Mangelnder Installationserfolg zwingt Marktführer zu neuen Strategien:

IBMs PC-Absatz hinkt Erwartungen hinterher

05.01.1984

FRANKFURT/STUTTGART - Der Absatz des mit viel Vorschußlorbeeren bedachten IBM Personal Computers (PC) bleibt hierzulande offensichtlich weit hinter den Erwartungen des Marktführers zurück. Ein Jahr nach dem Announcement des Rechners sprechen PC-Insider von maximal 7000 deutschen Installationen. Dem Vernehmen nach will IBM nach diesem Fehlschlag nun das Vertriebsmanagement in der Frankfurter Produktvertrieb GmbH völlig neu strukturieren. Der bisherige Verkaufschef Romin Neumeister verließ daraufhin zum 1. Januar überraschend das Unternehmen.

Über den Weggang ihres obersten PC-Verkäufers enthält sich die Stuttgarter Konzernzentrale jeglichen Kommentars. Als sicher gilt indes, daß bei der hessischen Personal-Computer-Division zwei Distriktleiterpositionen geschaffen werden sollen, die den bisherigen Wirkungsbereich Neumeisters halbieren würden. Ob mit dieser Aktion dem bisher nur mäßig erfolgreichen Manager unsanft der Stuhl vor die Tür gestellt werden sollte, oder ob er - mit der Machtteilung unzufrieden - das Handtuch warf, blieb bislang unbestätigt. Kenner der Frankfurter PC-Szene wollen wissen, daß es unter anderem zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Neumeister und dem Geschäftsführer der IBM Produktvertrieb GmbH, Hans Reihl, über die Wahl der Distributionskanäle gegeben habe. "Da wird augenblicklich alles ausprobiert, um die Maschinen in den Markt zu drücken," bekräftigt ein Mitglied des Händlerbeirats.

In der Tat haben die deutschen PC-Vertreiber im Vergleich zu den Absatzzahlen ihrer Muttergesellschaft im amerikanischen Markt bisher nur ein mageres Resultat erzielt. US-Presseberichten zufolge sollen jenseits des Atlantik inzwischen rund 700 000 Personal Computer abgesetzt worden sein. Bereits im ersten Jahr nach der Ankündigung schätzten Marktforscher die Zahl der Installationen auf rund 200 000. Von solchen Ergebnissen ist die deutsche Niederlassung freilich noch weit entfernt. In der GmbH habe man die ursprünglichen Umsatzziele für 1983 von 16 000 verkauften Systemen noch rechtzeitig auf 10 000 heruntergeschraubt, heißt es in Händlerkreisen.

Halten sich offizielle IBM-Stellen mit der Angabe genauer Verkaufszahlen wie eh und je zurück, so gehen die Erfolgskommentare der Verantwortlichen zeitweilig in unterschiedliche Richtungen. Der Finanzchef der Frankfurter Konzerntochter, Heinz Gast, versprüht wortkarg Optimismus: "Mit den bisherigen Umsätzen sind wir überaus zufrieden." Andere Töne hört man indes vom IBM-Generalbevollmächtigten Bernhard Dorn. "Wir haben Fehler gemacht," äußerte der Stuttgarter Manager kürzlich noch gegenüber der Wirtschaftspresse.

PC-Händler können sich offensichtlich eher mit den Äußerungen Dorns anfreunden. Die Wiederverkäufer schätzen die kolportierten 7000 Installationen erheblich niedriger ein. Sollte IBM tatsächlich 10 000 Rechner in den Markt gebracht haben, so würden diese zu einem überwiegenden Teil noch in den Regalen stehen.

