Prestige und Selbstbewußtsein sind hilfreich, kaufmännisches Rechnen notwendig:

IBMs Plattenspeicher-Ankündigungen irritieren den Markt

15.09.1989

Am 25. Juli 1989 standen die inoffiziell mit "3390" bezeichneten IBM-Plattenspeichereinheiten - Nachfolger der 3380-Serie - zur\/orstellung an. Rechenzentren überall in der Weit verharrten in der Warteschlange der Kaufinteressenten. Da stehen sie auch heute noch. Wie schon beim Vorgängermodell verzögerte sich auch diesmal die Vorstellung der neuen Produkte. Die Reaktion der Anwender scheint gelassen. "Das ist ja nichts Neues", meinte ein RZ-Leiter. Ohnehin erwarte man von IBM keine spektakulären Verbesserungen, war eine andere Aussage. Wieder andere jedoch wollen investieren. Sie hoffen nun auf den Gebrauchtmarkt. Doch "der ist leergefegt". Oder sie setzen auf Anbieter von steckerkompatiblen Geräten, auf die sie bei Engpässen zurückgreifen.

Schenkt man dem englischen Informationsdienst Computergram Glauben, so steht die Markteinführung der neuen IBM-Speichermedien nun für den 19. oder 26. September bevor. Auch ein Insider der deutschen Szene meinte, dieses Datum - inoffiziell natürlich aus IBM-Kanälen vernommen zu haben. Offiziell dagegen ist, daß IBM die Preise für die 3380-Platten und 3990-Controller-Einheiten gesenkt hat - zwischen 15 und 26 Prozent werden genannt, für die 3380K-Einheit sollen die Nachlässe bis 30 Prozent betragen.

Eins haben die Leute aus Arrnonk auch ohne direktes Zutun bewegt: Laut einer Aussage der Gartner Group Inc. von 9. August stiegen die Preise für 3380-Platten auf dem Gebrauchtmarkt um bis zu 4000 Dollar - dies unmittelbare nachdem die Offentlichkeit Wind bekam von IBMs verzögerter Vorstellung der 3390er-Platten. Berührt hat dies zum

einen all die Händler, welche ihren Kunden gebrauchte 3380er bereits zugesagt hatten. Sie mußten sich am Spotmarkt bedienen, um nicht vertragsbrüchig zu werden. Auch Anwender mußten sich umstellen: Zwischenlösungen waren notwendig, die PCMer rückten ins Blickfeld des Interesses.

Doch diese verspüren anscheinend wenig Lust, einmal mehr für IBM in die Bresche zu springen. Noch ist nicht vergessen, daß Storage Technology Anfang der 80er Jahre für eine verpatzte IBM-Plattenspeicherankündigung mit einem eigenen 3350-Clone einsprang und den Anwendern einen Gefallen zu tun gedachte. Die bedienten sich anfangs auch, und Storage Technology machte gute Geschäfte. Doch als die IBM kurz darauf mit ihrer neuen 3380 auf den Markt kam, geriet Storage Technology in Schwierigkeiten.

Bis die IBM tatsächlich mit ihren 3390-Platten auf den Markt kommen wird, bietet sie allen, die eigentlich auf das neue Speicherprodukt warten, große Preisnachlässe auf die alte Plattenserie. Der Mitarbeiter eines norddeutschen Leasing-Unternehmens - (Name und Adresse sind der Redaktion bekannt) - "ärgert sich jedes Jahr darüber, daß IBM es sich leisten kann, Kunden zu verprellen, die Aufträge von IBM angenommen haben". Der kleine Händler müsse dann bluten und Strafe zahlen für das Nichteinhalten von Verträgen. Er meinte, IBM könnte womöglich noch an der Verzögerung der 3390-Vorstellung verdienen, indem die alten

Plattenspeicher billiger angeboten werden. Weil die PCMer gar nicht in der Lage seien, im benötigten Umfang Ersatz zu liefern, würden die Anwender wie bisher bei IBM kaufen und damit einmal mehr ihre Blauäugigkeit und Dummheit beweisen.

