Finanzielle Breitseite gegen Klone-Produzenten - insbesondere fernöstliche Anbieter betroffen:

IBM verlangt nachträglich Lizenzgebühren

27.05.1988

MÜNCHEN (CW) - Nach einem Bericht des Wall Street Journal will die IBM jetzt von einer Reihe nicht weiter spezifizierter Klone-Hersteller rückwirkend für die Jahre 1982 bis 1988 Lizenzgebühren kassieren - für Branchenkenner ein dubioses Vorhaben.

Wie das New Yorker Blatt in seiner Ausgabe vom 17. Mai berichtete, hat Big Blue kürzlich eine Reihe von Kloneproduzenten durch die Forderung nach Zahlungen in Höhe von einem Prozent des verkauften Wertes von zum Teil weit in der Vergangenheit liegenden Verkäufen geschockt. Die Hersteller hatten IBMs Tatenlosigkeit über diesen Zeitraum hinweg als grünes Licht für ihre Tätigkeit interpretiert.

Durch die Forderungen IBMs wären vor allem kleinere und ausländische, aus amerikanischer Sicht also vor allem fernöstliche Hersteller betroffen. Diese haben im Gegensatz zu den meisten größeren Unternehmen keine gegenseitigen Lizenzierungsabkommen mit dem Marktführer abgeschlossen. Vor dem Hintergrund des derzeitigen Preiskrieges auf dem PC-Sektor könnten IBMs Forderungen für eine Reihe knapp kalkulierender Konkurrenten gar das Aus bedeuten, schrieb der Brancheninformationsdienst IDG News Service zu dem Thema.

Ein Sprecher der deutschen IBM-Tochter in Sindelfingen bestätigte dieses Vorgehen. Die IBM habe schon immer ihr Recht an geistigem Eigentum verteidigt. Insofern liege auch keine Änderung der Politik gegenüber dem Wettbewerb vor. Auf die Frage, welche Konkurrenten und welche IBM-Patente betroffen seien, möchte er allerdings keine Auskunft erteilen, da diese Dinge von seinem Unternehmen vertraulich behandelt würden.

Bei einer Umfrage unter den wichtigsten Herstellern IBM-kompatibler Maschinen erhielt die COMPUTERWOCHE indessen nur negative Auskünfte. Kein einziges Unternehmen konnte ein entsprechendes Ansinnen seitens des Branchenführers bestätigen. Als "schlechten Witz" bezeichnete der Sprecher des taiwanesischen Herstellers Acer (vormals Multitech) IBMs Vorstellungen. Auch bei Amstrad war nichts von Forderungen durch IBM bekannt. Damit käme Big Blue auch "ein bißchen spät", meinte ein Amstrad-Sprecher.

Das räumt auch das Wall Street Journal ein. Das Blatt stellt in bezug auf US-Anwälte fest, IBMs Laissezfaire-Politik in all den Jahren hätte den Unternehmen die Grundlage für eine knappe Preisgestaltung geliefert. Die betroffenen Unternehmen - so wirklich welche existieren - hätten anders kalkulieren können, wenn der Blaue Riese seine Ansprüche für die tatsächliche oder vermeintliche Nutzung seiner Patente rechtzeitig angemeldet hätte.