IBM wandelt Service- in Produktgeschäft

04.12.2006
Auf die Überarbeitung der internen Lieferprozesse lässt IBM nun die Vereinheitlichung der Services folgen.

Die IBM stellt der Öffentlichkeit derzeit neue Dienstleistungspakete im Zwei-Wochen-Rhythmus vor. Zuletzt präsentierte Big Blue zwei neue Serviceprodukte für Maintenance- und Supportaufgaben. Das "Solution Support for Open Point-of-Sale Service Product" (POS) zielt auf Anwenderunternehmen aus dem Einzelhandel. Für sie möchte IBM Dreh- und Angelpunkt sein, wenn sie Betreuungsleistungen für Kassensysteme oder andere technische Geräte im Verkauf benötigen. Das gilt sowohl für IBM-Produkte als auch für Lösungen anderer Hersteller. Des Weiteren gibt es nun auch "Managed Support Service" von IBM als Standardprodukt. IBM schließt damit eigenen Angaben zufolge die Lücke zwischen Produktsupport und strategischem Outsourcing. Das Angebot bietet einen zentralen Anlaufpunkt für die Soforthilfe.

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Vorzüge und Mängel der Serviceprodukte

-- Günstige und kalkulierbare Preise;

- bessere Skalierbarkeit;

- geringerer Aufwand im Vertrags- und Partner- Management;

- weniger Kontrolle von SLAs;

- gleich bleibende Qualität.

- Keine Individuallösungen;

- fremde Prozesse müssen übernommen werden;

- reduzierter Leistungs-’ umfang gegenüber Eigenlösung;

- keine Innvoationen.

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Zuvor hatte IBM bereits Produkte unter anderem für Linux- und Grid-Services, Rechenzentrumsbetrieb (unter anderem für die Energieversorgung und Kühlung) sowie für die Kommuni- kation in Unternehmen vorgestellt. "Wir haben bereits 30 Produkte in insgesamt zehn Kategorien definiert", verriet Lothar Mackert, Vice President in der IBM-Geschäftseinheit Integrated Technology Service. "Weitere werden folgen."

Standardisiert und global

Produktbezeichnung und Leistungsbeschreibung klingen oft ein wenig holprig, doch IBM steht wie viele andere Wettbewerber noch am Beginn einer neuen Entwicklung im IT-Servicesektor - auch im Marketing und Verkauf werden die IT-Dienstleister hinzulernen. Klar ist indes, dass sich das Geschäft wandeln wird. Die traditionelle Devise "Dienstleistungen sind individuell und lokal" gilt nicht mehr - zumindest nicht in sämtlichen Segmenten. "Wir heben den Service auf eine neue Stufe. Das ist eine fundamentale Änderung des Geschäftsmodells", versprach Mackert. "Früher haben wir die Erfahrungen aus Projekten nicht wiederverwertet und Dienstleistungen nur lokal erbracht."

Services unter Preisdruck

Mit diesem Ansinnen steht IBM nicht allein da. Auch andere IT-Dienstleister arbeiten seit geraumer Zeit an der Produktorientierung ihrer Angebote. "IBM ist sehr weit, aber der Konkurrenz nicht ganz enteilt", ordnet Christophe Chalons, Geschäftsführer des Marktforschungs- und Beratungshauses Pierre Audoin Consultants, die Aktivitäten von Big Blue ein. "Speziell im Infrastrukturbereich hat EDS das Produktportfolio wahrscheinlich ein Stück weit besser ausgestaltet." Auf gutem Weg sieht der Marktbeobachter auch T-Systems, wenngleich die Telekom-Tochter "in diesem Jahr auch viele Services im Systemintegrations-Umfeld definiert hat, die sie nun auch implementieren muss", so Chalons.

Ganz freiwillig strengen sich die Anbieter nicht an. "Die Kunden sind nicht mehr dazu bereit, für einfache Serviceleistungen Premium-Preise zu zahlen", beschreibt Wolfram Funk, Senior Advisor der Experton Group. Das drückt die Margen der Dienstleister, die sich nun fragen, "wie kann ich die Leistung intern so erbringen, dass ich damit gute Gewinne erzielen kann?", schildert Funk die Beweggründe. "Die wachsende Konkurrenz indischer Dienstleister und von Billiganbietern im IT-Servicesektor hat den Wettbewerb angeheizt", bestätigte IBM-Manager Mackert.