Ähnlich sieht es Helmut Schützendorf vom Mittelrheinischen Rechenzentrurn. Wer als EDV- oder Rechenzen trumsleiter heute noch ein Wort auf das geben was die Hersteller ankündigent sei doch etwas dumm. Aus diesem Grund seien für ihn Produktankündigungen wie die anstehende von IBM auch uninteressant. Weil die Glaubwürdigkeit des Vertragspartners neben der Ausfallsicherheit der Rechen- und Speicheranlagen oberstes Gebot und erste Forderung für ein RZ sein müßten, traut der Rechenzentrumsleiter den PCMern nicht. Er kritisiert, daß wegen der zunehmend komplexen Unternehmensstrukturen die Verantwortlichkeitszuordnungen sehr kompliziert geworden seien. Würden in Rechenzentren Probleme mit der Hardware auftreten und man wende sich diesbezüglich an die Hersteller, ginge es aus Sicht des Anwenders zu wie bei "Was-bin-ich?." "Bei den Firmen kann doch keiner mehr klar sprechen", so Schützendorf. Jeder würde mit vagen Formulierungen eigentlich nur zu verstehen geben, daß er "für das, was er sagt, nicht mehr haften will". Aus Beweisführungsgründen sind für Schützendorf deshalb Überlegungen, statt Siemens oder IBM möglicherweise einen PCMer ins Haus zu holen, uninteressant. "Ich bin seit 1958 in der EDV. Für mich kommen PCMer nicht in Frage. Ich will einfach nicht die Beweisführung antreten müssen, wenn es Probleme gibt." Angesprochen auf den Punkt Ausfallsicherheit und die bei IBM-3380-Platten des Typs J und K aufgetretenen Probleme an der HDA-Einheit (Head Disk Assembly), meinte er, damit müsse man eben leben.

Für Rolf Meyer, Geschäftsführer der TDS tele-daten-service GmbH in Heilbronn, die

auch Mehrheitsgesellschafter des Rhein-Main-Rechenzentrums in Frankfurt ist, hatte

die verschobene IBM-Plattenspeichervorstellung vom Juli große Bedeutung. Denn in Heilbronn wollte man investieren. "Nun müssen wir uns auf dem Gebrauchtmarkt orientieren." Und der sei leergefegt. "Das hat auch zu erheblichen Differenzen zwischen den Leasern und der TDS geführt", meinte Meyer, der seine TDS-Gruppe als rein blauäugig bezeichnet. Meyer gibt zu, daß die Lieferzeiten natürlich länger würden. Aber auch das sei ja nichts Neues.

Das Deutsche Klima-Rechenzentrum in Hamburg kann selbstbewußt auftreten. Für den technischen Geschäftsführer Wolfgang Sell gilt es neben anderen Problemen, den bequemen Zugriff der Daten zu der Plattenorganisation zu bewerkstelligen.

Und dafür bediene man sich -"Wir sind hier ein Gemischtwarenladen" - sehr wohl aus verschiedenen Herstellerangeboten. Über einen IBM-Controller etwa hängt man einen Massenspeichersilo von Storage Technology aus der Serie 4400 an die Cray. Sell hat keine Probleme damit, unterschiedliche Hersteller im Haus zu haben. "Die PCMer sind ja nicht schlechter als IBM." Er vertritt allerdings die Meinung, daß - zumindest im wissenschaftlichen Bereich - IBM seit geraumer Zeit große Anstrengungen unternähme, diesen Markt durch großzügige Rabatte einzunehmen. Zumindest hier träfe das Lockmittel des günstigeren Preisangebotes von PCMern nicht zu. "Ohne intensives Verhandeln kann man von IBM im Wissenschaftsbereich 30 bis 35 Prozent Nachlaß bekommen." Darüber hinaus wird es dann aber trotz großer Bemühungen schwer. Da muß spezielles Interesse auf Seiten IBMs bestehen, zum Beispiel bei Großprojekten mit mehr als 10 Millionen Mark Umsatz. Sells Verhandlungsposition gegenüber Plattenspeicherherstellern, egal welcher Provenienz, stellt sich einfach dar: Der Preis müsse stimmen. "Aber da haben wir keine Bedenken, weil der Markt sehr hart um die Kunden kämpft." Er brauche nur zu sehen, was der Markt biete, und dementsprechend verhandle er dann mit den verschiedenen Herstellern.

