Nach dem katastrophalen Jahresverlust griff der Verwaltungsrat durch

IBM-Regent ohne Fortuene: John Akers muss seinen Platz raeumen

05.02.1993

Wohl kaum zuvor hat der

Board of Directors eines Computerunternehmens so unter Druck gestanden wie in den vergangenen Wochen das Kontrollgremium der IBM Corp.: Das Jahresergebnis 1992 war katastrophal - der ausgewiesene Verlust von 4,97 Milliarden Dollar ist der hoechste in der amerikanischen Industriegeschichte -, der Kurs der IBM-Aktie stuerzte auf zuletzt 51,25 Dollar, und die Jahresdividende von nur noch 2,16 (1991: 4,84) Dollar ist aus Sicht der IBM-Anleger miserabel. Zum ersten Mal in der knapp 80jaehrigen Geschichte des Computerriesen musste nun der Verwaltungsrat seinen Pflichten gegenueber den Aktionaeren nachkommen und die personelle Notbremse ziehen. John Akers wurde seines Amtes enthoben - auch wenn weder der Verwaltungsrat noch das sofort geschaffene "Nominating and Executive Compensation Committee", das den Nachfolger suchen soll, dieses fuer IBM-Verhaeltnisse bislang einmalige Vorgehen bestaetigen wollten. Neben Akers erklaerte auch Chief Financial Officer Frank Metz seinen Ruecktritt, und President Jack Kuehler wird kuenftig nur noch als Vice-Chairman fungieren.

Der ehemalige IBM-Starverkaeufer Akers steht seit dem 1. Februar 1985 an der Spitze des Mainframe-Monopolisten. Wie schwer sein Amt sein wuerde, duerfte er zum damaligen Zeitpunkt kaum vorhergesehen haben. Ganz auf Wachstum programmiert, moeglicherweise auch geblendet von der Vision seines Vorgaengers John Opel, der 1983 getoent hatte, die IBM sei Anfang der 90er Jahre ein 100- Milliarden-Dollar-Umsatz-Unternehmen, machte er da weiter, wo Opel und dessen Vorgaenger Frank Cary aufgehoert hatten. Er ignorierte die Gefahren eines aufgeblaehten Kosten- und Mitarbeiterapparates, steigerte die ohnehin schon enormen Investitionen und verschwendete kaum einen Gedanken an neue Wachstumsfelder wie PCs und Workstations. Die Vormachtstellung im Mainframe-Sektor wuerde schon alles richten.

Eine vorsichtigere Gangart zu Beginn seiner Amtszeit haetten Akers und der IBM sicherlich einen Teil des heutigen Debakels erspart. Nach Ansicht von Fachleuten haette der IBM-Regent auch frueher erkennen koennen, wie gefaehrlich zum Beispiel der Umstieg vom Miet- in das Kaufgeschaeft - eine Entscheidung seiner Vorgaenger - in konjunkturschwachen Zeiten fuer IBM werden kann. Erst 1989 kehrte Big Blue mit der AS/400 zum Teil wieder in das krisensicherere Mietgeschaeft zurueck. Unverstaendlich bleibt zudem Akers? Festhalten an der "No-Layoff"-Politik des Computerkolosses. So wie Ken Olsen, prominenter Leidensgenosse vom vergangenen Jahr, bei DEC jahrelang die notwendigen, wenn auch schmerzhaften Entlassungen scheute, so sehr straeubte sich auch der IBM-Chef dagegen und versuchte die Kosten statt dessen erfolglos mit Freistellungs- und Umschichtungsprogrammen zu druecken. Erst vor zwei Jahren wurden erstmals Stellenstreichungen angekuendigt.

