Konkurrenz der Open-Source-Tools Eclipse und Netbeans

IBM und Sun buhlen um Java-Entwickler

27.02.2004
MÜNCHEN (ws) - Der Wettstreit zwischen den Java-Programmierwerkzeugen von "Eclipse" und "Netbeans" hatte zuletzt überwiegend politische Dimensionen, weil IBM und Sun über diese Projekte um den Markt für Java-Tools kämpfen. Ungeachtet der öffentlichen Auseinandersetzungen stehen für beide Entwicklungsumgebungen einige Neuerungen bevor.

Neben einer Reihe von kommerziellen Entwicklungsumgebungen (IDEs) wie "Borland Jbuilder" oder Oracles "Jdeveloper" dominieren zwei Open-Source-Projekte den Markt für Java-Programmierwerkzeuge. Es handelt sich dabei um "Eclipse", das von IBM ins Leben gerufen wurde, sowie "Netbeans", das Sun Microsystems gründete.

Sun-Teilnahme an Eclipse ist noch fraglich

Besonders Eclipse konnte in den zwei Jahren seines Bestehens zahlreiche namhafte Hersteller hinter sich scharen, zuletzt etwa Novell. Sun sieht sich ob der wachsenden Unterstützung für Eclipse unter Druck und verhandelt seit einiger Zeit mit IBM über einen Beitritt zu dieser Initiative. Ende letzten Jahres erteilte die Unix-Company der IBM eine vorläufige Absage und legte kürzlich ihren Standpunkt hinsichtlich Ecplise in einem offenen Brief (www.sun.com/aboutsun/media/features/eclipse.html) nochmals dar. Darin behauptet Sun, dass IBM die Aufgabe von Netbeans zu einer Bedingung für den Eclipse-Beitritt gemacht habe. Da die kommerziellen Java-Tools des Unternehmens ("Java Studio") auf dem Netbeans-Code beruhen, wäre ein derartiger Schritt nicht möglich.

Sun gründete vor einigen Wochen zusammen mit anderen Herstellern wie Bea, Oracle und SAP die Java Tools Community (JTC, www.javatools.org/). Selbst gestecktes Ziel der Organisation ist es, Standards für Java-Programmierwerkzeuge zu entwickeln und die Interessen der Tools-Hersteller im Java Community Process zu vertreten. Wichtigstes Anliegen der JTC scheint aber ein normiertes API für Plug-ins zu sein. Da alle großen IDEs mittlerweile als erweiterbare Frameworks konzipiert sind, hängt ihr Erfolg zu einem Gutteil von der Zahl verfügbarer Add-ons ab. Eine standardisierte Schnittstelle würde das große Angebot an Eclipse-Plug-ins auch für Netbeans oder Jdeveloper verfügbar machen. Dies würde für Anwender weiterhin eine Vielfalt an Java-Tools sicherstellen, ohne dass die Produktentscheidung von der Unterstützung durch Drittanbieter abhängen würde. Eine derartige Perspektive befürwortet auch Java-Erfinder James Gosling.

Bis dato widersetzte sich IBM allerdings der Einladung, mit Eclipse.org ebenfalls der JTC beizutreten. Ein Plug-in-Standard ohne den Vertreter der populärsten IDE scheint indes nicht realistisch. Allerdings könnte sich am Kurs von Eclipse zukünftig einiges ändern, weil IBM das Projekt auf der kürzlich abgehaltenen Konferenz Eclipsecon offiziell in die Unabhängigkeit entließ. Als Folge davon soll nicht nur der Einfluss von Big Blue zurückgehen, sondern auch die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt werden. Bisher erbrachte die IBM selbst nach der Freigabe von Eclipse als Open Source den Löwenanteil des Entwicklungsaufwands.

