APL überwindet die Krisenphase innerbetrieblicher DV-Entwicklung

IBM-Philosophie: Make or buy - but pay

25.07.1980

Standardsoftware und Eigenentwicklung sind zwar Alternativen, sie schließen jedoch einander nicht aus; beide haben ihre klassischen, sich teilweise überschneidenden Einsatzgebiete. An dieser Erkenntnis hat sich für IBM seit Robert C. Kendalls Software-Untersuchung, deren Ergebnisse er 1977 auf dem GUIDE-Konvent in Atlanta vortrug, nicht viel geändert. Der Marktführer hat sein Softwareangebot von der "Make or Buy"-Fragestellung konsequent abgerückt; stattdessen läßt er den Anwender fragen: Soll Ich kaufen, meine DV-Leute in die Fachabteilungen schicken ("helfen") oder mit Tool-Unterstützung selbst entwickeln ("machen")?

IBM verlagert die Kernfrage weg von der Eigen- oder Fremdsoftware-Alternative hin zur "Wahlmöglichkeit" des Anwenders zwischen einem eigenbrötlerischen Weitermachen alten Stils und die je nach Situation einzusetzenden (IBM-)Softwarehilfen. IBM-Mitarbeiter Kendall (CHQ-Division, White Plains) - seine Untersuchungsergebnisse wirken bis in das heutige Marketingverhalten des blauen Riesen nach - eröffnete den GUIDE-Zuhörern damals, daß sich auf wirtschaftliche Weise mehr Rechnerkapazität erreichen lasse, wenn man nicht einfach alle, sondern nur wenige "richtige" Programme höchst individuell überarbeite/entwickle.

Kendalls im Feldversuch ermittelte Aussagen, daß zwei Prozent der Programme einer typischen Großanwendung die Hälfte der Rechnerlaufzeit, 50 Prozent der Programme, aber nur zwei Prozent dieser Laufzeit beanspruchten, legten die Konsequenz nahe, daß es lohnend sei, Programmen der einen Gruppe eine individuelle Behandlung mit aufwendigen Engineering-Tools zukommen zu lassen und für die andere Anwendungsgruppe Standardsoftware einzusetzen.

IBM hat die von Kendall wenig beachtete Zone zwischen "Kaufen" und "Machen" dann aufgefüllt durch "Helfen", was bedeutet, daß EDV-Abteilung und Fachabteilung eine bestimmte Anwendung gemeinsam entwickeln. Der Marktführer führt den Kunden oder Interessenten, der sich vor Probleme mit seinen "DV-Ressourcen" gestellt sieht, behutsam an die zu treffende Entscheidung heran: Die nun schon "historische" Entwicklung der Datenverarbeitung wird bemüht (Bild 1) und ein Vergleich von typischen Aufwandsverläufen bei alternativen Anwendungsentwicklungen (Bild 2). Dabei kommt dann die Alternative Kaufen am günstigsten weg; Prämissen werden nicht erläutert.

Install it now - program it later

In jedem Falle, erfährt der Kunde, ist es an der Zeit, etwas zu tun. Denn die Leistungsfähigkeit einer DV-Arbeitskraft von heute wird - IBM zeigt es in Bild 3 - in immer bedrohlicherer Weise von Wartungserfordernissen aufgezehrt. Zu welcher Lagebeurteilung der Kunde individuell auch kommen mag, IBM hält allemal eine Palette von Improvement-Tools bereit.

Schon Kendall hatte gesagt: "lnstall it now, program it later." Er, der die (relativ) vernachlässigbaren Kosten neuer Hardware bei der Entwicklung neuer Anwendungssysteme als Grundthese herausgearbeitet hatte, regte an, nur solche Aufgaben dem eigenen DV-Stab zu übertragen, die gleichzeitig rechnerintensiv und ausreichend langlebig sein würden.

