Mehrere tausend Arbeitsplätze sind bedroht

IBMs Sparpläne treffen auch deutsche Belegschaft

24.05.2002
MÜNCHEN (wh) - IBM plant offenbar, auch in Deutschland Arbeitsplätze abzubauen. Betroffen dürften vor allem die Dientsleistungssparte IBM Global Services und das Festplattenwerk in Mainz sein. Obwohl die Verunsicherung der Belegschaft zunimmt, hält sich die deutsche Geschäftsführung bedeckt.

Konkrete Angaben zu den geplanten Sparmaßnahmen vermeiden die Führungskräfte der IBM noch immer. Deutsche Arbeitnehmervertreter haben zwischenzeitlich eigene Recherchen angestellt. Ein Ergebnis lautet: In den USA und in Großbritannien wird bereits entlassen. In Deutschland erwarten die Gewerkschafter nun ebenfalls harte Einschnitte.

Die größten Sorgen um ihren Arbeitsplatz müssen sich die rund 2500 Beschäftigten im Mainzer Festplattenwerk machen. Im Rahmen einer strategischen Allianz bringt IBM seine hochdefizitäre Festplattenproduktion in ein Joint Venture mit Hitachi ein, an dem die Japaner 70 Prozent der Anteile halten werden. Davon betroffen ist IBMs Storage Technology Division (SDD) mit rund 18000 Beschäftigten und Werken in Mexiko USA, Ungarn, Singapur, Thailand, Japan und Deutschland.

Ernsthaft interessiert sei das Hitachi-Management allerdings nur an den Absatzmärkten und dem Entwicklungs-Know-how des Partners, glaubt Dieter Scheitor, Teamleiter IT-Industrie im Vorstand der IG Metall. Nach seiner Einschätzung werden nur wenige Festplattenwerke überleben.

Mit 30 Prozent halte die IBM eine Alibibeteiligung, die man über kurz oder lang ebenfalls an die Japaner abgeben werde, fürchtet Klaus Trautmann, Betriebsratsvorsitzender im Werk Mainz. Offiziell sei die Arbeitnehmer-vertretung noch nicht einmal über das Joint Venture informiert worden. Nach seinem Kenntnisstand werde für den Standort Mainz ein Teilbetriebsübergang angestrebt.

Demnach soll bis März 2003 eine neue GmbH unter Hitachi-Leitung für die Festplattenproduktion gegründet werden. Darin könnten rund 800 Mitarbeiter weiterbeschäftigt werden. Weitere 400 Angestellte der IBM Speichersysteme GmbH haben ein von der Hard-Disk-Fertigung unabhängiges Arbeitsgebiet und könnten bei der Muttergesellschaft IBM Deutschland unterkommen. "Als erstes trifft es die rund 1000 Kollegen, die über Zeitverträge oder als Werkstudenten eingestellt wurden", erwartet Trautmann. Die übrigen 300 bis 400 Arbeitsplätze werde IBM wahrscheinlich über Personalprogramme abbauen. Spätestens dann stünden Sozialplanverhandlungen an. "Insgesamt werden in Mainz rund 1400 Arbeitsplätze vernichtet."

Der Gewerkschafter kritisiert die Kommunikationspolitik des Managements. Schon seit Jahresanfang habe es Berichte über eine Kooperation mit Hitachi gegeben. IBM habe sie stets als Gerücht abgetan, "bis dann am 16. April die Bombe platzte". Unbestätigten Angaben zufolge zahlt Hitachi zirka eine Milliarde Dollar für die IBM-Vermögenswerte. Trautmann: "So einen Deal fädelt man nicht in ein paar Wochen ein." Er gehe davon aus, dass die Pläne seit mindestens einem halben Jahr auf dem Tisch liegen.

Für die Mainzer Kollegen stellt sich zudem die bange Frage, wie lange Hitachi die Festplattenproduktion überhaupt erhalten will. Nach Trautmanns Informationen brauchen die Japaner zwar zumindest mittelfristig noch Fertigungskapazität. Diese gelte aber beispielsweise nicht für die Herstellung von Magnetköpfen, da Hitachi hier über eigene Ressourcen verfüge. Über kurz oder lang werde dieser Betriebsteil "plattgemacht".

