Infrastruktur-Geschäft ausgegliedert

IBM will sich aufspalten

14.10.2020
Von Redaktion Computerwoche
IBM spaltet sich bis Ende 2021 in zwei Unternehmen auf. Das Geschäftsfeld der Infrastruktur-Services wird ausgegliedert. IBM selbst setzt auf Hybrid Cloud und KI.

Mit einer überraschenden Ankündigung läutete IBM-CEO Arvind Krishna einen Strategiewechsel ein: Bis Ende nächsten Jahres will IBM seine Infrastruktur- und Anwendungs-Services, die heute für 4.600 Kunden in 115 Ländern erbracht werden und für jährlich 19 Milliarden Dollar Umsatz gut sind, aus der Division Global Technology Services (GTS) herauslösen und als separates Unternehmen an die Börse bringen. Die neue Company, der IBM-CEO spricht von der "NewCo.", soll zunächst 90.000 Mitarbeiter beschäftigen. Über den Namen und die Führung werde in den kommenden Monaten entschieden.

Nicht kleckern, sondern klotzen - so lautet offenbar das Motto des aktuellen IBM-Chefs Arvind Krishna, der rund ein Viertel des Geschäfts auslagern will.
Nicht kleckern, sondern klotzen - so lautet offenbar das Motto des aktuellen IBM-Chefs Arvind Krishna, der rund ein Viertel des Geschäfts auslagern will.
Foto: IBM

Insgesamt wird sich damit ein knappes Viertel der Belegschaft vom blauen Mutterschiff trennen müssen, IBM zählt derzeit gut 352.000 Beschäftigte. Die Abspaltung und die damit verbundenen betrieblichen Ausgaben werden mit rund 2,5 Milliarden Dollar kalkuliert.

Eine-Billion-Dollar-Markt Hybrid Cloud

"Wir haben uns in den 90er Jahren vom Networking-Geschäft und in den 2000ern vom PC-Business getrennt. Aus dem Halbleiter-Business haben wir uns vor fünf Jahren zurückgezogen. All diese Bereiche haben unser integriertes Wertversprechen nicht wirklich unterstützt", sagte IBM-Chef Krishna gegenüber der Nachrichtenagentur "Reuters". Die Zukunft von IBM selbst werde ganz dem "offenen" Hybrid-Cloud-Geschäft gehören, wobei die Produkte des für 34 Milliarden Dollar übernommenen Softwarehauses Red Hat im Mittelpunkt stehen sollen.

Nach der Red-Hat-Übernahme sei die Aufspaltung des 109 Jahre alten Unternehmens ein weiterer Meilenstein in der IBM-Geschichte. Es gebe eine enorme Nachfrage nach allem, was mit Hybrid Cloud und künstlicher Intelligenz zu tun habe, so Krishna, der von einem "Eine-Billion-Dollar-Markt" spricht. Das Kaufverhalten rund um Anwendungs- und Infrastrukturservices passe nicht recht dazu, es zeige andere Muster auf.

"Deshalb haben wir entschieden, das Managed-Infrastructure-Service-Business aus der GTS herauszunehmen und zu einem eigenständigen Unternehmen zu machen", so Krishna in einem Blog-Beitrag. IBMs Fokus werde auf seiner offenen Hybrid-Cloud-Plattform und auf seinen KI-Fähigkeiten liegen, während sich das neue Unternehmen voll und ganz auf die Lieferung von Managed-Infrastructure-Services konzentrieren werde. Das Mainframe-Business bleibt nach Informationen der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" unter dem Dach der IBM, ebenso Zukunftsmärkte wie Quanten-Computing und Blockchain.

