Broker dürfen Billig-Jumbos nicht mehr ohne Erlaubnis aus dem Ausland holen:

IBM-VBs sind dem 3081-Umgehungskäufer gram

27.08.1982

MÜNCHEN - Mit Großrechnern aus Belgien, Frankreich und Portugal sorgten deutsche Broker in den letzten Monaten für einige Aufregung im IBM 308X-Markt. Vor allem nutzten sie die Abwertung des belgischen und französischen Franc, um mit Superangeboten von teilweise 1,5 Millionen Mark unter IBM-Listenpreisen den hiesigen Markt zu attackieren. Da das Jumbo-Preisgefüge ins Rutschen zu geraten drohte, schob der Marktführer jetzt einen Riegel vor: Eine Korrektur der Bestimmungen zur sogenannten "Order-Diversion", dem Umgehungsgeschäft, soll sicherstellen, daß künftig jeder Auslandsdeal mit Big Blue abgestimmt wird.

Die IBM spricht von "Order-Diversion-Geschäften", wenn Aufträge in ein anderes Land übertragen werden, also nicht über die hiesigen IBM-Geschäftsstellen laufen.

Mit Skepsis reagierten Großrechnerbenutzer noch vor wenigen Wochen auf die Jumbo-Angebote einiger deutscher Broker. So bot etwa die Hamburger ICC GmbH die Prozessoren 3081/D24 und K24 eineinhalb Millionen Mark unter IBM-Listenpreis an; offerierte die schweizerische Integrated Computer Systems AG (ICS) hierzulande Maschinen, die rund zwanzig Prozent weniger kosten sollten als beim IBM-VB (Kauf oder Miete ab 36 Monate). Verkaufsslogan der ICS-Manager: "3083 J? Wir liefern 3081 D günstiger!" Mit 21,5 Prozent unter der IBM-Langzeitmiete für das System 3081/D32 (Laufzeit: 60 Monate) nahm sich dagegen das Angebot der Münchner IVG Industrieanlagen Investitions- und Vermietungs-Gesellschaft mbH geradezu bescheiden aus. Interessanter scheint da schon eine IVG-Offerte für eine 3083/B16: Über sechs Jahre verteilt muß der Kunde monatlich 111 710 Mark auf den Tisch legen. Das sind rund vierzig Prozent weniger, als die Stuttgarter unter Langzeitmietvertrag (LZM) verlangen.

Aus welcher Ecke ein erheblicher Teil der "Discount-Maschinen" in den letzten Monaten kam, ist inzwischen längst kein Geheimnis mehr: Als vor allem in den EG-Ländern Belgien und Frankreich quasi über Nacht der Franc um etwa zehn Prozent sackte, kauften einige Broker blind alles, was sie kriegen konnten, bevor Big Blue eine Preisnivellierung vornehmen konnte. Bei 3081-Neuwerten von neun Millionen (Modell D) bis rund zwölf Millionen Mark (größte K-Version) konnten clevere Händler mit einer einzigen Transaktion über die EG-Grenzen für einen Großrechner fast eine Million Mark nur durch das Währungsgefälle einstreichen. Obendrein zahlt Vater Staat bei derartigen Geschäften noch die üblichen Investitionszulagen, so daß Transportkosten und Versicherungen mit höchstens 50 000 Mark kaum ins Gewicht fallen. Durch diverse Finanzierungsvarianten bei Leasing oder Miete werden die Ausgaben für einen Rechner noch einmal um weitere Prozente gedrückt.

Verärgert durch das Preisgerangel waren schließlich DV-Manager, die noch im Frühjahr bei einem Broker einen 308X-Prozessor bestellt hatten. Um sich eine günstige Lieferposition zu sichern, akzeptierten sie sogar Konditionen, die zwischen fünf und acht Prozent über den regulären IBM-Listenpreisen lagen. Resümiert Peter Clotten, Leiter der DV-Produktion und stellvertretender DV-Chef bei der Wacker Chemie GmbH in München: "Hätten wir uns nicht rechtzeitig vertraglich festgelegt, um relativ schnell eine Maschine zu bekommen, wären wir sicherlich auf eine der heute angebotenen Billig-Maschinen umgeschwenkt."

