IBM und Microsoft: Die Chronologie einer Trennung

17.04.1992

April 1987

IBM und Microsoft: Die OS/2 Standard Edition tritt in die PC-Welt. Die Ankündigung erfolgt zeitgleich bei IBM und bei Microsoft. Das Produkt soll, so Bill Gates, im Jahr 1989 "sein Feld dominieren". 1992 werde es genauso viel kosten, einen PC unter OS/2 oder unter DOS zu betreiben. DOS braucht zu diesem Zeitpunkt 640 KB, OS/2 zwischen 4 und 16 MB (damals teuren) Hauptspeicher.

Oktober 1988

IBM und Microsoft: Der Presentation Manager wird eingeführt, die grafische Benutzeroberfläche auf die Standard Edition aufgesetzt. IBM bringt dazu die Extended Edition, welche die Zusatzpakete LAN Server, Communication Manager und Database Manager enthält.

November 1988

IBM und Microsoft: Auf der Comdex versprechen beide, ein neues Dateisystem zu entwickeln. Ein Jahr nach der OS/2-Ankündigung haben 55 OEMs für OS/2 Lizenzen erworben. Steve Ballmer, damals Microsofts Vice-President of System Software: "OS/2 wird DOS im Jahr 1991 überholt haben. Doch das Produkt sollte weniger Hauptspeicher brauchen "

l6. Mai 1989

IBM und Microsoft: Die Version 1.2 wird von beiden Firmen zum Vertrieb freigegeben. Sie ist die Basis für das damals neue Client-Server-Modell. Mit der Version 1.2 kommt das High Performance File System. Außerdem: X.25-Support, AS/400 Twinax Connectivity und 5250 Workstation Feature und 3270-Erweiterungen für den Presentation Manager. Die Version wird als langsam und fehlerhaft kritisiert, sie brauche zu viele Systemressourcen.

27. November 1989

IBM und Microsoft: Versprechen auf der Comdex, eine schlankere Version von OS/2 1.2 zu produzieren. Microsoft erwartet jedoch einen Run auf Windows 3.0 und sieht Windows gegen "OS/2 Lite" konkurrieren. Beide sind zum ersten Mal öffentlich über das potentielle Marktsegment für OS/2 uneinig. Es wird ein gemeinsames Communiqué herausgegeben, das die weitere Entwicklung klären soll. Kernaussage: "IBM und Microsoft entwickeln gemeinsam Systemsoftware für die 90er Jahre."

Januar 1990

IBM und Microsoft: Bill Gates kündigt in München persönlich Excel für OS/2 an. Gates (Microsoft) und Cannavino (IBM) positionieren Windows für Systeme mit Arbeitsspeicher "kleiner 2 MB", die OS/2-Version für 1.2 bis zu 4 MB, darüber die zukünftige Version 2.0. Erste Berichte über diese zukünftige 32-Bit-Version von OS/2 gelangen an die Öffentlichkeit - laut Bill Gates eine OS/2-Version für "386er und 486er Prozessoren, für symmetrisches Multiprocessing und Unterstützung objektorientierter Module".

Februar 1990

IBM und Microsoft: Die OS/2-User-Group entsteht in Deutschland. Sponsoren: Microsoft, IBM und Computerland Europe. 46 PC-Hersteller liefern auf Wunsch die Version 1.1 von OS/2 in Deutschland aus. Vier Monate Verspätung hat es gegeben.

April 1990

IBM und Microsoft: Legen ihre Entwicklerteams zusammen, um keine weiteren Zeitverzögerungen entstehen zu lassen. Die neue Arbeitsteilung: IBM konzentriert sich auf die Extended Edition und auf die Anpassung von OS/2-Code an IBM-Hardware. Microsoft entwickelt die Standard Edition 2.0 und die neue portable OS/2-Version 3.0. OS/2 hat jetzt mehr als eine Million Lines of Code. Die Netzwerkprodukte beider Hersteller (LAN Manager und LAN Server) sollen ineinander aufgehen. Microsoft kündigt DDE (Dynamic Data Exchange) für Windows und den Presentation Manager an.

23. Mai l990

Microsoft: Microsoft Deutschland definiert seine Betriebssystem-Strategie neu: "Es...zeigt sich doch, daß der Markt noch sehr an MS-DOS festhält. ... Um dieser Konstellation Rechnung zu tragen, hat Microsoft ein neues, umfassendes Betriebssystem-Konzept entwickelt, ... das aus folgenden drei Komponenten besteht: MS-DOS, Windows und OS/2." Dies ist die Abkehr Microsofts vom Presentation Manager.

25. Juni 1990

IBM: Demonstriert auf der PC Expo in New York die neue OS/2-Version, die nur noch 2 MB Speicher braucht und 25 Prozent schneller ist als früher.