Wenig Konkretes von IBM

Laut IBM-Sprecher Michael Kieß sind die Verhandlungen mit Hitachi noch nicht abgeschlossen. Die US-Muttergesellschaft habe mit Hitachi eine weltweite Allianz im Bereich Speichersysteme geschlossen. Dabei sei noch offen, in welchen Bereichen man kooperieren werde. Fest stehe derzeit lediglich der Sitz des geplanten Gemeinschaftsunternehmen im kalifornischen San Jose. Konkrete Informationen zur Zukunft des Speicherwerks werde man Mitte Juni vorlegen.

Nicht nur in Mainz wächst die Verunsicherung der IBM-Belegschaft. Ebenfalls aus Gewerkschaftskreisen ist zu hören, dass die Unternehmensführung die Mitarbeiterzahl in der Dienstleistungssparte IBM Global Services (IGS) deutschlandweit um zehn Prozent senken will. Das würde einen Abbau von 1200 Arbeitsplätzen bedeuten. Schon in der zweiten Maiwoche wurde etwa am Standort Hamburg eine große Zahl von IGS-Mitarbeitern zu Personalgesprächen gebeten (siehe CW 20/02, Seite 1). "IBM versucht es erstmal mit individuellen Regelungen", interpretiert IG-Metall-Vorstand Scheitor dieses Vorgehen. Ein anderer Arbeitnehmervertreter wird deutlicher: Ein Stellenabbau um zehn Prozent innerhalb von IGS wäre eine Betriebsänderung und somit sozialplanpflichtig. Diese Blöße wolle sich IBM nicht geben und versuche deshalb, die Leute anders los zu werden.

Dass der weltgrößte IT-Konzern nicht ohne Personalreduzierungen auskommen wird, bestreitet auch Unternehmenschef Sam Palmisano nicht, ohne allerdings konkret zu werden. Er will jährlich ein bis zwei Milliarden Dollar einsparen. Stellenstreichungen im Service-Bereich habe es wegen unterschiedlicher Geschäftsentwicklungen auch in guten Zeiten gegeben, erklärte der CEO kürzlich vor US-Analysten.

Wollte IBM den Umsatz pro Mitarbeiter konstant halten, müssten rund 20000 Arbeitsplätze abgebaut werden, rechnete ein Finanzexperte vor. Palmisano bemerkte dazu, allein durch natürliche Fluktuation würden jedes Jahr 15000 Beschäftigte das Unternehmen verlassen. Ein Einstellungsstopp würde die Personalstärke entsprechend reduzieren. Dieser Aussage stehen gesicherte Informationen gegenüber, denen zufolge IBM in verschiedenen Bereichen bereits Mitarbeiter entlässt. Unternehmensnahe Quellen hatten in der ersten Maiwoche von einem bevorstehenden Personalabbau um zwei bis drei Prozent gesprochen.

Kritik der Gewerkschaften

Für Scheitor, der schon als Betriebsrat bei der deutschen Compaq-Tochter Entlassungspraktiken kennen lernte, gibt es eine typische Logik im Verhalten US-amerikanischer IT-Unternehmen: "Wenn sich die Geschäftszahlen deutlich verschlechtern, werden Abbauprogramme nach der Rasenmähermethode über alle Bereiche hinweg durchgezogen." Es gebe keinen Grund zur Annahme, dass dies ausgerechnet bei IBM Deutschland anders sein sollte.

Das Management der Stuttgarter IBM-Tochter mag zu all dem lieber nicht Stellung nehmen. Erwin Staudt, Vorsitzender der Geschäftsführung, sei wegen eines kurz bevorstehenden Urlaubs nicht zu sprechen, bedauerte die Presseabteilung. Bereits in die Ferien verabschiedet habe sich auch Personalchefin Juliane Wiemerslage.