Mit Wirkung zum 2. Juli 2001:

IBM wird von den Folgen des Consent Decree von 1956 befreit

16.05.1997

Bereits im Juli 1996 hatten sich die IBM und das US-Justizministerium auf diese Übereinkunft grundsätzlich einigen können. Jetzt hat der Bundesdistriktrichter Thomas Griesa diese Vereinbarung ratifiziert. Nach dieser Entscheidung wird der Mainframe-Marktführer ab dem 2. Juli 2001 keinen Regulierungen mehr unterliegen, die sein Geschäft mit den Midrange- und Großrechnersystemen behindern könnten. Richter Griesa begründete seine Entscheidung mit der Feststellung, der DV-Markt besitze heute wirkungsvolle Möglichkeiten, etwaige monopolistische Taktiken der IBM erfolgreich abzuwehren.

Hintergrund des jahrzehntealten Vergleichsabschlußes ist ein Antitrust-Verfahren zwischen der IBM und der US-Regierung aus dem Jahr 1952. Eigentlich rühren die Streitigkeiten zwischen Staat und Firma wegen unfairen Monopolgebarens sogar aus den 30er Jahren.

Lizenz zum Gelddrucken

Mit dem Aufkommen der Tabelliermaschinen, die damals noch nicht mit Software, sondern mit Lochkarten gefüttert wurden, hatte die IBM zu dieser Zeit auch einen Weg gefunden, ihre Kunden in eine Zwangsehe zu führen: Die Lochkarten hatten ein festgelegtes Format. Aussparungen wurden nach einem bestimmten Verfahren eingestanzt, das die IBM vorgab. Lesegeräte von anderen Herstellern als von Big Blue funktionierten mit diesen Karten nicht. Der Anwender mußte deshalb zwangsläufig Lochkartenperipherie von der IBM kaufen.

Außerdem verpflichtete Big Blue seine Kunden vertraglich, keine Lochkarten von anderen Herstellern zu benutzen. Das kam einer Lizenz zum Gelddrucken gleich. Big Blue erzielte mit dem Verkauf von Lochkarten zeitweise höhere Renditen als mit dem der eigentlichen Tabelliermaschinen.

Schließlich verfiel die IBM auf die Idee, ihre Hardware nicht zu verkaufen, sondern an ihre Kunden zu vermieten. Mit dem Hinweis, die im Besitz der IBM verbleibenden Rechner würden beschädigt, wenn sie gemeinsam mit Peripheriegeräten von Drittanbietern benutzt würden, nötigte das Unternehmen Kunden, nur IBM-Hardware zu kaufen. Am 17. April 1936 verurteilte das Oberste Bundesgericht die IBM, auf diese Praktiken zu verzichten.

In den 50er Jahren hatte die US-Kartellbehörde das Lochkartengeschäft der IBM noch einmal einer kritischen Prüfung unterzogen, weil sich de facto an der übermächtigen Stellung von Big Blue in diesem Marktsegment nichts geändert hatte. Tom Watson jun., der Sohn und Nachfolger des legendären Firmenpatriarchen Tom Watson sen., unterschrieb nach einem vierjährigen Verfahren 1956 den jetzt aufgekündigten Consent Decree. Nach diesem versprach die IBM, ihre Lochkartenmaschinen auch zu verkaufen und nicht nur zu vermieten. Außerdem machte der spätere Mainframe-Monopolist seine Technologie auch Dritten verfügbar. Die IBM beugte sich ferner der Verpflichtung, die Preise für Hard- und "Software" getrennt anzugeben, also zu entbündeln.

Erst durch dieses sogenannte Unbundling war es unabhängigen Software-Entwicklern in der Folge möglich, Programme für Big Blues Rechner anzubieten. Auch Hersteller von IBM-kompatiblen Computern konnten nun mit preiswerteren und teils besseren Maschinen gegen den blauen Monopolisten antreten.

Zwar hat die Handelsgruppe Independent Service Network International die US-Regierung aufgefordert, sie solle die Wettbewerbssituation in fünf Jahren noch einmal prüfen, anstatt heute schon gewisse Vorgaben des Consent Decree auslaufen zu lassen. Die Interessengruppe, von insbesondere Wartungsdienstleistungs-Unternehmen will gegen die Entscheidung von Richter Griesa wahrscheinlich Einspruch einlegen. Da die Industriegruppe jedoch keine direkte Verfahrensbeteiligte ist, muß sie das Gericht erst um Erlaubnis bitten, ihren Einspruch einlegen zu dürfen.