Hausmesse Think

IBM schlägt neues Kapitel seiner Cloud- und KI-Strategie auf

14.02.2019
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Mit der Öffnung seiner Watson-Services für konkurrierende Clouds vollzieht IBM eine Kehrtwende. Der IT-Pionier will sich öffnen und als zentraler Service-Provider für den digitalen Wandel in Position bringen.

Virginia Rometty, CEO und Chairman von IBM, lenkt den IT-Tanker auf neuen Kurs. Das wurde vor Kurzem auf der zentralen IBM-Hausmesse Think in San Francisco deutlich. Man stehe am Beginn des zweiten Kapitels der digitalen Transformation in den Unternehmen, sagte die Managerin vor rund 26.000 Besuchern im Moscone Center. "Dieses Kapitel wird eindeutig Enterprise-orientiert sein." Hätten die Betriebe zu Anfang mit Themen rund um Cloud und künstliche Intelligenz (KI) eher an isolierten Schauplätzen experimentiert, gehe es jetzt darum, neue Technologien in der Fläche auszurollen und die Unternehmen komplett zu transformieren.

IBM-Chefin Virginia Rometty richtet den Konzern stärker auf Kunden aus.
IBM-Chefin Virginia Rometty richtet den Konzern stärker auf Kunden aus.
Foto: IBM

Damit IBM hier ein gewichtiges Wörtchen mitreden kann, setzt Rometty auf einen Kulturwandel, den sie am Beispiel Watson festmacht: IBM öffnet das KI-Angebot unter dem Stichwort "Watson Anywhere" für andere Cloud-Plattformen. Anwender sollen die KI-Services nun auch über Plattformen wie AWS, Micro­soft Azure oder die Google Cloud beziehen können.

Das bedeutet eine Kehrtwende in der Strategie. Bis dato hatte IBM eher eine Closed-Shop-Linie verfolgt und Watson nur über die eigenen Cloud-Ressourcen angeboten. Doch Watson half IBM nicht, sein Cloud-Business in Fahrt zu bringen. Den Markt dominieren AWS und Microsoft, die Offenheit als Mantra predigen. Bevor IBM so weit war, hatte Microsoft-CEO Satya Nadella bereits einen ähnlichen Kulturwandel vollzogen und alte Gräben zugeschüttet. Anwender können heute Linux-Umgebungen in der Azure-Cloud betreiben.

IBM veordnet sich mehr Offenheit

Auch IBM will nun offener werden. Die Basis der neu konfektionierten KI-Services bildet die Plattform "IBM Cloud Private (ICP) for Data". Sie kombiniert verschiedene Tools für das Daten-Management, die Analyse und die Entwicklung von Anwendungen. Darauf bauen verschiedene Watson-Dienste auf, die IBM – als Microservices in Kubernetes-Containern verpackt – in verschiedenen Cloud-Umgebungen zum Laufen bringt.

Wie Unternehmen in Deutschland künstliche Intelligenz und Machine Learning einsetzen, lesen Sie in dieser IDG-Studie

Neben den zentralen KI-Werkzeugen "Watson Studio" und "Watson Machine Learning" zählen dazu auch der "Watson Assistant", mit dem Anwender Schnittstellen für KI in verschiedene Anwendungen bauen können, sowie "Watson OpenScale". Das Tool soll Firmen unterstützen, verschiedene KI-Instanzen zu steuern und Transparenz darüber zu gewinnen, wie die KI Entscheidungen trifft. Weitere Services sollen folgen, darunter "Watson Knowledge Studio" und "Watson Natural Language".

Die Daten liegen in hybriden Clouds

Unternehmen hätten sich aufgrund der Datenhaltung in bestimmten Clouds bis dato weitgehend auf das Experimentieren mit KI in Silos beschränkt, behauptet Rob Thomas, der als General Manager für den Bereich IBM Data and AI zuständig ist. "Da die meisten großen Firmen Daten in hybriden Cloud-Umgebungen speichern, benötigen sie die Freiheit und die Wahl, KI auf ihre Daten anzuwenden, egal wo sie gespeichert sind."

Mehr zur künftigen IBM-Strategie finden Sie auf der Website der ­COMPUTERWOCHE:

Die Hybrid Cloud sowie Multi-Cloud-Umgebungen sind der zweite Pfeiler, auf dem IBM sein künftiges Geschäft aufbauen will. Bis dato hätten die Unternehmen erst 20 Prozent ihrer Cloud-Reise hinter sich gebracht, sagte Rometty. Die Zukunft der IT-Infrastrukturen werde durch hybride Systeme geprägt sein, die On-Premise- und Cloud-Anteile einschließe. IBM selbst will sich mit seinen Angeboten in der zentralen Steuerung solcher Umgebungen positionieren. Die eigenen Cloud-Angebote werden ausgebaut, ebenso kommen neue Offerings für Hybrid-Cloud-Umgebungen heraus. Fast alle Unternehmen planten bis 2021 entsprechende Infrastrukturen, sagten die IBM-Verantwortlichen unter Berufung auf Untersuchungen des eigenen IBM Institute for Business Value. Doch nicht einmal vier von zehn Anwendern seien in der Lage, solche Umgebungen zu managen und betreiben.

