Network Computer vorgestellt

IBM positioniert NC als Terminalersatz

13.09.1996

Die Network Station (technische Spezifika siehe Kasten auf Seite 5) wird in größeren Stückzahlen voraussichtlich bis zum Jahresende 1996 ausgeliefert werden. Sie wurde von dem Terminalhersteller Network Computing Devices Inc. (NCD) entwickelt und gefertigt. NCD hat dazu seine bereits im März 1996 vorgestellte X-Station "Explora" um einige Eigenheiten erweitert. Auf ihr laufen Unix-Anwendungen ebenso wie X-Windows-Applikationen. Insbesondere lassen sich auch die Windows-basierten Produkte wie Microsofts Office-Suite nutzen.

NCD hat, um mit den NCs die verschiedenen Software-Plattformen ansprechen zu können, gemeinsam mit der Insignia Solutions Inc. "Win Center" entwickelt. Hierbei handelt es sich um ein Produkt, das sich wiederum einer Software der Firma Citrix Systems Inc. bedient. Konnten auf sogenannten dummen Terminals bislang nur X-Applikationen oder 3270-, ASCII- oder 5250-Anwendungen gefahren werden, ist es mit Win Center möglich, über das X.11- oder wahlweise das von Citrix entwickelte ICA-Windows-Protokoll (ICA = Intelligent Console Architecture) auch Windows-Programme zu fahren.

Eine ähnliche Software, "Ntrigue", entwickelt Insignia auch mit Hewlett-Packard (HP). Mit ihr wird es möglich sein, auf HP-Workstations und X-Terminals 16-Bit- und 32-Bit-Windows-Anwendungen zu benutzen.

Sun wiederum verhandelt mit Citrix, um deren ICA-Windows-Protokoll in eigene Produkte einzubauen.

Irving Wladawsky-Berger, General Manager von IBMs Internet Division, sagte anläßlich der Vorstellung der Network Station, Big Blues NC werde eine schönere Benutzeroberfläche haben als traditionelle Terminals und es Benutzern erlauben, das World Wide Web sowie Java-Applikationen zu nutzen.

Der konzeptionelle Ansatz der NCs beruht - im Unterschied zur PC-Technologie - darauf, praktisch alle Softwarekomponenten, also das Betriebssystem, einen Internet-Browser, traditionelle kommerzielle Anwendungen sowie sogenannte Java-Applets, auf Server auszulagern. An diese sind die NCs angeschlossen.

Benutzer der Network Station haben Zugriff auf IBMs RS/6000-, AS/400- und S/390-Anwendungen. Bislang mußten Big Blues Kunden aus der S/390-Großrechnerwelt auf 3270-, die AS/400-Anwender auf 5250-und Benutzer aus der RS/6000-Umgebung auf ASCII-Terminals zurückgreifen.

Von der Hardwareseite her gesehen ist der Unterschied zwischen einem NC und einem PC zu vernachlässigen: Ein Standard-PC etwa mit Grafikdisplay, Netzwerkfunktionalität, TCP/IP-Protokoll-Stack, Tastatur, Maus und der Fähigkeit, mit einem Web-Server zu kommunizieren, entspricht der Definition der "Network Computer Reference Platform", die die Firmen IBM, Oracle, Apple, Sun und Microsoft entwickelt haben. Das sei, meint Sun-Manager Donatus Schmid, ja gerade der Charme der NC-Technologie: "Wenn sich heute jemand überlegt, die nächste Generation seiner Anwendungsumgebung auf Basis der Java-Technologie fahren zu wollen, muß er trotzdem nicht seine gesamte Infrastruktur ablösen."

IBMs Network Station wird noch dieses Jahr Konkurrenz durch Produkte von Oracle und Sun bekommen. Beide Unternehmen wollten bislang keine Details zu ihren NCs preisgeben. Bekannt ist lediglich, daß Oracles System mit einem RISC-Prozessor von ARM ("ARM 7500"), 4 bis 8 MB Arbeitsspeicher, einem SCART-Ausgang für den Anschluß eines TV-Gerätes und dem Oracle-eigenen "Power"-Browser anstelle von Netscapes Navigator ausgestattet sein wird. Die Larry-Ellison-Company wird unterschiedliche Modelle herausbringen: Neben einem Standard-"Desktop-NC" plant das Unternehmen einen "NC-TV" und einen "NC-Phone". Wie die Bezeichnungen besagen, sind die letzteren beiden Modelle vorzugsweise für den Privatbereich gedacht. Erste Modelle sollen binnen der kommenden drei bis vier Wochen vorgestellt werden. Sun wird sein "Java-Terminal" noch dieses Jahr auf den Markt bringen.

IBMs NC

- Power-PC-Prozessor "403"

- 4 bis 32 MB Arbeitsspeicher

- kann Windows-, Windows-NT-, OS/2-, Unix-, Java- und Host-basierte (S/390, AS/400, RS/6000) Applikationen bearbeiten

- optimierte Version des Navigator-3.0-Browsers

- Ports: Drucker, Audio, seriell, Maus, Tastatur

- PC-Card-Einschub

- keine Festplatte, kein Diskettenlaufwerk

- Größe: 20,3 x 25,4 x 3,2 Zentimeter (B x T x H)

- Preis: ohne Monitor 700 Dollar, mit Monitor rund 1000 Dollar