Auch wenn auf der Eclipsecon solche firmenpolitischen Vorgänge große Aufmerksamkeit erhielten, stand aus der Sicht des Produktfahrplans die Version 3.0 im Vordergrund. Der letzte Projektentwurf für Eclipse 3 stammt von Ende Januar und enthält zahlreiche Detailverbesserungen. Viele davon beziehen sich auf die Benutzerführung. Dazu zählt etwa, dass die Version 3 das Konzept von "Aktivitäten" einführt. Darunter fallen beispielsweise "Java programmieren", "Plug-ins entwickeln" oder "Daten modellieren". Je nach der gewählten Tätigkeit soll sich die Benutzeroberfläche verändern, indem sie die in diesem Kontext nicht benötigten Befehle und Plug-ins ausblendet. Das Management der zahlreichen Plug-ins steht nicht nur innerhalb der IDE zur Debatte, sondern bedarf auch einer zentralen Verwaltung in einem Web-Archiv. Auf der Eclipsecon wurde die Gründung einer solchen Site (www.eclipseplugincentral.com/) angekündigt, damit sich Nutzer der Entwicklungsumgebung schnell einen Überblick über vorhandene Erweiterungen verschaffen können.

Eine wichtige Rolle im aktuellen Entwurf spielt das Subprojekt "Platform". Es macht sich die Tatsache zunutze, dass Eclipse ein weitgehend allgemein gehaltenes Framework zugrunde liegt. Platform enthält viele Komponenten, die sich nicht nur für IDEs eignen, sondern auch als Grundlage für unterschiedliche Client-Software taugen. Das Projekt gewann zuletzt an Bedeutung, weil die IBM ihren auf der Lotusphere angekündigten "Workplace-Client" darauf aufbauen will. Er soll das Offline-fähige Frontend für die neue Collaboration-Plattform werden. Aufgrund des Open-Source-Charakters von Eclipse bleibt es indes nicht nur Big Blue vorbehalten, derartige Java-Clients zu entwickeln. Vielmehr steht es jedermann offen, den Eclipse-Code für eigene Desktop-Programme heranzuziehen.

Verbesserungen insbesondere bei der Benutzerführung

Bei Netbeans steht das nächste größere Release noch länger aus. Derzeit befindet sich die Version 3.6 in der Betaphase. Sie enthält ebenfalls eine Reihe von Verbesserungen in der Benutzerführung. Darüber hinaus trägt sie den aktuellen Standards in der Java-Welt Rechnung. Dazu zählen Unterstützung für die Spezifikationen Servlet 2.4 und JSP 2.0. Zum Lieferumfang gehört zudem die neueste Ausführung der Servlet-Engine "Apache Tomcat" mit der Versionsnummer 5. Erweitert wird auch die Unterstützung für das make-Tool "Ant", das parallel in mehreren Versionen installiert und benutzt werden kann. Eine Liste der neuen Features findet sich auf der Website von Netbeans. Dort gibt es bereits einen Ausblick auf die Version 4, deren Freigabedatum noch nicht feststeht. Die Ausführung 3.6 hingegen soll im März fertig werden.

Java Studio Creator macht Fortschritte

Sun hat für den im Dezember 2003 angekündigten "Java Studio Creator" (Codename: Project Rave) die zweite Testphase eingeläutet. Das Tool lässt sich als kleiner Bruder von "Java Studio" bezeichnen und eignet sich für weniger komplexe Programme, die auf J2EE-konformen Applikations-Servern laufen sollen. Laut Sun wird es der Java-Entwicklung unter anderem aufgrund von grafischen Features die Komplexität nehmen. Neben einem Drag-and-Drop-Layout für Benutzeroberflächen bietet es ein vereinfachtes Event-gestütztes Programmiermodell auf Basis der "Java Server Faces", einen leichteren Datenbankzugriff (JDBC-Rowsets-Technik) sowie Web-Services-Integration (Java-to-XML). Außerdem nutzt es die neuen Metadaten-Features von Version 1.5 der Java 2 Standard Edition. Im März soll Java Studio Creator in einer Betaversion vorliegen, seine Fertigstellung ist für Suns Hausmesse JavaOne in diesem Sommer geplant. Die Software wird kostenlos in Kombination mit Suns Application Server ausgeliefert.