IBM und Microsoft: Differieren über die Wichtigkeit der neuen, schlanken OS/2-Version 1.3 (zu der Zeit noch ohne Namen).

Microsoft: Paul Maritz, Microsofts Vice-President of Advanced Operating Systems, stellt die Relevanz der Version in Frage und bestätigt, daß sich Microsoft noch nicht entschieden habe, diese Version zu verkaufen.

August 1990

Microsoft: Microsoft zeigt anstelle von 1.3 die Version 1.21, die von vielen Kunden im Markt gutgeheißen wird. Viele Fehler wurden ausgemerzt, ein volles Set an Druckertreibern existiert. Insider erkennen das zunehmende Auseinanderdriften beider Hersteller, die sich gegenseitig mangelhaft ausgetestete Produkte vorwerfen.

September 1990

IBM: Neuer Disput über die richtige Marketing-Strategie für OS/2. IBM gibt die Zusammenarbeit mit Metaphor in dem Joint-venture Patriot Partners bekannt, um eine plattformunabhängige Entwicklungsumgebung zu schaffen.

Microsoft: Empfindet diesen Schritt als gegen sich gerichtet. Es wird klar, daß Microsoft OS/2 nur noch braucht, um eine Barriere gegen Unix zu haben.

Oktober 1990

IBM: Kündigt formell OS/2 1.3 in der Öffentlichkeit an. Erste Pläne für die Workplace Shell in der Version 2.0 werden an die Öffentlichkeit gebracht. IBM erklärt, daß man im Jahr 1991 die Extended Edition von OS/2 "entbündeln", das heißt in separaten Einzelprodukten verkaufen wird. IBM rüstet sich mit Flexibilität gegen eventuelle Schritte von Microsoft.

l2. November 1990

IBM und Microsoft: Die Differenzen bleiben bestehen, daher wird eine neue Aufgabenteilung besprochen.

Microsoft: Übergibt der IBM die Version 2.0 komplett und behält sich selbst die Entwicklung der portablen Version 3.0 vor (die später unter dem Namen Windows NT bekannt wird). Bill Gates stellt in seinem "Keynote Speech" auf der Comdex das Microsoft-Konzept für die 90er Jahre vor: "Information at your fingertips." Es wird klar, daß Microsoft niemals von DOS und Windows abgehen wird.

10. Januar 1991

Microsoft: Stellt überraschend OS/2 1.3 vor. Das Produkt hat eine bessere Performance und braucht weniger Speicher; es wird von Microsoft an die OEMs ausgeliefert. Man sagt, es sei Bestandteil der gemeinsamen Entwicklungsanstrengungen. Heilt der Bruch zwischen beiden Parteien?

28. Januar 1991

IBM: IBMs Cannavino stellt fest, daß Microsoft in erster Linie Kapital aus Windows schlagen möchte, und bestätigt, daß IBM dem OS/2 streng verpflichtet bleibe.

IBM und Microsoft: Führen ihre gemeinsame Entwicklungsarbeit an OS/2 weiter.

Microsoft: Ist laut Pascal Zachary vom "Wall Street Journal" entschlossen, OS/2 fallenzulassen. Der Artikel versetzt die gesamte Branche in Aufruhr. Zwei Tage später widerruft Microsofts Steve Ballmer diese Behauptung: "Microsoft gibt zwar Änderungen in seiner Politik zu, widerruft aber die Anschuldigung des Artikels, daß Microsoft OS/2 fallengelassen habe. Microsoft wird weiterhin Service und Support für OS/2 leisten sowie OS/2 verkaufen und Anwendungen dafür schreiben ."

8. März 1991

IBM: Plant im Alleingang eine große OS/2-Kampagne und riskiert damit den Bruch mit Microsoft. Der europäische "Software Summit" findet im Mai in Birmingham statt. Die Version 2.0 wird zum ersten Mal demonstriert und findet begeisterte Aufnahme bei den IBM-Kunden. Lee Reiswig von IBM widerspricht. Er meint, daß OS/2 keinen Nachfolger braucht. IBMs Konzept, Windows-Anwendungen unter OS/2 ablaufen zu lassen ("Better Windows than Windows"), löst bei Microsoft große Verärgerung aus.

Microsoft: Zeitgleich bestätigt Steve Ballmer von Microsoft: "NT wird der Nachfolger von OS/2".

15. April 1991

IBM: Repositioniert OS/2 mit Preisreduzierungen und Promotions für alle Einsatzbereiche ab 2 MB bis 16 MB Arbeitsspeicher und höher. Die Koexistenz mit Windows existiert nicht mehr. Die Workplace Shell wird zum ersten Mal demonstriert. Die Netware Services for SAA werden angekündigt, ein großer Stein des Anstoßes für Microsoft. Die strategische Zusammenarbeit mit Novell und mit Micrografx wird verkündet. Big Blue bekommt Ersatz für das verlorene Microsoft-Know-how. IBM erklärt die Bereitschaft, 2.0 an alle OEMs auszuliefern, wenn Microsoft es nicht tut. Man rechnet mit dem totalen Bruch. IBM erklärt die Zusammenarbeit mit konkurrierenden Hardwareherstellern.

