werden Sie sich bald zurueckziehen?

Cray: Die Vorstellung jagt mir Angst ein. Ich werde so lange arbeiten, wie ich kann.

Seymour Cray ist Geschaeftsfuehrer der Cray Computer Corp. Er arbeitete fuer Control Data und gruendete Cray Research. Das Interview fuehrten Gary Anthes und Charles Babcock fuer die CW- Schwesterpublikation "Computerworld". Wir drucken Auszuege daraus.