Beim Marktführer ist Konzentration auf das Wesentliche angesagt:

IBM will Problemfall Rolm mit Siemens lösen

16.12.1988

NEW YORK/MÜNCHEN (cmd)- Mit Blick auf ihre Bilanz ist die IBM offenbar bestrebt, unprofitable Bereiche abzustoßen und sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren: Nachdem man für das nicht sonderlich erfolgreiche Kopierergeschäft in Kodak einen Abnehmer fand, soll Siemens als Retter in der "PBX-Not" die Rolm-Division auf Vordermann bringen.

Wenngleich die Details des Deals zwischen Armonk und München bis Redaktionsschluß noch nicht bekannt waren, so steht immerhin folgendes fest: Siemens bringt in einem Pakt mit dem DV-Marktführer sein PBX-Know-how ein und sorgt dafür, daß IBMs Geschäftsergebnis und Image nicht länger von den Millionenverlusten im Nebenstellengeschäft überschattet sind. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres mußten die Armonker ein 100-Millionen-Dollar-Loch im PBX-Bereich verschmerzen. New Yorker Analysten rechnen bis zum Jahresende sogar mit einem weit höheren Minus, denn, so zitiert das "Wall Street Journal" beispielsweise Merill Lynch, IBM habe gegenüber den

professionellen Börsenbeobachtern durchblicken lassen, daß diese ihre Erwartungen im Hinblick auf das diesjährige Geschäftsergebnis, trotz der Fujitsu-Zahlung in Höhe von 237 Millionen Dollar für die Beendigung des Copyright-Streits, nicht ändern sollten.

Der offenkundige Mißerfolg mit Rolm, aus dem Big Blue nun Konsequenzen ziehen muß, ist freilich nur ein Beleg dafür, wie schwer sich Armonk in den Bereichen tut, die nicht zum eigentlichen Kerngeschäft zählen. Ein Beispiel ist das Kopierergeschäft: Nachdem Kodak im April dieses Jahres zunächst nur die US-Aktivitäten von IBM übernahm, wechselten im Oktober auch das Europa- und das Übersee-Geschäft den Besitzer.

Noch gravierender sind die fehlgeschlagenen Bemühungen der IBM, auf dem Feld der Telekommunikation mitzumischen. Über die Satellite Business Systems (SBS) versuchten die Armonker gemeinsam mit zwei Partnern, ins vermeintlich zukunftsträchtige Satellitenkommunikationsgeschäft einzusteigen.

Nach jahrelangen Verlusten stieß IBM vor zwei Jahren SBS an MCI ab und versüßte dies mit 427 Millionen Dollar, die man dem Weitverkehrs-Carrier für eine 16-Prozent-Beteiligung auf den Tisch blätterte.

Marktbeobachter, die darin einen geschickten Schachzug sahen und spekulierten, IBM wolle sich auf diese Weise ein Standbein in dem wiederum als zukunftsträchtig prognostizierten Markt der Value-Added-(Network-)Services schaffen, wurden eines Besseren belehrt. IBM-Boss John Akers bot auf der diesjährigen Hauptversammlung MCI den Rückkauf des Aktienpaketes an und signalisierte damit den geplanten Rückzug aus diesem Business.

Noch spektakulärer war im September 1984 die Übernahme des PBX-Herstellers Rolm, die beide Seiten vornehm als "Fusion" titulierten. Die Übernahme der noch ausstehenden 77 Prozent der Rolm-Aktien - 23 Prozent hatte IBM seit Mitte 1983 bereits erworben - ließen sich die Armonker rund 1,27 Milliarden Dollar kosten. Ziel des Engagements war damals, auf dem Markt der digitalen Nebenstellenanlagen mitzumischen und über entsprechende Anwendungen das Mainframe-Geschäft auszubauen.

Die Reorganisation, mit der IBM seine Telecom-Aktivitäten 1985 zunächst in den USA und 1987 dann in Europa streifen wollte, zeigten die Schwierigkeiten mit der Integration der Rolm-Produkte in die IBM-Telekommunikations-Strategie schlaglichtartig auf. Die Gründung der Rolm Europe in England 1985 sowie deren spätere Einbindung in den 1987 neu eingerichteten "lntegrated Services Switching Systems" (ISSS)-Bereich verdeutlichten die Probleme noch.

IBM kündigte dann zwar weltweit die langerwartete digitale Nebenstellenanlage 8750 (Europa-Version) beziehungsweise 9750 (US-Version) - mit späterer ISDN-Option - aus der Rolm-Fertigung an; der PBX-Markt hatte sich inzwischen jedoch längst stark gewandelt. Das Marktwachstum beträgt nach heutigen Schätzungen höchstens noch zwei Prozent, und verdienen läßt sich in diesem Sektor aufgrund des harten Wettbewerbs so gut wie nichts mehr. Darüber hinaus kommen IBM im US-Markt Wartung und Support der alten Rolm-Produkte CBX und CBX II - von den insgesamt 20 000 Anlagen entfallen nur zehn Prozent auf das Nachfolgemodell 9750 - teuer zu stehen, und in Europa sind die Rolm-Nebenstellenanlagen außer in England und Italien nicht existent, wie das Beispiel Bundesrepublik zeigt: Bei der Ankündigung der 8750 im letzten Jahr hieß es, die ZZF-Zulassung sei für Juni dieses Jahres zu erwarten und die Auslieferung sollte dann im Oktober anlaufen.

Derzeitiger Stand der Dinge ist allerdings, daß die PBX, wie ein IBM-Sprecher auf Befragen erklärte, bisher von der Post nicht zugelassen wurde.