Glücklich über die Preisentwicklung im 308X-Geschäft war indes auch die IBM Deutschland GmbH nicht. Zwar bekommt, sagen die Stuttgarter, sowohl der Vertriebsbeauftragte als auch die Geschäftsstelle die volle Provision, aber die deutsche IBM muß bei einer aus dem benachbarten Ausland eingeführten Neumaschine selbstverständlich die Installation und Wartung übernehmen. Wenn dadurch pro Rechner rund eine Million fehlten, könne sich das auf die IBM-Bilanzen schon recht negativ auswirken, wollen Branchenkenner wissen. In der derzeitigen Wirtschaftslage käme noch hinzu, daß kaum ein Anwender über seine Geschäftsstelle ordern wolle, wenn der Broker günstiger anbiete. IBM-Partner sagen denn auch, daß bereits einige "Letters of intent" zurückgezogen wurden, weil die Benutzer nicht bereit seien, den ungünstigeren Listenpreis zu zahlen. Einige Unternehmen hätten sogar den Broker umgangen, indem sie die Rechner über eigene Auslandstöchter in Belgien und Frankreich direkt bestellten.

Inzwischen schätzen Beobachter des Jumbo-Marktes die Anzahl der deutschen 3081-Installationen auf etwa 20 bis 25. Der größte Teil soll von den Brokern an den Mann gebracht worden sein. Allein der Hamburger ICC-Chef Ulrich Schröder will nach eigenen Worten bereits über zehn Systeme vermietet oder verleast haben. Addiert man freilich die von den rund ein Dutzend im 3081-Geschäft operierenden Brokern angegebenen Erfolgszahlen, wird deutlich, daß irgendwo Aufschneiderei im Spiele ist.

Daß nicht alle Computer-Broker den Stempel der Seriosität tragen, ist sogar aus den eigenen Reihen zu hören. In dem jetzt entbrannten Preisgerangel werde nicht immer mit fairen Mitteln gekämpft. So will denn auch der Geschäftsführer der Münchner Enex GmbH wissen, daß ein Großteil der 308X-Angebote als "Phantomgeschäfte" anzusehen sind. Zwar gebe es momentan einige billige Maschinen auf dem Markt. Um in dem harten Wettbewerb mithalten zu können, seien jedoch einige Broker gezwungen, mit Systemen zu pokern, über die sie gar nicht verfügten. Karstens empfiehlt deshalb den Benutzern, sich bei einem Angebot generell die Seriennummer des Rechners geben zu lassen. So könne man über die IBM ermitteln, wer der rechtmäßige Besitzer sei.

Als Folge des geradezu ruinösen Wettbewerbs im 308X-Leasinggeschäft könnten nach Ansicht von Markus Baumann, Vizedirektor bei der auch in Deutschland tätigen COS AG (Baden/Schweiz), einige Dealer auf der Strecke bleiben. Insbesondere bei kleineren Brokern liefen einige Vabanquegeschäfte, die sehr schnell nach hinten losgehen könnten.

Mit einem Brief vom 14. Juli 1982 an alle 3081-Kunden (siehe Kasten) untersagt nun die IBM Deutschland GmbH den Handel über die EG-Grenzen. Sie zwingt damit ihre Partner, wieder direkt in Stuttgart zu bestellen. Bis auf Widerruf werden nach dem Wortlaut des Rundschreibens "Order-Diversion-Anträge" in die Länder Belgien, Luxemburg, Frankreich und Portugal nicht mehr akzeptiert.

Die betroffenen Broker meinen dazu, daß ihnen durch diese Maßnahmen bei künftigen Geschäften mit Auslandspartnern die Hände gebunden sind. Es sei kaum anzunehmen, daß die IBM einem Deal über die deutsche Grenze hinaus zustimmen werde.