Marktführer kommen am Network Management Forum nicht vorbei

IBM und Digital verringern Chancen von AT&Ts Accumaster

10.11.1989

NEW YORK - Nach langem Zögern sind IBM und DEC jetzt doch dem von AT&T initiierten Network Management Forum beigetreten. Die Vereinigung gewinnt damit zwar an Gewicht, möglicherweise verlangsamt sich aber der Normierungsprozeß wie einige Spezialisten befürchten.

"Positiv für den Anwender, lautet dennoch der Kommentar aller zu diesem lange erwarteten Ereignis, von der COMPUTERWOCHE befragten Netzwerk- und Normierungsspezialisten. Das Forum hat sich nämlich die Vereinheitlichung der Normen von Netzwerkmanagementsystemen (NMS) auf der Basis von OSI zum Ziel gesetzt.

Am zurückhaltendsten reagierte noch Paul Hofmann, Geschäftsführer der Datakom, Ismaning: "IBM hat in der letzten Zeit zum Beispiel gegen DEC verloren, da ist es wichtig, Standards vorzuweisen oder zumindest den Eindruck zu erwecken, daß man daran mitarbeitet, also - warum nicht beitreten nach dem Motto: Was nicht schaden kann, kann nur nützen. Aber auch Hofmann sieht die Gefahr einer Verzögerung von OSI-gerechteren Netzwerkmanagement-Lösungen zugunsten von IBM-spezifischen an SNA-angelehnten Produkten wie IBMs Netview oder Net/Master von Cincom: "Je größer die Diskussionsrunden in den Gremien, desto langsamer arbeiten die Normungsmühlen."

"Der Verschwörungscharakter des Forums verschwindet, bedauert Kornel Terplan, NMS-Berater auf internationalem Parkett. Auf der anderen Seite begrüßt er, daß nun auch DEC Mitglied der Gruppierung geworden ist. "Dadurch verschwindet eine kleine Unsicherheit auf der Seite der Kunden", erläutert er. Das Risiko unterschiedlicher Interpretationen der OSI-Drafts sei jetzt viel geringer geworden, fast null". Auch reduziere sich die Zahl der Spieler auf dem NMS-Kampfplatz praktisch auf drei: IBM, DEC und AT&T. Zwar werde der AT&T-Hoffnungsträger Accumaster nicht direkt gefährdet, doch bestehe für dieses Produkt "im philosophischen Sinne" jetzt große Gefahr.

"Großartig" findet Herbert Donner, Siemens-Mitarbeiter und Protagonist von Spag Services, den Beitritt der beiden großen Hersteller. "Wir haben dafür ein Jahr lang gefightet. Und: "Was seit Jahr und Tag bei der ISO gelaufen ist, war ungeheuer schwerfällig und architekturlastig. Seit etwa 18 Monaten kriegt das Ganze jetzt Schwung." Ausschlaggebend für den Beitritt der beiden großen Rivalen sei die Zusage der Forumsmitglieder Spag und COS gewesen - beide ihrerseits einflußreiche Normierungsgremien - dafür zu sorgen, daß "nichts AT&T-spezifisches" in die künftigen Standards einfließt. Im Gegenzug sollten sich DEC und IBM an den Conformance-Tests beteiligen. Donner geht davon aus, daß es nun zu De-facto-Standards kommt, die aufgrund der langen Liste der Beteiligten und ihres Gewichts Akzeptanz finden werden.

Dies könnte auf der anderen Seite bedeuten, daß die IBM nun ihrerseits Module ihrer Open Network Architektur (ONA) "einschmuggelt", was den Normierungsprozeß hinwiederum beschleunigen könnte, aber für AT&T, den Gründer des Forums, mit seinem OSI-basierten Produkt Accumaster, weniger vorteilhaft wäre. Auch AT&T-Mann John Miller, einstiger President des NM-Forums, kann hier nicht mehr gegensteuern. Er ist zugunsten eines Fachmannes von British Telecom aus dem Board des Network Management Forums ausgeschieden.