Compaq hält an Prognosen fest

IBM-Warnung weckt Zweifel am schnellen Aufschwung

12.04.2002
MÜNCHEN (CW) - Die Branchenkrise in der IT hat nun auch Marktführer IBM erreicht. So deuteten Analysten die nicht mehr ganz überraschende Gewinn- und Umsatzwarnung des Unternehmens. Nachdem auch eine Reihe bedeutender Softwarefirmen ihre Erwartungen für das erste Quartal gesenkt haben, scheint eine spürbare Erholung in der IT-Industrie noch in diesem Jahr nicht mehr sicher zu sein.

Es war - zumindest für die jüngere IBM-Geschichte - eine Zäsur: Erstmals seit 1991 gaben die Armonker am Montag dieser Woche wieder eine Gewinnwarnung ab. Der Ertrag je Aktie soll sich demnach im ersten Quartal nur noch auf 66 bis 70 Cent belaufen, der Umsatz werde sich zwischen 18,4 und 18,6 Milliarden Dollar bewegen, teilte Big Blue mit. Gemessen an den ursprünglichen Prognosen und Erwartungen der Analysten bedeutet dies einen deutlichen Einbruch. Immerhin hatte die Wallstreet mit Einnahmen in der Größenordnung von 19,65 Milliarden Dollar und einem Profit je Anteilschein von 85 Cent gerechnet. Auch der Vergleich zum ersten Quartal 2001 dürfte, wenn IBM am 17. April die offiziellen Zahlen veröffentlicht, wenig schmeichelhaft ausfallen: In der entsprechenden Vorjahresperiode hatte man noch einen Umsatz von 21 Milliarden Dollar und einen Gewinn je Aktie von 98 Cent ausgewiesen.

Die Börse in New York reagierte, obwohl es Tage zuvor bereits entsprechende Gerüchte gegeben hatte, überrascht. Der Kurs der IBM-Aktie fiel am Montag kurzfristig auf den niedrigsten Stand seit sechs Monaten und notierte deutlich unter 90 Dollar. IBM-Finanzvorstand James Joyce machte für das mäßige Zahlenwerk seiner Company die "weiterhin schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen" geltend.

Kunden stellen Investitionen zurückKunden würden in noch stärkerem Maße als bisher angenommen ihre Investitionen in IT hinauszögern, bis sich das eigene Geschäft wieder belebe. Besonders betroffen seien, so Joyce, die Bereiche Halbleiter und Speicherlaufwerke, wo man primär für andere Hersteller fertige und gegenüber der vergleichbaren Vorjahresperiode mit einem Umsatzrückgang von 35 Prozent rechne.

Bei der Einschätzung dieser Auskünfte zeigten sich die meisten Wallstreet-Analysten unschlüssig. Nun habe die Krise der IT-Branche auch den Marktführer eingeholt, hieß es unisono, nachdem die Armonker sich vom Konjunktureinbruch lange unbeeindruckt gezeigt hatten. Bei dieser Betrachtung wurde allerdings stets außer Acht gelassen, dass Big Blue schon im vierten Quartal des vergangenen Jahres rückläufige Umsätze und Gewinne zu verzeichnen hatte.

Die Zweifel an der Krisenbeständigkeit des Branchenführers, die es schon seit Monaten gibt, werden nun größer. So kündigte IBM inzwischen an, innerhalb der Dienstleistungssparte Global Services 600 Mitarbeiter in den USA zu entlassen. Allerdings könnte der vermeintliche Fehlstart von Sam Palmisano, der Anfang März den langjährigen IBM-CEO Louis Gerstner abgelöst hatte und seine Ägide als Vorstandschef nun quasi mit einer Gewinnwarnung beginnen musste, auch ganz bewusst inszeniert worden sein, spekuliert man in New Yorker Börsenkreisen. "Es ist nicht vollkommen klar, ob das Geschäft wirklich so viel schlechter geworden ist oder ob die Warnung eher die Neigung des neuen CEO reflektiert", stützte Merrill-Lynch-Analyst Steven Milunovich die Annahme, dass Palmisano seine Amtszeit mit einer bilanziellen Bereinigung beginnen wollte. Schließlich halten sich seit Monaten auch Gerüchte um nicht ganz gesetzeskonforme Buchungspraktiken der IBM-Zentrale.

Nicht gerade zu einer stabilen Einschätzung des allgemeinen Trends in der IT-Branche trug in den zurückliegenden Tagen auch ein Bündel weiterer Unternehmensmeldungen bei. So wird beispielsweise Compaq nach eigener Einschätzung im ersten Quartal die Umsatz- und Ergebnisprognosen der Analysten erfüllen oder sogar leicht übertreffen. Der texanische PC- und Server-Spezialist stellte am Montag nach US-Börsenschluss einen Umsatz von 7,7 Milliarden Dollar für die eben abgeschlossene Berichtsperiode in Aussicht, was geringfügig über den - allerdings ohnehin nicht sehr ambitionierten - Erwartungen liegen würde.

Anhaltenden Grund zu Pessimismus lieferten indes einige namhafte Softwareanbieter, die Gewinnwarnungen aussprechen mussten - darunter Peoplesoft, Inktomi, Veritas Software und Commerce One. Besonders schlimm erwischt hat es offensichtlich den B-to-B-Spezialisten Commerce One, der nach vorläufigen Zahlen im ersten Quartal lediglich zwischen 29 und 32 Millionen Dollar eingenommen hat, davon nur acht Millionen Dollar aus dem Verkauf von Softwarelizenzen. Damit dürfte der einstige Liebling der Wallstreet, dem einige Analysten derzeit zudem eine "sehr großzügige Handhabung" bei der Verbuchung von Lizenzumsätzen unterstellen, wieder auf das Niveau des ersten Quartals 2000 zurückgekehrt sein.

Auch die Darmstädter Software AG hat ihre Prognosen für das erste Quartal 2002 (nach Anfang März) bereits zum zweiten Mal gesenkt. Man erwarte nun einen Umsatz von 116 (Vorjahr: 128) Millionen Euro anstatt der zuletzt in Aussicht gestellten 124 Millionen Euro, teilte das Unternehmen am Montag nach Börsenschluss mit. Derzeit sei nicht erkennbar, dass man sich, ähnlich wie im Vorjahr, von der anhaltend schwachen Marktverfassung weitgehend abkoppeln könne, hieß es.

Mit Spannung wurde in diesem Zusammenhang natürlich auch auf eine Reaktion von SAP gewartet - unter anderem auch, weil die Aktie der Walldorfer nach der Gewinnwarnung von Wettbewerber Peoplesoft rund acht Prozent eingebüßt hatte. Immerhin rechnet SAP nach derzeitigem Stand für das gesamte Geschäftsjahr 2002 mit einem Umsatzplus von 15 Prozent. Doch der deutsche Softwareprimus zog sich - zunächst - diplomatisch aus der Affäre. "Wir wiederholen unsere Prognosen, sie werden weder bestätigt noch bekräftigt noch erneuert noch revidiert. Wenn wir dem Markt etwas zu sagen hätten, würden wir es umgehend tun", erklärte ein Sprecher des Unternehmens gegenüber "vwd". (gh)

Abb.: Uneinheitliche Tendenz

Nur Compaq, CA und Sybase trauen sich zu, die Prognosen zu erfüllen. (Quelle: CW)