Benchmark-Tests und unterschiedliche Versionen heizen Diskussionen an:

IBM und Microsoft relativieren OS/2-Leistung

15.01.1988

MÜNCHEN (CW) - Vorsichtig distanziert -haben sich IBM und Microsoft von einem Vergleichstest zwischen OS/2 und Xenix V.2, dessen Resultate die COMPUTERWOCHE In der letzten Ausgabe veröffentlicht hat. Bei diesem Vergleich hatte Xenix In fast allen Sparten zum Teil drastisch bessere Leistungen geboten. Auch Abweichungen zwischen den von beiden Herstellern angebotenen Produkten lösen in der Fachwelt Diskussionen aus.

Der Vergleichstest als solcher sei bei seinem Unternehmen zur Zeit noch nicht genügend bekannt, um ein differenziertes Urteil abgeben zu können, meinte ein Sprecher der Microsoft GmbH in Aschheim. Ein Betriebssystem werde jedoch nicht in erster Linie nach seiner Performance ausgewählt, sondern nach der Applikationssoftware, die dafür erhältlich sei. Außerdem sei OS/2 ein Produkt, das typischerweise in kleineren LANs eingesetzt werde, und gerade sein Verhalten in solchen Umgebungen sei nicht Gegenstand des Tests gewesen. Weiter sei die Untersuchung auf einer Maschine mit nur 2 MB Arbeitsspeicher durchgeführt worden, obwohl für OS/2 mindestens 2,5, besser aber 4 MB Speicherumfang sinnvoll seien.

Die deutsche IBM-Niederlassung enthielt sich jeden Kommentars. Wie jedoch aus Big Blues Zentrale in den USA verlautete, sei der Test schon deswegen nicht fair, weil OS/2 auf den 16-Bit-Prozessor 80286 zugeschnitten sei, Xenix aber auf den 80386, der 32-Bit-Daten verarbeitet. Aus diesem Grund erinnere ein solches Vorgehen an den Vergleich von Äpfeln mit Birnen.

Neal Nelson, der Verfasser des Benchmarks, äußerte demgegenüber, er stehe nach wie vor zu seinem Test und dessen Ergebnissen. OS/2 und Xenix 386 seien nun einmal die aktuellen Produkte im derzeitigen Verkaufsspektrum. "Wenn ein Verbraucher vor der Kaufentscheidung steht, hat er zwischen den beiden zu wählen", meinte Nelson. Sein "Business Benchmark" komme bei den größten einheimischen und ausländischen Computerherstellern zur Anwendung und werde 1988 zur Kaufentscheidung von Hardware im Wert von schätzungsweise zehn Milliarden Dollar herangezogen.

In dem Test wurde das Multitasking-Verhalten der beiden Betriebssysteme bei 18 verschiedenen Testroutinen einander gegenübergestellt. Alle Tests wurden mit einem bis l7 simulierten Anwendern durchgeführt. Während OS/2 in drei Kategorien (64-Bit-Fließkomma-Arithmetik und sequentielle Lesezugriffe bei zwei verschiedenen Record-Größen) die besseren Leistungen zeigte, schnitt Xenix in allen anderen Sparten besser ab, darunter der Simulation eines "normalen" Tasks mit einem Mix aus Berechnungen und Plattenzugriffen.

Unterdessen geriet der MS-DOS Nachfolger wegen einer anderen Frage in den USA erneut in die Schlagzeilen. Das Problem war diesmal, inwieweit und w sich die von Microsoft und IBM angebotenen OS/2-Versionen unterscheiden. In der Tat sind die beiden Produkte nicht völlig identisch. Die Abweichungen seien jedoch nicht von Bedeutung, versuchten Sprecher der beiden Anbieter auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in New York die Gemüter zu beruhigen. Die Unterschiede -zwischen Microsofts MS OS/2 und IBMs OS/2 beträfen lediglich die Unterstützung von Addon-Karten nach dem alten PC-Standard, die Installation und die Dokumentation, hieß es auf beiden Seiten. Diese Unterschiede seien für den Durchschnittsanwender nicht von Belang, da die Schnittstellen für Benutzer und Applikationssoftware sowie die Kommandosätze bei beiden Versionen identisch seien.

Weil Microsoft im Gegensatz zu Big Blue das Betriebssystem auch für Maschinen anderer Hersteller anbiete, unterstütze deren Version auch ein breites Spektrum von Third-Party-Hardware, wie etwa Systeme mit dem AT-Bus oder Grafikmodule, die IBM nicht anbiete, stellten die Unternehmen klar.

Die beiden Releases unterscheiden sich in einer Reihe von Details. So enthält der Programmcode jeweils einen Text-String mit dem Firmenlogo. Auf diese Weise ist es möglich, Anwenderprogramme zu erstellen, die nur unter dem Betriebssystem jeweils des einen oder anderen Herstellers betrieben werden können. Außerdem läßt sich bei der Microsoft-Version über eine Betriebssystemroutine die zum Booten verwendete Festplatten-Partition einstellen. Damit kann der Anwender wählen, ob er MS-DOS oder OS/2 als Default-Betriebssystem verwenden will.

Auch die von IBM und Microsoft angebotenen Installationsprogramme für OS/2 unterscheiden sich. Dies kann nach Ansicht von Fachleuten zu einem unterschiedlichen Dateiaufbau führen; ebenso ist ein je nach Installationsprozedur unterschiedlicher Hauptspeicherbedarf für das Betriebssystem möglich. Für den Anwender sei dies jedoch unerheblich, meinte ein Sprecher der deutschen Microsoft-Tochter. Die Struktur des Betriebssystems stelle die Kompatibilität der beiden Versionen sicher.