Entscheidung über Mitbestimmung aufgeschoben

Icann brütet über Reformen

22.03.2002
MÜNCHEN (CW) - Grundlegende Reformen kündigte die Web-Verwaltung Icann (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) vergangene Woche anlässlich ihrer Frühjahrsversammlung in Ghana an. Nach wie vor unklar blieb jedoch, auf welche Weise Internet-Nutzern künftig ein Mitspracherecht über die Entscheidungen des Gremiums eingeräumt werden soll.

Es sei wichtig, dass die 500 Millionen Internet-Nutzer eine offizielle Plattform zur Mitbestimmung erhalten, gestand die Icann zu. Darüber, wie es die Interessen der regulären Web-Gemeinde mit den Anliegen anderer Gruppen - etwa Unternehmen oder Technikexperten - künftig in Einklang zu bringen gedenkt, hielt sich das Konsortium allerdings bedeckt. Die Icann hatte im Herbst ihre Zustimmung zu Neuwahlen öffentlicher Interessenvertreter verweigert, so dass ein direktes Mitspracherecht der Web-User bis auf weiteres in Frage steht.

Die Icann sei kein Symbol globaler Demokratie, sondern in erster Linie dazu da, konkrete technische Aufgaben zu lösen, gab Stuart Lynn, Kopf der Organisation, zu bedenken. Darüber hinaus verursachten globale, übers Web abgehaltene Wahlen derzeit noch zu viele technische Probleme: "Die Mehrheit der Board-Mitglieder ist der Überzeugung, dass man für Online-Wahlen noch nicht den Entwicklungsstand erreicht hat, der es erlaubt, angemessen auf Erfassungsprobleme oder Betrug zu reagieren."

Statt konkreter Angaben zur Zukunft einer öffentlichen Interessenvertretung will das Gremium - nicht zuletzt aufgrund seiner mangelnden Effektivität bereits seit geraumer Zeit unter Beschuss - Ende Mai mit Plänen für eine umfassende Reform aufwarten. Dabei soll unter anderem ein Vorschlag des Icann-Chefs in Betracht gezogen werden, wonach die fünf im Jahr 2000 direkt gewählten Interessenvertreter der Netzgemeinde durch Regierungsmitglieder ersetzt werden - ein Ansatz, der bislang allerdings auf wenig Gegenliebe stieß. So bezeichnete etwa Andy Müller-Maguhn, Sprecher des Hamburger Chaos Computer Clubs (CCC) und einer der fünf frei gewählten Repräsentanten, Lynns Idee als "offensichtlichen Versuch, mit Hilfe der Icann das Internet einerseits in eine Shopping-Mall, andererseits in einen Polizeistaat zu verwandeln".

Icann-Kritiker wie das Center für Democracy and Technology (CDT) befürworten zwar die Reformansätze der Internet-Verwaltung, zeigten sich von dem mangelnden Engagement für eine Einbeziehung der Öffentlichkeit jedoch enttäuscht. "Da wollen sie eine Teilnahme in großem Umfang, bieten dafür jedoch keinerlei Medium", bemängelt CDT-Analyst Rob Courtney. Das nächste Icann-Treffen wird im Juni voraussichtlich in Rumänien stattfinden. (kf)