Neue Services für das Multi-Cloud-Management

IBM hat auf der Think-Konferenz eine ganze Palette neuer Services angekündigt, um Kunden an dieser Stelle unter die Arme zu greifen. Im Zentrum steht die "IBM Cloud Integration Platform", mit deren Hilfe Anwender den Aufwand und die Komplexität beim Ausrollen neuer Anwendungen und Services verringern können sollen. In den meisten großen Unternehmen seien Daten und Workloads über mehrere öffentliche und private Clouds, SaaS- und lokale Umgebungen verteilt, konstatierte Denis Kennelly, General Manager für den Bereich Cloud Integration. "Die Herausforderung in diesem Umfeld besteht darin, Daten- und Technologiesilos zu überwinden, um neue Business-Services und Anwendungen schnell und sicher bereitzustellen."

IBMs Serviceportfolio für das Multi-Cloud-Management gliedert sich in drei Ebenen:

  • Im Business-Management dreht es sich um die Applikationen für die digitalen Services.

  • Im Orchestration-Layer geht es darum, verschiedenste Services automatisiert miteinander zu verbinden und den Kunden zur Verfügung zu stellen.

  • Im Operations-Layer können Administratoren Infrastruktur und Systeme überwachen und steuern.

Darüber hinaus setzt IBM auf Kooperationen, beispielsweise mit ServiceNow. In Zusammenarbeit mit dem Spezialisten für IT-Service-Management (ITSM) und digitale Workflows will der Konzern neue Services für das Verwalten und Steuern von Multi-Cloud-Umgebungen entwickeln. Anwender sollen eine zentrale Konsole erhalten, um heterogene IT-Landschaften leichter und effizienter managen zu können.

Auch Zukäufe spielen eine wichtige Rolle in der IBM-Strategie. Gerade im Hinblick auf den Ausbau seiner Cloud-Angebote hat der Konzern im vergangenen Jahr die Übernahme von Red Hat angekündigt. Die Akquisition soll im Lauf des Jahres abgeschlossen werden. Wie offensiv Rometty den Deal angeht und welch hohe Erwartungen offenbar dahinterstehen, bekam Red-Hat-CEO Jim Whitehurst auf der Think-Konferenz zu spüren. Als die IBM-Chefin den Manager im Rahmen ihrer Keynote auf die Bühne bat, bedankte der sich artig und sagte: "Schön, hier zu sein." Rometty antwortete: "Hey – wir haben euch für 33 Milliarden Dollar gekauft – da sollte es auch schön für dich sein, hier zu sein."

Banco Santander beauftragt IBM mit ihrer Transformation

IBM will eine zentrale Rolle in der digitalen Transformation seiner Kunden spielen. Wie das aussehen könnte, zeigte das Unternehmen auf der Think-Konferenz mit der Bekanntgabe eines Großauftrags der spanischen Banco Santander. Volumen: rund 700 Millionen Dollar über die kommenden fünf Jahre. Die iberischen Banker wollen offenbar mit Hilfe von IBM ihre gesamte IT-Infrastruktur modernisieren. Ihr Ziel: den Bankbetrieb effizienter aufzustellen und den Kunden neue innovative Services anzubieten.

Die spanische Banco Santander verlässt sich bei der digitalen Transformation ihres Geschäfts ganz auf IBM. Kostenpunkt: 700 Millionen Dollar in den kommenden fünf Jahren.
Die spanische Banco Santander verlässt sich bei der digitalen Transformation ihres Geschäfts ganz auf IBM. Kostenpunkt: 700 Millionen Dollar in den kommenden fünf Jahren.
Foto: chrisdorney - shutterstock.com

Die Grundlage der geplanten Architektur soll eine hybride Multi-Cloud-Umgebung bilden. Dafür hat die Bank ein eigenes Cloud Competence Center eingerichtet. IBM arbeitet dort gemeinsam mit Santander an der Definition der Methoden und Prozesse, um die Transformation zu beschleunigen. Darüber hinaus haben die Spanier verschiedene Technologien im Visier, um ihr Geschäft zukunftsfähig zu machen. Viel dreht sich dabei um KI, Blockchain und Big Data, aber auch um methodische Ansätze wie DevOps.

IBM soll auch für die notwendige Sicherheit im Transformationsprozess sorgen. Schließlich geht es im Bankengeschäft um ein Höchstmaß an Sicherheit für Daten, Anwendungen und Dienstleistungen. Dafür sollen Security- Tools von IBM in Bereichen wie mobile Anwendungen und Incident Response eingesetzt werden. Ziel ist eine größtmögliche Sicherheit für Kundendaten und den laufenden Betrieb. Die Vereinbarung werde die IT-Transformation beschleunigen, glaubt David Chaos, CIO von Santander. Man wolle einen kontinuierlichen Entwicklungs- und Innovationsprozess anstoßen: "Die Technologie von IBM wird der Bank Flexibilität geben, um das sich ständig weiterentwickelnde Geschäft zu unterstützen."