Trotz Akers? Unvermoegen, sich von traditionellen Unternehmensgrundsaetzen zu loesen und neue Wachstumsfelder aufzuspueren, hat der fruehere NavyPilot dem Computergiganten aus Armonk doch auch manchen Stempel aufgedrueckt. Als groessten Verdienst kann er sich ohne Frage anrechnen, IBMs zentralistische Fuehrungsstruktur aufgebrochen zu haben. Anfang der 90er Jahre begann er naemlich, den unbeweglichen Computerkoloss in ein Dutzend kleinere, flexiblere Business-Units

(die sogenannten Baby Blues) mit dem Ziel aufzusplitten, unter einer Holdingstruktur autonome und unabhaengige Unternehmen zu schaffen. Doch auch dieser laengst faelligen Massnahme fehlte die Effizienz, weil der Umstrukturierungsprozess zu langsam vorankam. Bislang sind mit Adstar (Speichertechnik) und Pennant Systems (Hochleistungsdrucker) sowie der Personal Computer Co. erst drei selbstaendige operative Gesellschaften auf den Weg gebracht.

Die eingeleitete Umwandlung konsequent weiterzufuehren und auszubauen, vor allem aber einen harten Sparkurs zu fahren, ist denn auch die vordringlichste Aufgabe des neuen IBM-Regenten. Diesen will das geschaffene "Rekrutierungskomitee", das sich aus sieben, wenig branchenerfahrenen Verwaltungsraeten der IBM zusammensetzt, innerhalb der kommenden 90 Tage gefunden haben. Dabei begutachtet das von James Burke, Ex-Chairman von Johnson & Johnson, einem Unternehmen aus dem Gesundheitswesen, angefuehrte Team nicht nur interne Kandidaten. Vielmehr scheint sich das Augenmerk auf Topmanager zu richten, die

ausserhalb der IBM, sogar ausserhalb der Branche taetig sind. Burke erklaerte dazu, zwar sei es von Vorteil, wenn der Kandidat ueber Branchenkenntnisse verfuege, das koennte aber auch schnell dazu verleiten, sich zu sehr auf bestimmte Bereiche zu konzentrieren und andere zu vernachlaessigen. Allerdings, raeumte Burke ein, gebe es ohnehin nicht allzu viele Personen, die das Zeug zum IBM-Chef haetten.

Schenkt man indes amerikanischen Markt-Insidern Glauben, so ist Burkes Liste mit potentiellen Akers-Nachfolgern bereits gut gefuellt - und dies mit einigen illustren Namen. Gehandelt werden derzeit EDS-Gruender und Ex-IBM-Manager Ross Perot, der bereits von sich aus seine Hilfe angeboten haben soll, Apple-Chef John Sculley und General-Electric-Chairman Jack Welch. Selbst Eckhard Pfeiffer scheint Chancen zu haben, nachdem er seine Sanierungsfaehigkeiten sowie sein Marketing-Gespuer in den vergangenen zwoelf Monaten bei der ins Wanken geratenen Compaq Computer eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Von den IBM-Managern raeumen US-Analysten derzeit Robert LaBant (47), Vice-President und General-Manager der IBM Nordamerika, die besten Chancen fuer den Akers-Posten ein. Dem Erfolgs-Manager im Midrange-Geschaeft werden Charme, Energie, vor allem aber Aufgeschlossenheit gegenueber Gespraechspartnern ausserhalb des Unternehmen nachgesagt, eine Offenheit, die Big Blue seit Jahren abgeht. Ueber aehnliche Faehigkeiten soll auch James Cannavino (48), treibende Kraft von IBMs PC-Aktivitaeten, verfuegen. Er spielte eine Schluesselrolle bei den Allianzen mit Apple und mit Bull. Allerdings herrscht in Analystenkreisen die Meinung vor, dass Cannavinos Berufung nicht ohne Risiko waere. Bleibt Ned Laudenbach (48), Senior Executive der IBM World Trade, der in den letzten Wochen ebenfalls immer wieder als moeglicher Nachfolger Akers? genannt wurde. Ihm aber soll es an Ausstrahlung und Fuehrungsqualitaeten mangeln.