IDC nimmt Mainframe-Strategie des Marktführers unter die Lupe:

IBM setzt zur Großrechneroffensive an

02.09.1983

FRAMINGHAM(CW)-Nach wie vor braucht die IBM Corporation auf dem Großrechnersektor kaum ernsthaft Konkurrenz zu fürchten. Die Tatsache. daß inzwischen auch die traditionellen Mainframe-Anbieter Big Blue-Equipment zunehmend zum Standard für ihre eigenen Produkte machen, dürfte diese Marktführerposition noch verstärken. Mit der Unternehmensstrategie des Branchenprimus beschäftigt sich jetzt die International Data Corporation (IDC) in einer Studie.

Selten hat IBM auf dem Großrechnermarkt eine stärkere Position gehabt wie jetzt, urteilen die IDC-Analytiker. Der Export aus den USA belief sich, so der neueste "EDP Industry Report" der US-Marktforschungsgesellschaft, im letzten Jahr auf 72 Prozent. Als Grund für diesen Erfolg habe eine Rolle gespielt, daß IBM in 1982 exakt den Zeitpunkt zwischen den Produktzyklen seiner Mitbewerber ausnützte. Für 1983 bahnten sich vergleichbare Ergebnisse an.

Es wäre zu einfach, sagen die IDC-Forscher, das High-end-Engagement von Burroughs, Univac, CDC und Honeywell Bull auf diesem Gebiet als verunglückt abzutun. Angesichts der Zwickmühle von steigenden Entwicklungskosten, kürzerer Produktlebensdauer und schrumpfenden Gewinnspannen sei es für diese Anbieter schwierig, die Investitionen aufzubringen, die nötig sind, um mit der augenblicklichen Entwicklung Schritt zu halten. Erschwerend komme hinzu, daß die japanischen PCM-Anbieter den Marktführer dazu zwingen, ein verbessertes Preis-/Leistungsverhältnis anzustreben.

Joint-ventures gegen IBM-Übermacht

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, bemühen sich die IBM-Konkurrenten momentan mehr denn je um Joint-ventures. IBM-Kompatibilität ihrer Produkte bleibe für sie oberstes Gebot. Ferner suchten sie gewinnträchtige Marktlücken im Großcomputerbereich. Big Blue interessiere es dabei nur wenig, ob die Gegenspieler diesen Machtkampf überleben oder nicht, urteilt IDC. Vielmehr zähle daß die Wachstumsmöglichkeiten der Konkurrenz auf dem kommerziellen Sektor eingeschränkt würden und IBM-Equipment weiterhin Zielobjekt für die meisten Softwareprodukte von Drittanbietern bleibe. Das Hauptaugenmerk des Marktführers auf dem Mainframesektor werde in zunehmendem Maße darauf ausgerichtet sein, die PCMs zu kontrollieren.

Eine Reihe von Stärken und Schwächen sind nach IDC-Angaben charakteristisch für die derzeitige Jumbo-Politik der IBM:

Technologie: Big Blue könne es sich nicht leisten, von japanischer Chip-Technologie abhängig zu werden und sei besorgt über die derzeitige Situation in der RAM-Speicher-Industrie. Der Einstieg bei Intel stelle vermutlich nur den Beginn von Gegenmaßnahmen dar. Trilogy mit seiner "Wafer Scale Integration" bedeute ebenfalls eine Bedrohung in technologischer Hinsicht.

Preispolitik: Mit der Serie 4300 habe IBM gezeigt, daß sie keineswegs davor zurückschrecke, über Preisabstriche den Wettbewerb einzuengen. Angesichts der Tatsache, daß der Marktanteil der PCMs sich derzeit auf fünf Prozent belaufe, würde sich der Marktführer jedoch durch einen solchen Schritt mehr schaden als nützen. Preiskampf bleibe für Mother Blue eine Trumpfkarte, so die US-Marktforscher, die sie hoffe, nie ausspielen zu müssen.

Veränderte Zielsetzung: Durch Veränderungen am Betriebssystem und Mikrocode könne IBM den PCs den Brotkorb höher hängen Größere Veränderungen an der Systemsoftware würden jedoch beim Marktführer sowie beim Kunden einen zusätzlichen Arbeitsaufwand erforderlich machen. Big Blue wolle lieber seinen Kunden die Freiheit geben, Anwendungen zu entwickeln die den Hardwareverkauf ankurbeln.

Juristische Maßnahmen: Die Nachwirkungen des Hitachi-Skandals sind noch nicht überwunden und schon bahnt sich ein neuer Rechtsstreit an. Die Klage von IBM gegen NCR/Comten könne sogar noch größere Auswirkungen nach sich ziehen, sagt das IDC-Team. Big Blue behaupte, NCR/Comten habe für seine Front-end-Prozessoren unberechtigt den Source-Code von IBM verwendet. In der Branche halte sich hingegen hartnäckig das Gerücht, die Betriebssysteme der Fujitsu-Mainframes könnten eine gewisse Verwandtschaft zu MVS von IBM nicht, leugnen. Im Falle von NCR scheine Big Blue ein Exempel statuieren zu wollen.

1982 wuchs der Umsatz von IBM auf dem Softwaresektor um 45,3 Prozent und belief sich damit auf etwa 1,7 Milliarden Dollar. Dies entspricht einem Anteil von 4,9 Prozent am Gesamtumsatz. Es ist abzusehen, so IDC, daß die Wachstumsraten für Software auch weiterhin sehr groß sein müssen, wenn sie den entscheidenden Faktor für Umsatzsteigerungen in den nächsten fünf bis zehn Jahren darstellen sollen.

Für die absehbare Zukunft richte IBM das Hauptaugenmerk jedoch noch auf den Verkauf von Hardware.