IBM schwäbisch solide: Trau keinem über 6 Prozent

03.05.1985

"Allein im Bereich der Personal Computer ... sind schon heute "Millionenauflagen" zu Realität geworden. Für die gesamte Informationstechnik sind branchenkundige Marktbeobachter der Ansicht, daß das Zukunftspotential dieser Wachstumsindustrie par excellence überhaupt nicht hoch genug eingeschätzt werden kann."

Lothar F.W. Sparberg, Vorsitzender der Geschäftsführung der IBM Deutschland, in seinem Vorwort zum Konzern-Geschäftsbericht 1984 unter dem Titel "Perspektiven des Fortschritts".

In einem CW-Gastkommentar (Ausgabe Nr. 14 vom 5. April 1985) mokierte sich Professor Heinz Zemanek über die Medien: Sie kultivierten Klischees. Wir wissen nicht, wie sich der IBM-Fellow zu Sparbergs Fortschritts-Perspektive äußern würde. Wir wissen nach der Bilanz-Pressekonferenz der IBM Deutschland allerdings sehr genau, daß sich Sparberg zum PC-Geschäft der IBM Deutschland nicht eindeutig äußern mochte (es sei "dreimal soviel" umgesetzt worden wie im Jahre 1983) - nur wurden eben schon damals keine exakten Installationsangaben gemacht (siehe Seite 1).

Schwäbisch solide wirkt das (Bilanz-)Zahlenwerk, das die Stuttgarter jetzt vorgelegt haben. Raus aus der Miete, rein in den Kauf - man kennt diesen Trend bei Big Blue seit Jahren. Bedenkt man allerdings, daß der Umsatzanteil, der aus Vermietungen resultiert, auf unter zehn Prozent geschrumpft ist, dann kann man nur staunen, wie der Geschäftsbericht diese Entwicklung darstellt: Die Kunden hätten damit dokumentiert, daß (IBM-)Produkte ihren Anforderungen nicht nur kurzfristig gerecht würden. Man kann es auch anders sehen: Über die Miete hatte IBM die Möglichkeit, den Lifecycle einer Systemfamilie auszudehnen - wenn es unter Wettbewerbs- und Profitgesichtspunkten geboten schien. Damit ist es vorbei. So zählt nur, was heute verkauft und installiert werden kann. Und da höre man sich einmal bei den Anwendern um, was sie etwa von den 4300er Modellen halten.

Die Mengensteigerungen aus dem Neugeschäft brachten eben diesmal nur ein Umsatzwachstum, das mit 6,2 Prozent IBM-untypische, eher deutsche Dimensionen hatte. In der verzerrten Dollar-Optik der Armonker nimmt es sich gar wie ein Rückgang aus.

"Deutsche Dimension" ist leicht dahingesagt. Immerhin legten Siemens und Nixdorf 1984 über dem Branchenmittel zu, während sich Amdahl, Control Data, Datapoint, MDS, NCR, Storagetek, Texas Instruments und Wang - um nur einige Amerikaner zu nennen - auch hierzulande mit geringen Zuwachsraten begnügen mußten (bei den Müttern in USA ist eh Schmalhans Küchenmeister).

Doch wir waren bei der IBM-Bilanz. Es paßt zur bisherigen Informationspolitik des Marktführers, daß es über die nackten Zahlen hinaus keine Interpretationen gibt. So ist es müßig darüber zu diskutieren, worauf das gewiß magere Ergebnis zurückzuführen ist. Für IBM-Anhänger, aber auch für angeblich neutrale IBM-Watcher ist klar, daß Big Blue keine Schwächen haben kann. Da müssen alle möglichen Entschuldigungen herhalten (die Mär vom überforderten Verkäufer) - die Konkurrenz werde indes schon noch ihr "blaues Wunder" erleben.

Soweit richtig - oder auch nicht. Aber was geht den kritischen Kunden die IBM-Deuterei an? Soll er eine 4300 ordern oder eine /38? Das ist die Frage. Man wird sehen, wie sich seine Entscheidung auf das nächste IBM-Ergebnis auswirkt.