IBM hofft auf höhere Profitabilität

Profitables Wachstum verspricht sich IBM aber vor allem von Hybrid Cloud und KI. Die Cloud ist nach den Worten des IBM-Chefs der zukünftige "Ort für Handel, Transaktionen und nach einiger Zeit auch für das Computing selbst." Die Anforderungen der Kunden hätten sich geändert, die Zukunft gehöre hybriden Cloud-Umgebungen, die - so behauptet Krishna einfach - rund 2,5 Mal so werthaltig seien wie reine Public-Cloud-Umgebungen.

Der IBM-Boss erklärte, der IT-Konzern generiere heute 60 Prozent seiner Umsätze mit Services. Nach der Ausgliederung der NewCo. werde das Software- und Lösungsportfolio den Löwenanteil der Einnahmen ausmachen. Damit werde sich das Geschäftsmodell signifikant verändern. Die Erfolge IBMs mit der übernommenen Red Hat hätten gezeigt, dass dies der richtige Schritt sei.

Offensichtlich traf Krishna mit dieser Botschaft den Nerv der Finanzinvestoren: Ein Fokus auf Software verspricht aus deren Sicht höhere Gewinnmargen als die Konzentration auf Services. Nach Bekanntwerden der Spaltungspläne machte die IBM-Aktie einen kurzfristigen Kurssprung von sieben Prozent.

IBMs auf der Basis von Red Hats Container-Plattform OpenShift angebotene Cloud Paks, die Anwendern in Sachen Daten, Automatisierung, Sicherheit und anderen Aspekten den Umstieg in Cloud-Umgebungen leichter machen sollen, zeigten den künftigen Weg, so Krishna. Man wolle die Kunden bei der Legacy-Modernisierung, dem Entwickeln von Cloud-Native-Anwendungen und der Cloud-Migration helfen. Mit Spanugo und WDG Automation habe IBM zudem zwei Unternehmen zugekauft, die den Fokus auf Hybrid Cloud und KI noch einmal verstärkten. Krishna stellte weitere Übernahmen in Aussicht.

Laut IBM hat auch die NewCo. gute Perspektiven

Auch für die NewCo. gibt es dem IBM-Boss zufolge Perspektiven. Das Unternehmen bringe viel Know-how im Management komplexer, geschäftskritischer Systeme mit - und das in Dreiviertel der 100 größten Unternehmen der Welt. Der jährliche Umsatz werde bei 19 Milliarden Dollar liegen, was dem Doppelten dessen entspreche, was der nächste Wettbewerber in die Waagschale zu werfen hätte.

Das Unternehmen werde mehr Freiheiten für Allianzen und Partnerschaften haben als bisher, dabei aber trotzdem IBMs erster Ansprechpartner für Infrastrukturthemen sein. IBM will den Geschäftsbereich Technology Support Services (TSS) als "integralen Bestandteil" von IBM behalten, zumal dieser Geschäftsbereich auch Unterstützung rund um Cloud-Umgebungen und Open-Source-Lösungen offeriert.

Die scheinbar klare Aufteilung des Konzerns lässt derzeit noch viele Fragen offen, auf die IBM wohl erst im Laufe der nächsten Monate Antworten finden wird. Beispielsweise haben viele Kunden, insbesondere auch aus dem Behördenumfeld, Big Blue als Generalisten beauftragt, der beispielsweise auch das Management der Rechenzentren und der Mainframes übernimmt. Diese Aufgaben muss nun die NewCo. in vermutlich engem Zusammenspiel mit IBM übernehmen.

Beobachter beurteilen den Schritt dennoch eher positiv. IBM wolle sich, wie schon in den vergangenen Jahren, von Geschäftsfeldern trennen, die nur geringe Erträge abwerfen. Gartner-Analyst Daryl Plummer sagte im Gespräch mit dem "Wall Street Journal": "Wenn es funktioniert ist es ein Wendepunkt in der Geschichte der IBM - ähnlich wie ihn Microsoft mit seinem Fokus auf das Cloud-Business erlebt hat. Wenn es nicht funktioniert, kann es ein Wendepunkt der anderen Sorte sein."