Ein Auge auf den zweitgrößten "Long-Distance-Carrier" geworfen:

IBM peilt 16-Prozent-Beteiligung bei MCI an

05.07.1985

NEW YORK/STUTTGART (cmd) - Die seit Monaten kursierenden Gerüchte haben sich bestätigt: IBM erwirbt - sofern die US-Behörden zustimmen - zunächst 16 Prozent an der MCI Communications Corp., dem zweitgrößten Telefonweitverkehrs-Anbieter in den Staaten und erhält die Option, diesen Anteil auf 30 Prozent aufzustocken.

Die von beiden Unternehmen unterzeichnete Grundsatzvereinbarung beinhaltet mehrere ineinandergreifende Transaktionen. Zum einen Kraft Big Blue 45 Millionen neue MCI-Stammaktien - bei dem derzeitigen Preis der Aktie von acht Dollar wären das etwa 360 Millionen Dollar - und sieben Millionen Optionsscheine zum Wert von 15 Dollar je Bezugsrecht. Damit ließe sich IBM seine jüngste Beteiligung im Kommunikationssektor rund 465 Millionen Dollar kosten.

Tatsächlich muß IBM jedoch viel tiefer in die Tasche greifen: Gleichzeitig übertragen die Armonker nämlich alle Anteile der Satellitenkommunikationsgesellschaft Satellite Business Systems Corp. (SBS) auf MCI und übernehmen darüber hinaus sämtliche Schulden der seit ihrer Gründung im Jahr 1974 Verluste produzierenden Gesellschaft in Höhe von 400 Millionen Dollar. Mit Ausnahme von drei Satelliten erhält MCI auch das gesamte Anlagevermögen der SBS.

Bevor auch dieser Teil der Vereinbarung umgesetzt werden kann, muß IBM zuvor die 40prozentige Beteiligung der Versicherungsgesellschaft Aetna Life + Casualty an der SBS erwerben. Dem Vernehmen nach haben die beiden Unternehmen bereits, von der Sache her alles unter Dach und Fach gebracht, dagegen wurde über die Kaufsumme, die IBM hinblättern muß, noch nichts bekannt. Es sickerte allerdings durch, daß Big Blue dem Versicherungskonzern neben Barem auch weitere Zahlungsgarantien gegeben habe, die vom Marktwert der MCI-Aktien zum Zeitpunkt der Fusion mit SBS abhängen. Branchenbeobachter in den Staaten gehen davon aus, daß die gesamte Transaktion den DV-Weltmarktführer mindestens eine Milliarde Dollar kosten wird. Voraussetzung ist allerdings, daß sowohl die Federal Communications Commission, die in den USA die Lizenzen für die Telefonnetze vergibt, als auch das Justizministerium dem Deal zustimmen.

Strategischer Schachzug

Der Einstieg von IBM bei MCI wird in den Staaten allgemein als "strategischer Schachzug" der Armonker gewertet. Damit verschaffte sich Big Blue gegen den Hauptkonkurrenten AT&T auf dem "Long-Distance"-Telefongeschäft eine gute Ausgangsposition im Carriergeschäft und das nicht nur in den USA, sondern auch in Europa, wo MCI in den vergangenen Monaten stärker Fuß gefaßt habe. Darüber hinaus sei die vorgesehene Einbindung von SBS in die MCI-Aktivitäten erfolgversprechender als unter den Fittichen von Mother Blue.

Es herrscht allerdings größe Skepsis, ob MCI sich langfristig den Übernahmegelüsten von IBM entziehen kann. Höchstwahrscheinlich laufe es ähnlich wie bei Rolm darauf hinaus, daß Armonk trotz aller Beteuerungen, es bei höchstens 30 Prozent der Anteile zu belassen, den Carrier über kurz oder lang ganz schlucke. Ein Argument, was dafür spreche, sei, daß Big Blue dringend seine bisher eher glücklosen Kommunikationsaktivitäten bündeln müsse, um endlich erfolgreich am Markt zu operieren. Eine zu unabhängige MCI stehe dem entgegen.

Für MCI bietet die neue Liaison mit dem Armonker Riesen zunächst aber einmal eine Chance, sich gegen den übermächtigen Konkurrenten AT&T, der rund 80 Prozent des Weitverkehrsmarktes in den USA beherrscht, zu behaupten. Wesentlich schwieriger dagegen ist die Situation der anderen kleinen Anbieter auf diesem Sektor wie GTE Spring oder Allent: Sie werden in der Branche bereits als die nächsten Übernahmekandidaten gehandelt.

Nicht zuletzt verschärft die Beteiligung der IBM an MCI aber auch den Machtkampf mit der AT&T - und das auf deren ureigenstem Feld. Es mag als Symbol gelten, daß Mother Blue sich ausgerechnet in ein Unternehmen einkauft, daß Mitte der siebziger Jahre als damaliger Newcomer erfolgreich das Bell-Monopol im "Long-Distance"-Telefonmarkt gebrochen hat. Die Börse reagierte denn auch umgehend auf die Absichtserklärung der beiden Unternehmen: Während die AT&T-Aktie weiter abfiel, legten die Notierungen von IBM und MCI zu.