IBM reanimiert das ASP-Modell

01.02.2005
Der IT-Konzern übernimmt den Application-Service-Provider (ASP) Corio und plant zusammen mit Softwarepartnern ein neues Mietangebot.

Für 182 Millionen Dollar in bar kauft IBM den Softwarevermieter Corio. Big Blue zahlt damit eine 38-prozentige Prämie auf den zum Ankündigungszeitpunkt aktuellen Börsenkurs von Corio. Der Application-Service-Provider (ASP) wurde 1998 gegrün-det und nahm seit dem rund 280 Millionen Dollar ein. Die Verluste summieren sich laut Angaben des Branchendienstes "Computerwire" auf mehr als 260 Millionen Dollar. Angeblich stand Corio aber kurz vor der Gewinnschwelle.

Technik und Kunden gekauft

Die Investitionen wurden jedenfalls nicht verschleudert. Corio kann auf eine funktionsfähige Betriebs- und Verwaltungsumgebung verweisen, die es dem Unternehmen ermöglicht, Standardapplikationen von Oracle, Peoplesoft, SAP, Siebel, Ariba und Epiphany an Kunden wie Bertelsmann Arvato, Birkenstock, Visa oder Toshiba zu vermieten. Das Angebot nennt sich "Corio Applications on Demand". Basis des gesamten Modells ist die Management- und Entwicklungsplattform "ISRVCE". Beide Lösungen fügen sich in IBMs On-Demand-Strategie ein. Zudem nimmt Big Blue einen lästigen Wettbewerber um Mittelstandskunden vom Markt, der mit seiner Preispolitik IBMs Hosting-Angeboten zusetzte.

Das Geschäft mit der Vermietung von Applikationen gewinnt in IBMs Dienstleistungsorganisation Global Services an Bedeutung, die Corio-Übernahme unterstreicht dies. 182 Millionen Dollar investiert auch ein finanzkräftiger Konzern wie IBM nicht, ohne das Geschäftsmodell ausreichend geprüft zu haben. Es steht demnach zu vermuten, dass Big Blue das ASP-Modell rund fünf Jahre nach dem Goldrausch im ASP-Lager zum Erfolg führen wird.

IBM kann dabei auf geänderte Rahmenbedingungen vertrauen. Zum einen haben die wenigen heute noch existierenden ASPs der ersten Stunde wie etwa Corio, US Internetworking, Netledger oder Upshot viel Erfahrung sammeln können, weitere Erkenntnisse steuern neue Softwarevermieter wie Salesforce. com bei. Zum anderen hatten den Anbieter der ersten ASP-Welle die Kommunikationskosten zugesetzt, die Anfang des Jahrzehnts deutlich höher ausfielen als heute. Außerdem sperrte sich die Softwareindustrie damals gegen das Mietmodell, weil sie um ihr Lizenzgeschäft fürchtete.

Um letztere Hürde beiseite zu räumen, hat IBM einige Softwarepartner um sich geschart. Presseberichten zufolge gehört der Runde "IBM Software as a Service Partner Council" neben Anbietern von Finanz- und Abrechnungssoftware auch Siebel Systems an. IBM-Offizielle bestätigten dies nicht, nähere Informationen sollen noch im Februar folgen. Die Corio-Übernahme dürfte auch das Ende der bisherigen ASP-Szene einläuten. IBMs Schritt hat Signalwirkung für die großen Konkurrenten EDS, CSC, Hewlett-Packard, aber auch für Sun Microsystems und Microsoft. Stellt sich das Vermieten von Software als tragfähiges Geschäftsmodell heraus, werden die weltweit aufgestellten Dienstleister das Modell in ihr Portfolio integrieren. Unabhängigen, kleinen Anbietern wird es immer schwerer fallen, sich zu behaupten. (jha)