Große Koalition mit Konfliktpotenzial

IBM und Oracle wollen ERP-Komplettpakete gemeinsam vermarkten

11.07.2008
Von 
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
Unter der Initiative "Value Nets" wollen IBM und Oracle ERP- und CRM-Produkte wie E-Business Suite, Peoplesoft und Siebel inklusive Hardware an mittelständische Kunden in Europa verkaufen. Ob das klappt ist fraglich, da beide IT-Konzerne im Datenbank-, Middleware- und SOA-Geschäft Rivalen sind.

Die Zusammenarbeit zwischen Oracle und IBM hat zum Ziel, Geschäftsapplikationen wie Oracles E-Business Suite, die zugekauften Peoplesoft- und J.D. Edwards-Produktlinien sowie Siebel CRM an Firmen aus dem Mittelstand zu veräußern. Von IBM stammen Dienstleistungen und die Hardware. Partnerfirmen beider Konzerne sollen bei der Zielgruppe branchenspezifische Anwendungen ausrollen. Hierzu ist geplant, gemeinsame Marketing-Programme und Supportservices aufzulegen.

Angekündigt hatten beide Firmen diese Zusammenarbeit im April dieses Jahres. Nach Angaben von Rüdiger Spies, Independant Vice President Enterprise Applications beim Marktforschungsunternehmen IDC in München, haben Oracle und IBM das Vermarktungskonzept zunächst in Lateinamerika etabliert und tragen es nun nach Europa.

Eigene Mittelstandsprogramme nicht einbezogen

Spies räumt dem Pakt jedoch keine großen Chancen auf Erfolg ein. Der Grund: Oracle und IBM verfolgten schon vorher eigene Mittelstandsinitiativen ("Express" beziehungsweise "Accelerate"). "Auffällig ist, dass keiner der beiden Marketingprogramme direkt in die Value-Net-Initiative einbezogen ist", wundert sich der Analyst. Offenbar wolle sich keiner zu weit aus dem Fenster lehnen, um im Falle eines Scheiterns der Initiative seine eigenen Marketing-Programme revidieren zu müssen.

Nicht minder gravierend dürfte die Konkurrenzsituation beider Firmen im Infrastrukturgeschäft sein. Wer legt denn fest, ob bei einem ERP-Deal die IBM- oder die Oracle-Datenbank beziehungsweise Middleware zum Zuge kommt? "In das Marketing-Programm sind Probleme geradezu hineinkonstruiert worden", meint Spies.

Konkurrenten sind IBM und Oracle zudem im Segment Business Intelligence. Beide Hersteller hatten in der Vergangenheit Spezialisten übernommen, deren Produkte auch an den Mittelstand veräußert werden. Oracle kaufte Hyperion und IBM schnappte sich Cognos.