Verfahren gibt Antitrust-Richter David Edelstein eine neue Chance:

IBM wegen Mikrocode-Copyright verklagt

11.11.1988

NEW YORK (IDG) - Der Gerichtssaal, in dem sich Big Blue 13 Jahre lang mit dem US-Justizministerium herumgestritten hatte, könnte schon bald Schauplatz eines neuen Verfahrens gegen IBM sein. Der Beschwerdeführer ist diesmal allerdings ein David - eine kleine Second-hand-Firma, die die Mikrocode-Lizenzpolitik des Mainframe-Goliath angreift.

Dem Gericht, bei dem die Allen-Myland Inc. (AMI) aus Broomall (Pennsylvania) ihre Klage gegen den Branchengrößten eingereicht hat, sitzt pikanterweise Judge David Edelstein vor - der Richter, der den Mammut-Antitrust-Prozeß des Department of Justice gegen International Business Machines geleitet hatte. Aus diesem Endlos-Verfahren, das sich von 1969 bis 1982 hingezogen hatte, war Big Blue zwar ungeschoren herausgekommen, aber nicht etwa durch Freispruch, sondern aufgrund einer Dienstanweisung des stellvertretenden Generalbundesanwalts William F. Baxter. Edelstein war damals, wie Zeitzeugen berichten, mit der abrupten Einstellung des Verfahrens überhaupt nicht einverstanden.

Die neue Klage gibt Edelstein nun eine Chance, seine intimen Kenntnisse der IBMschen Geschäftspraxis unter Beweis zu stellen. Allerdings hat der Richter noch nicht entschieden, ob er den Fall überhaupt annehmen wird - immerhin wäre ein Befangenheitsantrag der Beklagten nicht ganz auszuschließen.

AMI, die Klägerin, will in dem Verfahren erreichen, daß sie künftig gebrauchte Mehrprozessor-Rechner von IBM auch "zerstückelt" verkaufen darf, ohne unmäßige Lizenzabgaben für den dann mehrfach erforderlichen Mikrocode zu zahlen.

Konkret heißt daß: AMI könnte aus einer 3090-400 zwei Doppelprozessor-Geräte machen und würde 350000 Dollar Gebührennachzahlung sparen - im Verhältnis zum Marktwert der Alt-Hardware von 2,7 Millionen Dollar ein stattlicher Betrag. Nach der Rechtsauffassung der IBM verstößt aber das ungenehmigte Kopieren des Mikrocode zur Verwendung auf der zweiten "Hälfte" des Computers gegen das Copyright des Herstellers.

Einen Prozeß in dieser Sache hat AMI im Sommer bereits verloren. Zunächst Beklagte, war die IBM zum Angriff übergegangen und hatte eine Gegenklage eingereicht, in der die Klägerin der Urheberrechtsverletzung bezichtigt wurde. Wie aus einer unternehmensnahen Quelle zu erfahren war, berief sich AMI in der Verteidigung auf das sogenannte "Consent Decree", das IBM 1956 unterzeichnet hatte - eine Art außergerichtliche Abmachung. Dieses Argument veranlaßte Bundesrichter Thomas N. O'Neill junior in Philadelphia, eine Neuaufnahme des Verfahrens bei Judge Edelstein in New York zuzulassen.

Obwohl AMI ein recht kleiner Fisch im "Big Blue Ocean" ist, schlug der Prozeß schon vor der Eröffnung Wellen in der Branche. Besonders die Computer Dealers and Lessors Association (CDLA) ist gespannt auf den Ausgang des Rechtsstreits, denn ihre Mitglieder würden an Flexibilität bei der Wiedervermarktung gebrauchter Leasing-Rechner gewinnen, wenn AMI Recht bekäme.

Die großen Kunden allerdings läßt das Thema kalt: Die Anwender von 3090-Vierfach- oder -Sechsfachprozessoren teilen ihre Rechner nicht in eigenständige Hardwareeinheiten auf, sondern bedienen sich der Technik der Partitionierung - das schafft de facto auch separate Recheneinheiten, kostet aber in puncto Mikrocode-Lizenzen nichts extra.