Übergangszeit unterm "großen blauen Flügel":

IBM-Treue reicht nicht bis zu DL/1

28.03.1980

BOSTON (to) - Keine Begeisterung können sich frischgebackene oder potentielle 4331-Anwender für IBMs Datenbankmanagementsystem DL/1-DOS/ CICS abringen. Das ist das Fazit einer in den USA bei 25 Anwendern durchgeführten Umfrage, die entweder bereits 4331 unter DOS/VSE fahren oder das System bestellt haben. Zu Ihren Datenbankplänen befragt, erklärten fünf Anwender - wenn auch zum Teil mit Vorbehalt -, daß sie eine DL/1-Installation planen, vier benötigen vorläufig überhaupt kein DBMS-Produkt, die übrigen 16 liebäugeln mit Konkurrenzsystemen.

Die IBM-Kunden, so berichtet die COMPUTERWORLD, amerikanische Schwesterpublikation der CW, lasten der DL/1-Datenbank ganz allgemein mangelnde Flexibilität, ferner aber auch Leistungsschwäche an. Einige der Befragten bemängeln konkret das Fehlen eines Listprogrammes, andere geben an, daß DL/1 nicht mit Datenbanken von Fremdherstellern kommunizieren könne. Besonders belastend sind die Aussagen eines kalifornischen Anwenders, der das DBMS-Paket der IBM auf seiner neu installierten Anlage testlaufen läßt. Der Benutzer, der mit VSE/VSAM und CICS arbeitet, behauptet, DL/1 greife auf die Files nicht in der richtigen Reihenfolge zu und arbeite nicht ordentlich mit CICS oder VSAM zusammen. Der Kalifornier entschied sich für das System Adabas der Software AG und gab auch VSAM auf. Jetzt arbeitet seine Datenbankinstallation angeblich störungsfrei.

In einem Fall entschied sich ein IBM-Erstanwender in einem hauptsächlich mit Burroughs-Rechnern ausgerüsteten Unternehmen für DL/1. Zwei Gründe gibt er dafür an: "Wir möchten eine zeitlang unter dem großen blauen Flügel bleiben . . . Es könnte sein, daß wir nicht an DL/1 festhalten. Wir hatten eine Anzahl Mitarbeiter mit DL/1-Erfahrung, so hat sich das Unternehmen dazu entschlossen aus diesem Umstand zu profitieren." Der DV-Manager sieht jedoch jetzt schon Schwächen: "DL/1 ist in der DBMS-zu-DBMS-Kommunikation mit dem Burroughs-System nicht flexibel genug. Es ist ganz allgemein nicht fortschrittlich." Ob es Angebote gibt, die das Gewünschte leisten, weiß der Manager allerdings auch nicht zu sagen.

Ein anderer Anwender erklärt, daß er sich nur in dem Fall für das IBM-Produkt entscheiden würde, wenn IBM alleiniger Anbieter eines Verbindungsprogrammes zwischen dem im Hause angewandten DBOMP und einem Datenbankmanagementsystem wäre, und das, obwohl die Wahl eines anderen Herstellers eine große Umstellung bedeute. Er prüft gerade Adabas, Total von Cincom Systems Inc. und Ramis II von Mathematica Inc.

Ein weiterer Benutzer, der DL/1 installieren will, gibt an, von Problemen mit dieser Datenbank nichts zu wissen. Seine Entscheidung fiel auf IBM, weil er befürchtet, in seinem in Minneapolis befindlichen Unternehmen von anderen Herstellern nicht "geserviced" zu werden.

Zu ähnlichen Schlüssen kam die COMPUTERWORLD in der vor kurzem durchgeführten Umfrage, die die Akzeptanz der 4300-Systemsoftware zum Gegenstand hatte (CW Nr. 9, Seite 3). Zwölf der 15 Anwender, die Datenbanken installieren wollten, entschieden sich für andere Hersteller. Ein Favorit unter den Fremdanbietern konnte jedoch nicht ausgemacht werden. Die meisten gaben an, sie seien bislang noch zu sehr mit der Umstellung auf VSE beschäftigt, um sich um das neue Problem DBMS zu kümmern.