Microsoft: Erklärt, man werde OS/2 1.3 und 2.0 auch an die eigenen Kunden verkaufen, ein politischer Schritt.

Juni 1991

IBM: Es wird bekannt, daß IBM aufgrund der Lizenzvereinbarungen mit Microsoft das Recht hat, NT zu benutzen und zu verkaufen, doch es ist unklar, ob IBM dieses Recht ausnutzen wird. IBM gibt zu, eine eigene C-Entwicklungsumgebung für OS/2 zu schaffen, um sich von Microsoft unabhängig zu machen. Die Programmers Workbench wird einen 32-Bit-C-Compiler, Linker und Presentation Manager Debugger enthalten.

IBM entwickelt außerdem seine eigene objektorientierte Makrosprache Rexx, um anwendungsübergreifende Aufgaben zu automatisieren, ein Gegenprodukt zu Visual BASIC. Die Zusammenarbeit mit MicroFocus wird erweitert, um OS/2-Werkzeuge für COBOL anzubieten. Borland gibt bekannt, ein Set von CMicrosoftMicrosoft-Tools für OS/2 2.0 zu schreiben, das 1992 angekündigt werden soll.

Microsoft: Berichtet erstmals über das Win-32-Interface von 3.0 und kündigt diese 32-Bit-Windows-Version für 1992 an. Damit ist klar, daß Microsoft auf NT keinen Presentation Manager setzen wird. Win-32 enthält Multiple Threads, Symmetric Multiprocessing und Fault Tolerance. Es wird langsam klar, daß auch DOS in die Lage versetzt werden soll, diese Windows-Version laufen zu lassen. Damit braucht Microsoft kein OS/2 mehr. Die ACE-Kooperation wird angekündigt.

19. Juni 1991

IBM: Kooperiert derweil mit Wang (Imaging Technologie) und mit Lotus (Office-Bereich).

Microsoft: Bill Gates "Angst-Memo" gerät durch eine Panne an die Öffentlichkeit. Darin beschreibt er seine Strategie für die nächsten fünf Jahre. Sein Ziel ist, daß Softwarehäuser ihre Anwendungen nicht für OS/2 2.0, sondern für 3.0 (später NT genannt) schreiben. Er gibt zu, daß einige 2.0-Anwendungen nicht auf NT laufen könnten. Für immer soll Schluß sein mit dem "armseligen Code, dem armseligen Design, dem armseligen Entwicklungsprozeß und anderem Overhead, den die Zusammenarbeit mit IBM mit sich gebracht hat.

3. Juli 1991

IBM: IBM und Apple geben unter anderem die gemeinsame Entwicklung eines neuen objektorientierten Microkernel-Betriebssystems bekannt.

22. Juli 1991

Microsoft: Gibt neue Funktionen für zukünftige DOS-Versionen bekannt: echtes Multitasking, Flat Memory Model, eine neue Architektur für das gesamte Dateisystem, verbesserter Netzwerk-Support. Die Strategie heißt: Windows auf allen Systemebenen (skalierbares Windows). DOS bekommt alle Funktionen, die einmal OS/2 vorbehalten waren.

September 1991

Microsoft: Kündigt das Developers Kit für NT an. Es ist eine 32-Bit-Version, zunächst aber nur für 386er und 486er Prozessoren. Unterstützung für den R4000 RISC-Chip von Mips wird erst später folgen.

14. Oktober 1991

IBM: Verschiebt die amerikanische OS/2-Version auf 1992. Der Termin für die deutsche Version (Frühjahr 1992) bleibt erhalten. IBM und Microsoft gehen nun auch separate Wege im LAN. Es gibt keine gemeinsame Version des LAN Manager und des LAN-Servers.

Oktober 1991

Microsoft: NT geht ins Beta-Stadium, bietet zu der Zeit noch keinen Support für DOS und Windows 3.x. Der Verfügbarkeitstermin für das Vollprodukt wird auf Ende 1992 gesetzt.

November 1991

IBM und Microsoft: Microsoft- und IBM-Manager höchster Ebene versuchen erfolglos, den Streit zwischen den beiden Firmen zu beenden.

Januar 1992

Microsoft: Microsoft portiert NT auf DECs Alpha-RISC-Architektur, eine Gegenmaßnahme gegen die IBM-Allianz mit Apple.

April l992

IBM: IBM Deutschland liefert 2.0.

Microsoft: Fazit von Bill Gates: "We still have good communications. So at least some part of IBM knows, where we're heading."