Ansonsten sei es billiger, Maschinenzeit anstatt Programmierkapazität in Anspruch zu nehmen und sich dazu jeglicher neuer Technik zu bedienen. Kendall offerierte damals unter anderem die IBM-Produkte RPG, DMS und ADF. (Die letzteren beiden sind noch heute in IBMs Spezialangebot [siehe Bild 4].) Auf diese Weise habe der Anwender- so Kendall - bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine individuelle Systementwicklung sich als der wirtschaftlichere Weg erweise, die betreffende Anwendung genau kennengelernt, die Spezifikationen erheblich "gestrafft" und dabei trotzdem unter vermindertem Sachzwang, stattdessen mit Service-Unterstützung durch IBM gearbeitet.

Kaufen ist der produktivste Weg

Das heutige IBM-Angebot setzt die Kendallsche Tradition (erheblich erweitert) fort; APL - A Programming Language - ist immer dabei. Sechs Kriterien stellt IBM heraus, die der Interessent bei der Entscheidung "Kaufen/Helfen/Machen" beachten soll: Die Lebensdauer einer Anwendung, die Häufigkeit ihres Einsatzes und ihre Komplexität, die zur Verfügung stehenden Ressourcen und Werkzeuge und das angestrebte "Return on Investment".

Das Kaufen von Standardsoftware, nimmt IBM etwaige Untersuchungsresultate vorweg, ist "der produktivste Weg" (IBM-Aussage); Helfen ist "nach Kaufen die zweitbeste Möglichkeit", Machen schließlich der "traditionelle Weg der Entwicklung". Für jeden dieser Lösungswege bietet der Marktführer ein Tool-Set an. Das allgegenwärtige APL, einsetzbar auf /370-, 43XX- und 303X-Systemen, offeriert IBM als "klare Sprache"; denn "die Integration aller Benutzer innerhalb eines Unternehmens erfordert" eben eine solche.

IBM spielt damit auf die sogenannte dritte Phase innerbetrieblicher DV-Entwicklung an, deren Hauptmerkmale Anwendungsstau, Budgetknappheit und Verständigungsschwierigkeiten zwischen der EDV- und den Fachabteilungen sind. Hier sieht IBM für seine APL-Produkte einen Markt.

Das 1957 von Iverson entworfene und 1962 - damals war er schon IBM-Mitarbeiter - publizierte APL diente anfangs nur zur interpersonellen Kommunikation als Notation zum Beschreiben von Hardware und Algorithmen, wurde dann aber im Mensch-Maschine-Dialog eingesetzt. 1966 gab es das erste experimentelle, 1968 das erste kommerzielle APL-Timesharingsystem.

Mit seiner weiterentwickelten APL-Strategie zielt IBM darauf ab, sich die allgemein anerkannten Eigenschaften dieser universellen Programmiersprache zunutze zu machen: einfache Problembeschreibung, kurze Entwicklungs- und Testzeiten, großer Vorrat an fertigen Programmen. Einerseits sollen Endbenutzer dadurch in die Lage versetzt ,werden, an (ihren eigenen) Software-Entwicklungen kompetent und verantwortlich mitzuwirken; andererseits soll, da ein derart neues internes Informationssystem immer auch eine Managementaufgabe ist, APL den Betriebslenkern diese neue Anforderung erleichtern.

Zum Kennenlernen dieses neuen Lösungsansatzes bietet IBM die Dienste seiner Service-Rechenzentren an auch auf unbefristete Dauer. Wer dies nicht will, kann sich das Lizenzprogramm "VS APL" für CICS/VS VSPC, CMS und TSO zulegen und je nach Bedarf Standardpakete für Anwendungen allgemeiner Art (APL-Einweisung, Dateiauswertungen) für sein Planungs- und Berichtswesen oder für grafische Anwendungen erwerben. Eigenentwicklung oder Standardsoftware? Eine Frage - nicht nur der IBM- auch an unermüdliche Rad-Erfinder.