Gesellschafter und Geschäftsführer Jochen Haller relativiert das für sein "verhältnismäßig kleines" Bamberger Rechenzentrum. In Preisverhändlungen seien PCMer in der Regel flexibler als IBM-VBs. Diese müßten seiner Erfahrung nach immer Angst haben, daß Kunden - und gerade auch kleine - auf der IBM-Gleichbehandlungsklausel bestünden. IBM nehme solch ein demokratisches Procedere sehr ernst. Haller hat aber auch die Erfahrung gemacht, daß die kleinen Hersteller der steckerkompatiblen Geräte generell kulanter seien. "Bei denen bekommt man die Geräte auch mal noch einen Monat mietfrei hingestellt."

Daß PCMer solche Kulanz auch walten lassen müssen, hat sich in Anwenderkreisen herumgesprochen. Professor Adolf Schreiner vom Rechenzentrum der Technischen Hochschule in Karlsruhe meint, prinzipiell sei ein Gerätemix mit einem Mehraufwand an Wartungspersonal verbunden. "Wenn wir also einen anderen als den Mainframe-Hersteller für unsere Platteneinheiten nehmen, dann muß das mit mehr als einem marginalen Vorteil verbunden sein." Mixed-Hardware müsse sich also für sie als Universität irgendwie auszahlen, und zwar über den Preis. Abgesehen vom attraktiven Preis könnten Anwender auch technische Neuerungen einfordern. Sollte es bei IBM zu gravierenden Neuerungen kommen, könne man sich von anderen Herstellern auch Garantien geben lassen, daß sie mit neuen Produkten innerhalb bestimmter Fristen nachziehen würden. Solches Ansinnen erklärt Schreiner mit einem simplen Marktmechanismus: "Die PCMer sind nun mal kompatible Konkurrenten Das heißt natürlich, daß IBM bis auf gewisse technologische Gags architektonisch der Anführer sein wird."

Auch Wilhelm Fehners, Geschäftsführer von der GRZ Genossenschafts-Rechenzentrale Norddeutschland GmbH in Oldenburg, setzt stark auf den Preis, geht es um die Entscheidung, welchem Hersteller der Zuschlag für eine Plattenspeichereinheit gegeben wird. Er meint, die Entscheidung, ob man Speicherplatten bei einem PCMer oder bei IBM kauft, habe sehr stark zu tun mit dem Preis und neuerdings mit der Stellfläche, denn die neuen IBM-3390-Platten seien ja noch nicht da. Und die 3380er brächten erhebliche Platzprobleme. Sowohl Storage Tek, Comparex - also Hitachi - als auch Amdahl bieten heute Platten, die nur noch die Hälfte des Platzes beanspruchen, der für IBM-Geräte aufgebracht werden muß. "Der Markt wartet jetzt ab, was die neuen IBM-Platten bringen werden."

Das Problem bei Plattenspeichereinheiten sei vor allem, daß man nicht beliebig zwischen den Strängen mischen könne. Wenn man einzelne Platteneinheiten kaufen will, sei man natürlich gebunden an die vorgelagerte Steuereinheit, die die Verbindung zur CPU herstellt. Die Frage ist also, ob innerhalb des Stranges noch eine Platte eingepaßt werden kann. Ist es noch sinnvoll, den Strang lang zu machen, was eine Frage der Antwortzeiten ist, Man kann also - herstellerbezogen - immer nur saubere Stränge haben. Wer die erste Einheit, die Steuereinheit, geliefert hat, der hat sich danüt auch die Tür geöffnet für den Rest des Stranges. Viel Beweglichkeit ist also nicht mehr gegeben.

Fehners hat ein klares Marktgesetz ausgemacht. Der Dominanz von IBM könnten sich die PCMer nur über günstige Angebote erwehren. Die in der Regel 20- bis 30prozentigen günstigeren Preise, kommentiert Fehners lakonisch: "IBM macht die Preise und die anderen streiten sich um die Differenz und teilen sich die untereinander auf. Das ist der Markt."