IBM will die Entwickler in die Cloud schicken

28.06.2012
Auf der Konferenz "Innovate 2012" empfahl das Unternehmen den Programmierern, sich am Vorbild der technischen Produktentwicklung auszurichten und mit kollaborativen Techniken effizienter zu werden.

Kristof Kloeckner, General Manager IBM Software Rational, mahnte in seinem Keynote-Vortrag auf der IBM-Entwicklerkonferenz in Orlando, Florida, mehr Tempo in der Softwareentwicklung an: Durch neue Softwaremodelle, Wiederverwendung von Code, Standardisieren von Schnittstellen und das Verbergen von Komplexität mit Virtualisierung lasse sich Software viel schneller erstellen als bisher.

Der IBM-Manager empfahl die Zusammenarbeit international verteilter Programmiererteams im Netz und das gezielte Wiederverwenden vorhandenen Codes sowie das schnellere Abstimmen von Teil- und Zwischenergebnissen mit den Kundenanforderungen. "Collaboration", das Zauberwort, das in der Fertigungsindustrie seit 20 Jahren bekannt sei, müsse in der Softwareentwicklung Einzug halten.

Software bekommt Schlüsselrolle

Die Leistungsfähigkeit der Hardware stößt laut Kloeckner an ihre physikalischen Grenzen. Die Taktfrequenz lasse sich effizient kaum über vier Gigahertz steigern. Der Miniaturisierung seien ebenfalls Grenzen gesetzt. Mehr Leistung erreiche man deshalb durch Skalierungseffekte beim Einsatz von mehreren Prozessoren - oder eben durch Software. "Software ist der Faden, der alles zusammenhält", sagte der IBM-Manager und verwies auf die Eisenbahn-Signalanlagen, die heute bereits zu 80 Prozent aus Software beständen.

Oft stehe zu Beginn eines Entwicklungsvorhabens noch nicht fest, wie das Endprodukt letztendlich beschaffen sein werde. Manchmal würden die Geräte, auf denen die Software laufen soll, erst noch entwickelt. "Künftige Veränderungen dieser Geräte und ihre Wartung müssen schon in der Softwareentwicklung berücksichtigt oder zumindest vorbereitet werden", forderte Kloeckner. An dieser Stelle könnten Programmierer von den Herstellern technischer Produkte und Konsumgüter lernen. Die immer weiter zunehmende Globalisierung, der Einfluss von Software auf gesellschaftliche und technische Innovationen und die "Konsumerisierung" von Technik erschwerten die klassische Softwareentwicklung nach dem Wasserfallmodell. "Die Softwarequalität muss mit der Entwicklung der Welt Schritt halten und agiler werden", folgerte Kloeckner.

Dabei helfen kann IBM zufolge die Cloud. Software- und Systementwickler sollen sich demnach in der Cloud zusammenfinden und Software dort entwickeln und bereitstellen. Der Softwareentwicklung in der Wolke komme künftig eine Schlüsselrolle zu.

IBM nutzte die Innovate 2012 denn auch, um eine Reihe von Neuerungen und Erweiterungen seiner Werkzeuge für Softwareanalyse und Systemdesign vorzustellen. Zehn Bausteine der Rational-Welt wurden in neuen Versionen präsentiert. Das betraf etwa die Entwicklungs-Tools der "SmartCloud"-Familie, mit denen neue Subroutinen und Softwaremodule in eine Cloud-Umgebung eingespielt werden. Dort sollen sie unter Produktionsbedingungen getestet und mit entsprechendem Feedback an die Programmierer zurückgegeben werden können. Ziel dieser neuen Methode sind eine Verkürzung der Entwicklungszeit und praxisnähere Testumgebungen für die Programmierer. Continuous Delivery nennt IBM das Verfahren.

Die SmartCloud-Tools seien dafür ausgelegt, über das Web zügig Applikationen in heterogenen Umgebungen zu entwickeln. Voraussetzungen dafür seien Application- und Product-Lifecycle-Management (ALM und PLM) - so wie eben auch in der technischen Produktentwicklung.

Mit "IBM Rational Solution for Collaborative Lifecycle Management on IBM SmartCloud Enterprise" stellt IBM darüber hinaus eine IaaS-Lösung (IaaS = Infrastructure as a Service) für das Entwickeln und Testen in sich schnell verändernden Umgebungen bereit. Die "IBM SmartCloud Application Services" sind ein Pilotprojekt für Services, die die Aktivitäten rund um geschäftliche und systemseitige Anforderungen, den Entwurf, die Entwicklung, den Test und die Auslieferung von Lösungen koordinieren sollen. In weltweit 80 IBM-Labs werden die Softwareentwicklungsumgebung und Anwendungssoftware entwickelt. Kloeckner: "Wir gehen mit den Labs dorthin, wo wir junge Programmier mit Potenzial finden. Das ist derzeit in Indien, China und Deutschland der Fall." (hv)

Holm Landrock ist freier IT-Journalist in Berlin.