Big Blue wirbt um das Vertrauen der Entwickler

IBM will groesseres Augenmerk auf das Produkt-Marketing legen

03.05.1996

Nach der Erfolglosigkeit des Power-PCs, dem Ende der RISC- Version von OS/2 und der nur geringen Praesenz im Kampf um Internet-Standards sah sich Big Blue genoetigt, um das Vertrauen der Entwickler zu werben. Selbstkritisch bestaetigte Gian Carlo Bisone, General Manager fuer das Software-Marketing, die weitverbreitete Einschaetzung, dass es der IBM weniger an der Qualitaet der Produkte, sondern an deren guter Vermarktung mangle (siehe Interview auf Seite 9). Der vor einem halben Jahr von Compaq zu Big Blue gewechselte Italiener fungierte als offizieller Gastgeber, was wohl den Willen des weltgroessten IT-Konzerns symbolisieren sollte, seine Produkte besser im Markt durchzusetzen.

Nachdem die Umstrukturierung von Big Blue seit dem Beginn der Aera Louis Gerstner immer wieder vom Versprechen begleitet war, flexibler auf die Herausforderungen des Marktes zu reagieren, rief die neuerliche Ankuendigung bei den Teilnehmern Skepsis oder nur zurueckhaltende Zustimmung hervor. Schliesslich gab es genug Anzeichen dafuer, dass der alte IBM-Geist nicht so schnell totzukriegen ist. So erging sich ausgerechnet der General Manager der Internet-Abteilung, Irving Wladawski-Berger, in Gemeinplaetzen ueber die aktuellen Umwaelzungen im IT-Geschaeft.

Gemeinplaetze statt origineller Konzepte

Er verzichtete gaenzlich darauf, seine nicht besonders originellen Visionen mit dem Produktangebot der IBM in Verbindung zu bringen. Als besondere Herausforderung in Sachen Internet nannte er an vorderster Stelle, Mainframes und Midrange-Rechner an das globale Netzwerk anzuschliessen.

Nicht weniger unverstaendlich ist die Haltung der IBM, was die Positionierung der netzfaehigen Compound-Document-Technik "Opendoc" gegen Microsofts "Active X" und Suns "Java" anlangt. Waehrend man hausintern ganz selbstverstaendlich davon ausgeht, damit ein konkurrenzfaehiges Produkt zu besitzen, fehlt es an einer nach aussen hin artikulierten Strategie. Symptomatisch dafuer war die Haltung von Scott Hebner, Manager fuer Opendoc Market Development, der erstmals eine im stillen entwickelte Betaversion der Java- Schnittstelle vorfuehrte. Waehrend praktisch alle Hersteller darum bemueht sind, Positionen im zukunftstraechtigen Java-Markt zu besetzen, beantwortete der IBM-Verantwortliche Fragen nach dem Fertigstellungstermin fuer das Java-Modul mit einem wenig engagierten "irgendwann 1996".

Bewegung in die langsamen Manoever des Supertankers IBM scheinen die strategischen Aufkaeufe der letzten Zeit zu bringen. So nahm man bei Lotus die Internet-Herausforderungen fuer Notes ernst und kuendigte in Nashville unter dem Codenamen "Domino" noch fuer dieses Jahr eine Version der Groupware an, die vor allem durch ihre Web- Funktionen brillieren soll. Sie soll neben zahlreichen Features zum Online-Publizieren auch Microsofts Active X unterstuetzen - von Opendoc war jedoch nicht die Rede. Frischen Wind brachte auch der Zukauf von Tivoli in den strategisch wichtigen Bereich des System- Managements. Das Objekt-Framework des texanischen Herstellers soll zukuenftig die plattformuebergreifende Integration fuer alle bestehenden Management-Tools (inklusive "Systemview") leisten.