IBM und Microsoft: Labiles Gleichgewicht

22.02.1991

Der Windows-Erfolg hat, man kann es bald nicht mehr hören, den guten Beziehungen zwischen IBM und Microsoft keinen Abbruch getan. Und überhaupt: Windows wird OS/2, OS/2 wird Windows - am Ende löst sich das ganze Fenster-Theater in Wohlgefallen auf. So einfach ist das, glaubt man den Pressesprechern beider Unternehmen. Die Art und Weise, wie das Windowsversus-OS/2-Phänomen gedeutet wird, hängt indes ganz entscheidend davon ab, welchen Standpunkt der Betrachter einnimmt. Wer braucht OS/2? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Zyniker sagen, für IBM stelle sie sich gar nicht - eigentlich ginge es ja um etwas ganz anderes, um SAA nämlich, womit sichergestellt werden soll, daß alle Arbeitsplatz-Anwendungen auf PS/2-Systemen von IBM laufen können. Doch seien wir gerecht: Alle ist vielleicht nicht ganz richtig, denn Big Blue wird nicht umhinkönnen, die reale Existenz einer Unix-Welt anzuerkennen.

Für Microsoft stellt sich das Problem nicht, jedenfalls nicht so. Die Software-Entwickler bei den Anwender-Unternehmen und bei der SW-Industrie haben an der Windows-Kasse abgestimmt - an die zwei Millionen verkaufter Kopien sind ein eindeutiger Akzeptanzbeweis. Zum Vergleich: 300 000 OS/2-Einzellizenzen haben IBM und Microsoft zusammen an den Entwickler gebracht - selbst für geübte Schönwetter-Propheten ist es da nicht ganz einfach festzustellen, wer hier wem das Wasser abgegraben hat, von einem endgültigen Durchbruch des PS/2-Betriebssystems gar nicht zu reden.

Welche Leute brauchen OS/2? Die MS-DOS-Anwender offenbar nicht. Diese Erkenntnis ist wichtig. Es zeigt sich, daß der Markt funktioniert - zumindest im PC-Bereich. Bill Gates hatte, als er die Windows-Entwicklung zu Lasten von OS/2 forcierte, wohl auch nichts anderes erwartet. So einfach ist das - wenn man die Eigenständigkeit des Kunden ins Kalkül zieht. Nicht, daß aus Gates ein Marketing-Genie gemacht werden soll, aber vom "Personal Computing" im eigentlichen Sinne versteht der Microsoft-Chef mehr als die PS/2-Polizei erlaubt. PS/2-Polizei, das ist jene blaue Organisation - auch außerhalb der IBM -, die den /370-Besitz zusammenhalten will.

Damit wird auch klar, wo Gates' eigentliches Problem liegt: Beim Sich-aus-dem-Fenster-Lehnen (Windows) kann er sehr leicht das Gleichgewicht verlieren. Glaube doch keiner, IBM stünde mit dem Sprungtuch bereit. Eine Folge der Kontroverse konnte bereits sein, daß IBM sich jetzt dem Netzwerkspezialisten Novell zuwendet. Der Mainframer muß etwas tun, um OS/2 doch noch durchzudrücken. Bei den IBM-Großkunden gibt es nicht wenige, die das Hin und Her leid sind und die sich deshalb mit Unix zu beschäftigen beginnen. Markt bald auch hier? Es sieht so aus.