Konfuse Absatzstrategien

Der unerwartete Mißerfolg des Marktführers ist nach Ansicht von Branchenexperten zunächst eine Folge der anfänglich konfusen Absatzstrategie. Das Reihl-Team hat sich bei der Auswahl seiner Vertriebspartner äußerst "blauäugig" angestellt. So kritisierten denn auch Mitglieder des Händlerbeirats, daß sich unter den über 100 Distributoren "überwiegend Schrott" befinde. IBM habe im Gerangel um die von nahezu allen Herstellern umgarnten Wiederverkäufer der ersten Stunde kleinere Einzelhändler unter Vertrag genommen, die bislang nur Büromaterial, größtenfalls Schreibmaschinen verhökerten. "Von einem Mann, der bislang Bleistifte verkauft hat, kann man kein großes Geschäft erwarten", verdeutlicht Norbert Reitmann, Geschäftsführer bei der Münchner PCM GmbH, dem nach eigenen Aussagen umsatzstärksten IBM-Vertriebspartner in Süddeutschland. Die meisten Personal-Computer-Vertreiber, so der PCM-Manager, seien nur darauf ausgewesen, sich das IBM-Label an ihre Ladentür zu heften, um zu demonstrieren, daß auch sie einen "Mercedes" anbieten. Dabei erwiesen sich die kleineren Händler zunächst als die größten Absatzbremser, sagen IBM-treue größere PC-Anbieter.

Die meisten Vertragspartner der Frankfurter hätten mindestens noch drei bis vier weitere Rechner im Angebot, die von den Herstellern in der Regel zu besseren Konditionen weitergegeben werden, erklären IBM-Beobachter. Da die Margen des Marktführers bei kleinen Abnahmemengen relativ niedrig seien, wurde ein PC nur dann verkauft, wenn der Kunde ihn unbedingt haben wollte. "Wir müssen das ganze PC-Geschäft über andere Deals wie Software oder Zubehör aufhängen", ärgert sich Wolfgang Scheffen, zuständig für den Rechnervertrieb bei der General Electric Informations GmbH im rheinischen Hürth-Efferen. Wenn er nicht jeden Tag zehn Systeme verkaufe, könne er bei den mageren Gewinnspannen nur schwer überleben.

Als Absatzvereitler erwiesen sich aber nicht nur die kleineren Händler, sondern vor allem auch die Vertriebsbeauftragten der Stuttgarter Muttergesellschaft, wollen renommierte PC-Verteiler wissen. Da die Jumbo-Verkäufer befürchteten, ihnen ginge durch den wachsenden Personal-Computer-Erfolg das bislang provisionsträchtige Terminal-Replacement-Geschäft durch die Lappen, hätten sie bei großen Anwendern meist gegen einen PC-Einsatz argumentiert.

Inzwischen hat der Marktführer diesen ungewollten Attacken einen Riegel vorgeschoben. Umsatzpunkte erhalten jetzt die Stuttgarter Vertriebsbeauftragten ebenso wie im traditionellen Rechnergeschäft, wird in ihrem Kundenkreis von einem Wiederverkäufer ein Mikro untergebracht. Solche Motivationsspritzen sollen helfen, in diesem Jahr das PC-Geschäft im Großkundenbereich anzukurbeln.

Mit der Eröffnung neuer Computershops will sich IBM anscheinend mittelfristig auch von ihrer Händlerabhängigkeit freischaufeln. In der Branche hält sich das Gerücht, daß die Frankfurter bis Ende 1985 beabsichtigen, insgesamt 90 Ladenlokale in der Bundesrepublik zu etablieren. Walter Bierbauer, Mitinhaber beim Stuttgarter PC-Vertreiber Bierbauer & Nagel, sieht mit diesem Vorhaben einen Bereinigungsprozeß auf die Händler zukommen, der vor allem kleinere Vertriebsunternehmen treffe. Konkurrenz durch den eigenen Hersteller müßten hier insbesondere Distributoren fürchten, die bislang nicht bereit waren, ausgiebig in ihre Beratung zu investieren. Bierbauer hält sich mit über hundert verkauften PCs für einen der "ganz großen" IBM-Partner. Solche Absatzerfolge sind tatsächlich selten in der Händlerriege Big Blues. Hierzulande gebe es bislang nur etwa ein halbes Dutzend IBM-Wiederverkäufer, so die vorherrschende Meinung, die bereits auf dreistellige Installationszahlen zurückblicken könnten. Dabei sei die PC-Nachfrage jedoch erst in den letzten zwei bis drei Monaten angezogen.

