Mainframe-Marktführer lockt mit Software-Einsparungen und Unistellungshilfen:

IBM will DOS-User auf MVS-Schiene hieven

11.07.1986

MÜNCHEN - Rund 700 000 Mark können DOS-Benutzer einsparen, wenn sie letzt auf MVS umsteigen. Acht Monate stellt dann die IBM ihren migrationswilligen Kunden das Betriebssystem kostenlos und im weiteren Verlauf auf die Dauer von einem Jahr zum halben Preis zur Verfügung.

Es gibt von unserer Seite keine Intentionen, einen Anwender in den MVS-Bereich zu treiben, wenn er mit DOS zufrieden ist", parierte IBM-General Bernhard Dorn noch zur CeBIT '85 eine entsprechende Frage der COMPUTERWOCHE. Damit fegte der damalige Leiter des Geschäftsbereichs Vertrieb Informationssysteme und jetzige stellvertretende Geschäftsführer der IBM Deutschland GmbH den Vorwurf aus Anwenderkreisen vom Tisch, verstockte DOS.-Kunden zunehmend mit Nachdruck auf die MVS-Schiene zu hieven.

Knapp vierzehn Monate später hat sich die Situation für Big Blue offensichtlich grundlegend geändert. Der durch stagnierende Umsatzzahlen vorerst in weite Ferne gerückte Traum von einer 100-Milliarden-Dollar-Company läßt den DV-Boliden nunmehr zu Mitteln greifen, die vor kurzem noch undenkbar schienen: Um den an ihren DOS-Systemen klebenden Midrange-Kunden die Migration zum potentiellen Mainframe-Käufer schmackhaft zu machen, wird das "dazugehörige" Betriebssystem jetzt gleichsam als "Sonderangebot" vermarktet. Witzelt ein IBM-Mitarbeiter aus dem Systembereich: "Da müßte eigentlich auch der bockigste DOS-Kunde seinen Rechenschieber zur Hand nehmen."

Bislang nämlich hielt sich die Zahl der Überläufer in Grenzen: Zirka zehn Prozent Zuwachs jährlich verzeichnet Big Blue für die Gemeinde der weltweit etwa 5000 MVS-Anwender. Dem steht allerdings noch ein beachtliches Potential von etwa 10 000 DOS-Rechenzentren in den USA und rund 3 000 bundesdeutschen VSE-Installationen gegenüber.

Für anstehende MVS-Wechsel ist Big Blue auch softwaremäßig gerüstet. Als Migrationszhilfe bieten die Stuttgarter unter eigenem Logo das Paket "UCC 2" der Uccel Software Products GmbH aus Offenbach an. Damit sollen DOS-Programme ohne Änderungen unter dem MVS-System laufen können. Das Pikante an der Situation: Alle anderen Pakete aus dem Angebot der Offenbacher wirken den Bestrebungen des Branchenriesen geradezu entgegen. Schmunzelt Uccel-Geschäftsführer Klaus Amann: "Mit unseren Programmen für die Verwaltung von DOS-Rechenzentren bremsen wir auch gleichzeitig den HW-Verkauf der IBM."

Gleichwohl scheinen DOS-Anwender nach Meinung von

Marktbeobachtern insgesamt bei technischen Neuerungen weniger risikofreudig zu sein als ihre Kollegen im MVS-Bereich. So haben beispielsweise 94,8 Prozent der rund 3000 VSE-Benutzer in Deutschland keine automatische Jobablaufsteuerung und gut die Hälfte noch kein Bandverwaltungssystem. Die rund 700 MVS-Anwender schneiden da mit 55 Prozent beziehungsweise 24,8 Prozent vergleichsweise besser ab.

Klaus Amann kann die eher abwartende Haltung bei den Benutzern von kleinen und mittleren Systemen nur bestätigen: "Vor sechs Jahren haben wir dieses Kundenpotential für unsere Softwareprodukte schon einmal in Betracht gezogen, aber nach einer eingehenden Marktuntersuchung wieder verworfen." Zu viel Basisarbeit bei den Vertriebsaktivitäten, lautete damals das Ergebnis der Analyse.

Heute setzt die amerikanische Programmierschmiede wieder verstärkt auf diesen Sektor. "Auf Dauer wird es bei der IBM nur noch zwei Betriebssysteme von Bedeutung geben", prognostiziert der Offenbacher Manager, "und das sind MVS/XA und VSE/SP beziehungsweise VM".