Louis Gerstner vor Wallstreet-Analysten

IBMs Zukunft heißt Services

18.05.2001
MÜNCHEN (CW) - Bei seiner wahrscheinlich letzten Diskussion mit US-amerikanischen Finanzanalysten als IBM-Chef hat Louis Gerstner bekräftigt, Big Blue werde sich künftig stärker als bisher als Serviceanbieter positionieren.

Das alljährliche Meeting mit den Analysten von der Wallstreet hatte diesmal besondere Aufmerksamkeit erfahren, denn für Gerstner dürfte es das letzte sein. Sein Vertrag mit IBM endet im März 2002, und dann ist der Mann, der Big Blue seit 1993 zum Turnaround führte, 60 Jahre alt, das Rücktrittsalter für IBM-Chefs. Offiziell ist das noch nicht. "IBM plant nicht so weit voraus", scherzte der sichtlich gut gelaunte Gerstner.

So wurde es nichts aus dem "Schwanengesang", den manche Beobachter erwartet hatten. Der Aufsichtsratsvorsitzende und Chief Executive Officer (CEO) stellte nicht sein Vermächtnis vor und verzichtete auf eine offizielle Präsentation des wahrscheinlichen Thronfolgers Sam Palmisano, den Gerstner zum President und Chief Operations Officer (COO) berufen hat. Stattdessen gab es die Bekräftigung einer nicht gerade neuen Ausrichtung von IBM auf das Geschäft mit Services.

Services sind laut Gerstner die logische Konsequenz aus drei elementaren Bedingungen des DV-Markts: Mangel an IT-Fachkräften, Entwicklungsgeschwindigkeit der Industrie und zunehmend komplexere Aufgaben der IT-Integration bei den Anwendern. Entsprechend auf Dienstleistungen ausgerichtete Anbieter seien schon deswegen attraktiv, weil sie sich besser als andere auf neue Technologien und Business-Modelle einstellen könnten.

Service-Companies seien ferner weitgehend konjunkturunabhängig. Zum Beleg verwies Gerstner darauf, dass IBMs Outsourcing-Geschäft in Japan im letzten Jahr um 24 Prozent zugelegt hat, während die dortige Wirtschaft im gleichen Zeitraum nur um ein Prozent wuchs. Mit Dienstleistungen werde eine neue goldene Ära für Big Blue, wie zuletzt in den Mainframe-geprägten 60er und 70er Jahren, eingeleitet.

Skeptiker erinnerte der IBM-Chef an die von ihm betriebene Orientierung auf E-Business. Damals habe die Öffentlichkeit ihm auch nicht geglaubt, auch firmenintern habe es Bedenken gegeben. Heute bestelle das Unternehmen 94 Prozent seiner Zulieferungen elektronisch und spare damit jährlich 375 Millionen Dollar. Weitere 350 Millionen Dollar Ausgaben vermeide IBM, indem man Angestellte online ausbilde.

Gerstner nutzte die Gelegenheit, die Probleme etlicher Wettbewerber mit IBMs stabilem wirtschaftlichem Aufschwung zu vergleichen. Der sei gar nicht so verwunderlich angesichts der Tatsache, dass im ersten Quartal 2001 die US-Unternehmen 11,3 Prozent mehr in Hard- und Software investiert hätten. Erwischt habe es jetzt jene Firmen, die mitverantwortlich seien für den New-Economy-Hokuspokus. "Mich amüsiert die Binär-Mentalität in dieser Industrie, rein oder raus, Schlemmen oder Hunger leiden. Mainframes sind toll, Mainframes sind Dinosaurier, PCs sind Überflieger und morgen Flugsaurier."

Im PC-Markt sieht der IBM-Chef keine Perspektiven: "Wenn man keine exklusive Technologie hat und der Markt reift, bleibt einem nur noch der Preis als Argument." Aber Preiskriege könne niemand kontrollieren. "Im Geschäft mit Gebrauchsgegenständen sind Preiskriege wirklich Schrott."