Geben japanische Bosse den Auftrag?

IBM-Spionagefall in neuer Dimension

16.07.1982

SAN FRANCISCO (hh) - Der Industriespionagefall bei der amerikanischen IBM: Eine US-Bundesbehörde erhob Anklage gegen die Hitachi Ltd., 14 ihrer Mitarbeiter und drei Personen, die nicht zu dem Unternehmen gehören. Wie in der COMPUTERWOCHE 27/28, Seite 1, berichtet, tappten die Japaner bei der Aktion in eine FBI-Falle.

Vor einem Bundesgeschworenengericht wurde vergangener Tage Anklage nicht nur gegen das japanische Unternehmen und seine Mitarbeiter wegen mutmaßlicher Zusammenarbeit beim Transport "gestohlener Güter" erhoben, sondern auch gegen Nicht-Hitachi-Mitarbeiter. In einem getrennten Verfahren wurden des mutmaßlichen Erwerbs und Transportes dieser Diebstahlsgüter angeklagt: Raymond Cadet, ehemaliger IBM- und NAS-Mitarbeiter, Dr. Barry Saffaie, NAS-Produktplanungsmanager und der 22jährige iranische Student Tabassom Ayazi. Wie die COMPUTERWORLD berichtet, habe Saffaie Hitachi vermutlich mit mehreren Bänden eines IBM-Hardware-Design-Arbeitsbuches versorgt.

Auf einer FBI-Pressekonferenz wurde zudem mitgeteilt, daß dem mutmaßlich ebenfalls beteiligten Unternehmen Mitsubishi Electric Corp. und der amerikanischen Tochter ein Zeitaufschub zur Erwiderung auf die vorgebrachten Anklagepunkte eingeräumt worden sei. Dieser Aufschub soll den Anwälten des Unternehmens Gelegenheit geben, sich mit den Vorwürfen vertraut zu machen und dem US-Staatsanwalt Joseph Russoniello ihre Darstellung in einer außergerichtlichen Anhörung zu präsentieren.

Mitsubishi und Hitachi, die von ihren Aktivitäten gegenseitig offenbar nichts wußten, sollen den Coup vorbereitet haben, in dessen Verlauf 648 000 Dollar für geheime IBM-Produktinformationen an getarnte FBI-Agenten gezahlt wurden.

Bislang sind 22 Personen einer Beteiligung verdächtig; die 17 Angeklagten sind jedoch nicht mit Mitsubishi in Verbindung zu bringen.

Die Entwicklungen der vergangenen Tage haben nach Meinung der COMPUTERWORLD das erste Mal gezeigt, daß Hitachi direkt mit dem Spionagefall in Verbindung zu bringen ist. Bisher sei man davon ausgegangen, daß dieser Vorfall das Werk einzelner gewesen sei.

Fünf Hitachi-Mitarbeiter sind festgenommen, gegen Kaution aber später auf freien Fuß gesetzt worden. Die anderen neun sind in Japan. Derzeit verhandeln das US-Justizdepartment und das japanische Justizministerium über eine mögliche Auslieferung.

In den Vereinigten Staaten haben sowohl die Hitachi America Ltd. als auch Mitsubishi jeden Kommentar abgelehnt; die japanischen Muttergesellschaften beteuern weiterhin ihre Unschuld.