Weitgehende Vereinbarung bis in den Bereich der Standardisierung:

IBM wird PBX-Wiederverkäufer von Siemens

23.12.1988

MÜNCHEN/STUTTGART/NEW YORK (cmd) - Nachdem es IBM auch im dritten Anlauf nicht gelungen ist, im PBX-Geschäft erfolgreich Fuß zu fassen, sind die Armonker bemüht, den Verkauf der Rolm-Division an Siemens und die Beschränkung auf den Part eines Wiederverkäufers nicht als Signal für den Ausstieg aus der Telekommunikation erscheinen zu lassen.

Die Kommentierung des Deals mit den Münchnern - eine Business-Entscheidung, die im Top-Management ausgerechnet zu einem Zeitpunkt getroffen wurde, als das Produkt endlich vertriebsreif war - bereitet den IBM-Offiziellen in der Bundesrepublik offenbar noch Schwierigkeiten: Während Helmut Röder, Pressechef der deutschen Big-Blue-Tochter, den Rolm-Verkauf als eine "Grenzbegradigung" bezeichnet, spricht Ulf Bohla, Leiter des Marktsegments "Telekommunikation und komplexe Systeme" in der Bundesrepublik, immerhin von einer "Änderung der Implementierung" der Telecom-Strategie: "Wir sagen, wir fahren besser damit, mit kompetenten Partnern zu kooperieren".

Für den europäischen PBX-Markt bedeutet die neue "Kooperations-Linie", daß die IBM als Hersteller eigener Anlagen das Feld räumt. Einen Tag nach Bekanntgabe der Vereinbarung zwischen den Armonkern und den Münchenern in New York teilte das europäische Hauptquartier der IBM lapidar mit, daß "sie das Telekommunikationssystem IBM 8750 nicht an ihre Kunden ausliefern wird und das Produkt vom Markt zurückzieht."

Statt dessen würden IBM und Siemens eine Übereinkunft treffen, nach der man den europäischen IBM-Kunden eine von Siemens hergestellte Telekommunikationsanlage anbieten werde, die auf deren Hicom-300-Technologie basiere.

Im Klartext heißt das: Die IBM wird im Rahmen ihres Systemgeschäfts künftig überall in Europa als Wiederverkäufer von Siemens-Equipment auftreten. Von besonderem Wert für die Münchener ist dabei in erster Linie, daß sie nach dem vergeblichen Bemühen um die französische Telefonbaugesellschaft CGCT nun auch endlich via IBM Zugang zum Markt des westlichen NachbarIandes gewinnen.

Für Peter Pribilla, den Leiter des Siemens-Geschäftsbereichs "Private Kommunikationssysteme und -netze (PN)", steht freilich die Verbreiterung des Marktanteils in den USA im Mittelpunkt. Mit der Übernahme von Rolm wächst den Münchnern eine Kundenbasis mit rund 23 000 installierten Systemen zu, die einen Marktanteil von etwa 18 Prozent darstellt. Rechnet man die vier Prozent dazu, die die US-Tochter Telplus Communications bisher erreicht hat so positioniert Siemens sich als PBX-Anbieter nun auf Platz zwei hinter AT&T und ist damit ein wesentlicher Faktor in den USA.

Im einzelnen sieht die Vereinbarung zwischen IBM und Siemens, soweit sie sich auf die USA bezieht, vor daß die Entwicklungs- und Fertigungskapazitäten von Rolm auf die neugegründete Rolm Systems, Inc., eine hundertprozentige Siemens-Tochter, übergehen. Weiterhin gründen die beiden Partner die Vertriebsfirma Rolm, an der sie jeweils mit 50 Prozent beteiligt sind.

Darüber hinaus unterstreichen beide Unternehmen ihre "PIäne für ein gemeinsames Vorgehen beim Design neuer Kommunikationsanwendungen einschließlich ISDN-Lösungen". Hier denkt man bei Siemens vor allem an kombinierte PBX-Rechneranwendungen wie beispielsweise automatische Anrufweiterleitung oder Telemarketing - ein Feld, auf dem die Münchner unter dem Stichwort "Computer Integrated Telephony (CIT)" bereits vor einem Jahr eine Kooperation mit DEC eingegangen sind.

PN-Chef Pribilla sieht hier keine Abgrenzungsprobleme: "Da wir in den USA ein bißchen enger mit IBM zusammenarbeiten werden, werden wir uns hier auch Lösungen einfallen lassen, die "proprietary" sind und die wir nicht mit DEC machen." Vor allem setzt die Siemens-Crew darauf, daß ihre "Cornet"-Schnittstellenvorschläge für die Verbindung von Nebenstellenanlagen und Rechnern künftig die Unterstützung der IBM finden, denn beide Partner werden künftig die gleichen Protokolle fahren: "Auf dem Standardisierungsgebiet", so der PN-Boss, "kann man aus dieser Zusammenarbeit einiges erwarten."

Während die internationale Wirtschaftspresse die Kooperation des größten DV-Herstellers und des fünftgrößten Elektronikkonzerns bereits als Elefantenhochzeit charakterisiert, halten sich die Mitbewerber auf dem PBX-Markt noch bedeckt. Horst Nasko, Nixdorf-Vorstandsmitglied und verantwortlich für den Nachrichtentechnik-Bereich der Paderborner, dürfte mit seiner Lagebeurteilung die Stimmung der Branche treffen: "Es ist interessant, daß es zu einem solchen Deal gekommen ist - vielleicht ein Signal, vielleicht auch nur eine Zweckangelegenheit".