Advanced Technology von Big Blue ist am Markt noch nicht angekommen:

IBM: PC-AT-Umsatz läßt zu wünschen übrig

04.10.1985

FRAMINGHAM (CWN) - Was von Big Blue als "Advanced Technology" bezeichnet wird und in Form des PC AT und ganzer Heerscharen kompatibler Rechner seinen Weg zum Anwender finden soll, ist am Markt noch nicht angekommen. Diesen Schluß ziehen zumindest Händler und Branchenbeobachter in den USA aus den abflachenden Umsätzen, die mit dem AT und ähnlichen Rechnern gemacht werden.

Während der Markt die Möglichkeiten dieser Maschinen noch nicht honoriert, bereitet Intel bereits den nächsten Technologiesprung vor: Am 18. Oktober soll der 80386-Mikroprozessor vorgestellt werden, den IBM als Basis eines Super-PC auserkoren haben soll. Der neue (Multitasking-)Prozessor wird nicht nur doppelt so schnell sein wie der Chip, der gegenwärtig im AT seinen Dienst tut, sondern auch einen virtuellen Speicher unterstützen.

Auf den Markt kommen wird der Super-PC allerdings erst Mitte 1987. So ist es denn kaum verwunderlich, daß die Branche von IBM erwartet, in der Zwischenzeit die Software-Industrie zur Unterstützung des im AT heute eingesetzten Prozessors zu ermuntern. Das Fehlen von Software nämlich scheint für den jetzt enttäuschenden AT-Absatz verantwortlich zu sein. Nach seiner Vorstellung im August 1984 konnte sich Big Blue vor Aufträgen kaum retten, mittlerweile aber ist die erste Euphorie verflogen.

Nach Angaben von Händlern werden ATs nicht als kleine Mehrplatzsysteme verkauft, sondern als leistungsfähige Stand-alone-Workstations. Die Ursache: Kaum ein Software-Anbieter hat bisher Mehrplatzsoftware unter Xenix geschrieben.

Ungenutzt blieb damit auch der gegenüber PC-DOS und dem PC erheblich größere nutzbare Arbeitsspeicher. Meint Ken Lim von Dataquest Inc.: "Die 286-Maschinen wurden zunächst gekauft, weil sie eben da waren, was man am besten kaufen sollte. Jetzt stellen die Leute fest, das es nichts gibt, was man mit diesen Maschinen tun könnte. Es gibt keine Software. Der AT ist schlichtweg nichts anderes als ein großer und fetter PC".

Auch andere auf dem 80286 basierende Maschinen stehen vor diesem Problem. Der bei Compaq für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Vice-President Jim D'Arezzo etwa stellt fest, daß die neue Technologie kaum akzeptiert werde, bevor nicht volle Kompatibilität zu den weniger leistungsfähigen Mikros der PC-Klasse geschaffen sei und für den 80286 geschriebene Software zur Verfügung stünde.

Selbst bei Intel räumt man ein, daß die fortschrittlichere Technologie noch nicht angenommen wird. "Vom AT gibt es 175 000 Installationen, vom PC und XT rund vier Millionen. Die Software-Entwickler entwerfen ihre Programme nun mal für die installierte Basis", sagt ein Intel-Manager, der nicht genannt werden möchte.

Möglicherweise auch um den Entwicklungsstau aufzulösen, wird IBM nach Meinung von Händlern und einigen Beobachtern Anfang kommenden Jahres eine weitere 80286- Maschine vorstellen, die billiger als der AT sein soll.