Indische Provider wie Tata Consultancy Service, Wipro und Infosys haben es vorgemacht. Sie binden ihre günstigen und guten Mitarbeiter auf dem Subkontinent in die Projekte für die weltweit verteilte Kundschaft ein. Diesem Vorbild eifern die westlichen IT-Dienstleister nach, wenngleich "diese Prozesse erst in Teilen abgeschlossen sind", lautet das Urteil von Funk. Die intensive Erweiterung des Geschäfts um Serviceprodukte, wie sie derzeit Anbieter wie IBM, EDS, T-Systems und auch Computacenter vorantreiben, zeigt zudem, dass die Anbieter festen Willens sind, den Weg auch zu Ende zu gehen: "Die Industrialisierung des IT-Dienstleistungsgeschäfts hat zwei Seiten: die Betriebs- und die Vertriebsseite", erklärt Chalons. "Beides muss zusammenpassen."

Die Definition der Serviceprodukte ist sichtbares Zeichen dafür, dass sich die Anbieter um die Vertriebsseite kümmern. Überall dort, wo Leistungsumfang, Preis und Abläufe klar definiert sind, können Verkäufer anhand von festgelegten Parametern wie Anzahl der Desktops und Qualität der Service-Levels dem Kunden schnelle Angebote unterbreiten. "Solange der Kunde Standards akzeptiert, ist dieses Vorgehen für die Anbieter sehr effizient", kommentiert Chalons. Die Dienstleister greifen auf erprobte Verfahren zurück, so dass sie Projekte erfolgreich und bei erhöhter Qualität betreiben können. "Für die Service-Provider ist es ein gutes Werkzeug, ihre Gewinne zu verbessern", nennt Chalons einen weiteren Beweggrund. "Wenn Services nach definierten Abläufen erbracht werden, schleichen sich weniger Fehler ein, die Vorhaben werden termingetreu abgewickelt, und es droht kein Pönale."

Koexistenz diverser Services

IBM-Manager Mackert vermutet, dass sich 30 bis 50 Prozent aller Leistungen künftig auf Produktbasis betreiben lassen. Das entspricht ungefähr der Erwartung der Marktbeobachter, Experton-Berater Funk: "Produkt- und herkömmliches IT-Servicegeschäft werden nebeneinander weiterexistieren. Es wird weiterhin viele Anwender mit erheblichem Bedarf an individuellen Diensten geben."

Die IT-Nutzer, die sich für Standardleistungen entscheiden, dürfen vor allem günstige Preise erwarten. Die direkten Kosteneinsparungen pro in Anspruch genommenen Dienst sind nach wie vor die stärkste Motivation der Anwenderunternehmen, Zugeständnisse im Leistungsablauf und -umfang zu machen, denn ein Standard erfordert Kompromissbereitschaft.

Im Betrieb etwa der Desktops, Rechenzentren und Applikationen gibt es aber weitere Gründe, denn wer Produkte einkauft, reduziert die Komplexität der Lieferantenverträge. Insbesondere der anhaltende Trend zum gezielten Auslagern von Services lässt die Zahl der Kontrakte in die Höhe schnellen, so dass der Aufwand für das Provider- und Vertrags-Management steigt. "Für klar umrissene Leistungen müssen die Anwender nicht mehr hunderte von Service-Level-Agreements im Auge behalten, sondern können die Anzahl deutlich reduzieren", beschreibt Funk die Vorteile. "Die Services lassen sich besser skalieren", ergänzt Chalons. Anderseits müssen Anwender sich auch darüber im Klaren sein, dass vorgefertigte Serviceprodukte nur beschränkt Innovationsprozesse auf Kundenseite unterstützen. "Die Neuerungen finden vor allem auf der Delivery-Seite statt", klärt der PAC-Experte auf.

Anwendern scheint es dennoch zu gefallen; IBM-Manager Mackert berichtet über die ersten Erfahrungen: "Die Kunden schätzen den Qualitätsgewinn, das geringere Risiko und die verkürzte Zeit, in der sich ihre Investitionen auszahlen." IBM selbst wird den Weg weiter beschreiten und die Erkenntnisse dazu nutzen, das eigene Portfolio zu bereinigen. "Auch die IBM kann nicht alles selbst leisten. Wir werden bestimmte Angebote aussortieren, wenn wir sehen, dass wir Leistungen besser mit Partnern betreiben können", kündigte er an. "Wir werden im Sinne eines Portfolio-Managements daran arbeiten, das Profil der IBM zu schärfen."