IBM-süchtig?

02.03.1979

Stellvertretendes Vorstandsmitglied der Deutschen Leasing AG, Frankfurt

Das Leasing-Geschäft mit Computern nimmt einen bedeutenden Stellenwert für die Leasing-Gesellschaften ein. In unserem Hause ebenfalls, wenngleich in einem gesunden Verhältnis zu unseren sonstigen Sparten. Leasing-Gesellschaften - falls sie als Finanzierungs-Leasinggesellschaften gelten - verhalten sich produktneutral, das heißt, die Produktauswahl und die Wahl des Herstellers wird ausschließlich dem Kunden überlassen. Allerdings interessiert uns insbesondere die Werthaltigkeit der von uns vermieteten Objekte sowohl bei den Bonitätsüberlegungen und auch bei der Einschätzung von Restwerten, und mögen sie noch so bescheiden in die Kalkulation der Leasing-Raten einfließen.

Um aber das Produkt Leasing abzusetzen, muß man sich mit den zu vermietenden Objekten befassen und sich so unter anderem in die Computerbranche einarbeiten und eingraben. Einerseits wird mit den verschiedenen Computer-Herstellern direkt zusammengearbeitet, andererseits die Akquisition beim prospektiven Leasingnehmer durchgeführt. Also haben wir zu versuchen, die Nöte und Sorgen unserer Kunden insbesondere der EDV-Chefs zu verstehen und für ihre und unsere Belange das richtige Leasing-Angebot herauszuarbeiten.

Leasing-Angebote sind von längerfristiger Natur. Der Kurzzeitmiete für Interimslösungen und Fehlentscheidungen können wir nichts entgegensetzen. Die längerfristigen Verträge lassen sich insgesamt doch gegenüber der Herstellermiete rechnen, und sie rechnen sich für Perioden, die immer noch kürzer sind, als die tatsächliche Einsatzdauer im Schnitt ausmacht.

Für den Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen sind genaue Planungen notwendig. Diese vorausgesetzt ermöglichen uns gemeinsam mit dem Kunden den Abschluß von entsprechenden Verträgen.

Eine der Unbekannten für die künftige Planung ist die technologische Entwicklung am Computermarkt und die Verschiebung des Preis-/Leistungsverhältnisses. Dennoch müssen täglich Entscheidungen getroffen werden, täglich werden Installationen vorgenommen. In den letzten paar Jahren sind - insbesondere was den Anbieter IBM angeht - eine Reihe von Ankündigungen und Preissenkungen durchgeführt worden. Es wurde allenthalben "announced". Erstaunlicherweise wurden jedoch in dieser Periode die wenigsten Hersteller-Mietverträge abgeschlossen, dafür im steigenden Maße geleast oder aber auch gekauft. Das Kaufen der Kunden beeinflussen wir unter Umständen sogar noch mit indem wir sie zunächst einmal mit unseren Überlegungen von der Herstellermiete "abholen". Im Kauffalle gehen sie allerdings von einem kurzfristigen Hersteller-Mietvertrag auf die "ewige Verbindung" des Eigentums über, was sich, wie ich meine, gerade für DV-Anlagen kaum als sinnvoll erweist.

Um auf das aktuelle Thema der Neuankündigung der Serie 4300 der IBM, einzugehen. Das Preis-/Leistungsverhältnis das sich ergibt, ist für uns auf Anhieb genauso überraschend wie für "IBMler", die ich in letzter Zeit gesprochen habe.

Auf jeden Fall kann ich in diesem, neuen Angebot der IBM für unser Geschäft drei wesentliche Vorteile sehen:

IBM - und damit sicherlich die gesamte Computer-Branche - will und muß viel mehr Anlagen "an den Mann bringen". Das heißt für uns:

Mehr Bedarfsfälle für Leasing.

Die Anlagen, die immer - zumindest was den Hardware-Preis betrifft - billiger werden, werden zukünftig jedenfalls die Anbieter mit offenen Restwertverträgen vom Markt halten. Wer Sollte schon bereit sein, ein kaum zu kalkulierendes Risiko einzugehen, für Anlagen, deren Anschaffungswert nur schwerlich eine Million Mark übersteigt und bei denen sicher die prospektive Erwartung einige 100 000 Mark durch die Verwertung zu verdienen, unrealistisch ist. Ich kann mir vorstellen, daß die Bestände an Restwertverträgen ohnedies mit immer größerer Sorge betrachtet werden.

Die Konstellation der Mietpreise im Verhältnis zu den Kaufpreisen für die neuen Serien sind so, daß bei sinnvollen Laufzeiten - dabei gehen wir von einer Planungszeit, die etwa vier Jahre beträgt, aus - Leasing nach wie vor günstiger angeboten werden kann als die Hersteller-Langzeitmiete. Daß IBM die Mehrjahresmiete jetzt bereits mit 24 Monaten anbietet, spricht nach meiner Meinung dafür, daß IBM bei den Systemen der sogenannten E-Serie eine längere Lebensdauer beziehungsweise Einsatzdauer vorsieht. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die IBM einen derartigen Vertragstyp anbieten wurde, wenn sie damit rechnen müßte, daß ein erheblicher Anteil der Systeme tatsächlich nach 24 Monaten zurückkommt. Die augenblickliche Marktstrategie bekommt nur dann Sinn, wenn die Konzeption langfristig ist. Bestätigt wird diese Annahme durch die Zielgruppen-Projektion der IBM: Die 4331 soll an EDV-Newcomer und an bisherige "kleinere Kaufkunden" von IBM - gemeint sind damit bisherige Anwender der 370/115 und 370/125 - als Zweitgerät verkauft werden. Zielgruppe für die 4341 sind die Kunden, die aus der 370/115 beziehungsweise 125 herausgewachsen sind und ein größeres System brauchen beziehungsweise IBMs "größere Kaufkunden": Die bisherigen Anwender der 370/ 135 bis 148, denen das neue System als Zweitrechner verkauft werden soll. Für Leasing allemal eine günstige Entwicklung.

Auch unseren eigenen Leasingverkäufern ist jetzt das Argument genommen, daß sich die EDV-Anwender nicht entscheiden können oder wollen, da Announcements bevorstehen. In der Tat werden seit dem Annoncement verstärkt mittel- und längerfristig Verträge für die 138 und -148 hereingegeben, also für Maschinen, die manche Leute in der ersten Aufregung schon für "Oldtimer" gehalten haben. Die Verfügbarkeit von neuen oder anderen Systemen wird dabei sicher eine Rolle spielen.

Einen gewissen Kreis von "Süchtigen" in bezug auf ewig neue Announcements werden wir niemals überzeugen können. Möglicherweise haben wir jedoch für diesen Kundenkreis nicht die richtige Leasing-Argumentation. Auf jeden Fall wird von jetzt an zu warten in den wenigsten Fällen Gewinn bringen.