Aufwind durch Osborne

Ein wachsendes Kaufverhalten registriert auch der Chef von Computer Point in Tübingen, Peter Jaesrich. Als "Händler der ersten Stunde" habe er inzwischen 20 Rechner verkauft, davon die meisten im November und Dezember. Dieser spontane Aufschwung sei aber keineswegs eine Folge des alljährlichen Vorweihnachtsgeschäftes. Vielmehr habe die Krisensituation einiger Anbieter wie Osborne, Victor, Atari, Apple oder David dazu geführt, daß die Käufer den IBM PC plötzlich favorisierten.

"Die Benutzer waren durch die Schwierigkeiten anderer Hersteller verunsichert und bauten auf die Sicherheit eines großen Unternehmens", erklärt Holger May, Filialleiter bei der Hansen Büroelektronik in Koblenz. Als die ersten Meldungen über die Probleme von Osborne & Co. erschienen, habe er PCs an Kunden verkauft, die sich zuvor für ein anderes Gerät entschieden hätten. Obwohl auch May den herbstlichen Aufwind zu spüren bekam, hat er sich dennoch mehr von einer Verbindung mit dem Marktführer versprochen. Bisher konnte der Teilnehmer der ersten IBM-Schulung nach eigenen Angaben noch keine 20 Systeme verkaufen. Ein halbes Jahr lang habe er nicht einen einzigen Rechner an den Mann gebracht.

Metro-Deal ein Fehlschlag

Unzufrieden scheint die IBM aber nicht nur mit dem schleppend angegangenen Händlergeschäft. Auch die Absatzmeldungen des Handelsriesen Metro dürften den Verantwortlichen in Stuttgart und Frankfurt unruhige Nächte beschert haben. Sorgten die Dumping-Preise des Grossisten anfänglich noch für Empörung und Aufregung in Wiederverkäuferkreisen, so schmunzeln die einst Vergnatzten heuer über den Metro-Mißerfolg. Wie es heißt, konnte der Düsseldorfer Konzern in mehr als einem Dutzend regionalen Großmärkten noch keine 700 Systeme absetzen. Die Metro-Manager haben anscheinend auch erkannt, daß sie bei einer qualifizierten Beratung nicht im Stande sind, ihre Niedrigpreispolitik zu halten. Die Einstiegspreise für den PC wurden inzwischen deutlich angezogen.

Daß mit den bisherigen PC-Erfolgen weder die IBM, noch die Metro und schon gar nicht die in der Regel kapitalschweren Händler zufrieden sind, liegt auf der Hand. Für die Vertriebspartner kommt erschwerend hinzu, daß der größere Bruder des PC, der "PC XT", beim professionellen Anwender besser ankommt als dessen Vorgänger, jedoch nur mangelhaft verfügbar ist. Einige Distributoren berichten zudem, daß beim PC obendrein hin und wieder Probleme mit den Laufwerken auftreten. Bei der Münchner PCM GmbH beklagt man sich außerdem über fehlerhafte Netzteile. Wie Geschäftsführer Reitmann erklärt, mußte er in der letzten Zeit

häufig Lieferungen zurückgehen lassen.

Markteintritt war nicht billig

Obwohl die meisten Wiederverkäufer mit dem bisherigen Absatzresultaten keineswegs brillieren können, herrscht noch immer eine positive Grundstimmung gegenüber den Rechnern des Marktführers. Kaum ein Händler zweifelt daran, daß IBM den Durchbruch im hartumkämpften PC-Markt schaffen werde. Dennoch scheint der Markteintritt Big Blues nicht ganz billig gewesen zu sein. Riesige Werbekampagnen in den gängigen Tageszeitungen und Magazinen sowie zahlreiche Fernsehwerbespots haben Unsummen an Geld verschlungen, heißt es in Stuttgart hinter vorgehaltener Hand. Da das PC-Geschäft für die GmbH zudem ein reines Importabenteuer ist, dürfte sich auch der steigende Dollarkurs hemmend auf die Gewinne ausgewirkt haben. Um in die schwarzen Zahlen zu kommen, so ein IBM-Beobachter, müsse Big Blue noch kräftig strampeln.