IBM: Ostdeutsche Manager fuer Wettbewerb fit machen

01.09.1995

Mit dem Programm "Ostdeutsche Manager" schult IBM seit drei Jahren Fuehrungskraefte in den neuen Bundeslaendern. Das auf Initiative des frueheren BDI-Praesidenten Tyll Necker und damaligen Europa-Chefs des IT-Konzerns Hans-Olaf Henkel entwickelte Help-Programm scheint bei den Ostdeutschen gut anzukommen. Ueber Sinn und Zweck dieser "Hilfe-zur- Selbsthilfe"-Aktion sprach CW-Redakteurin Monika Schalwat mit Hans-Werner Richter, Geschaeftsfuehrer der IBM Deutschland.

CW: Seit der Wende ist Ihr Unternehmen in den neuen Laendern aktiv. Mit dem Aufbau von Niederlassungen, Vertriebskanaelen etc. haben Sie auch einen neuen Markt hinzubekommen.

Richter: Die ersten Kontakte mit ostdeutschen Firmen hatte die IBM schon zu Vorwendezeiten. Allerdings betreute damals die Wiener Niederlassung noch den gesamten Ostblock. In den neuen Laendern sind wir 1990 direkt vor Ort.

CW: Seit drei Jahren kuemmert sich Ihr Konzern auch um die Ausbildung ostdeutscher Fuehrungskraefte in kleinen und mittleren Firmen.

Richter: Sie meinen das Ausbildungskonzept "Ostdeutsche Manager". Das Programm - initiiert von Tyll Necker und Hans-Olaf Henkel - ist zu einem festen Bestandteil unserer Aktivitaeten in den neuen Laendern geworden.

CW: Mit dem Programm soll das Management der Ostfirmen fuer den harten Wettbewerb fit gemacht werden?

Richter: Sagen wir mal so: Die IBM moechte damit Hilfe zur Selbsthilfe leisten und gleichzeitig das eigene Know-how den ostdeutschen Anbietern zur Verfuegung stellen.

CW: Auch nach fast sechs Jahren einig Deutschland brauchen die ostdeutschen Firmen noch immer Hilfe, um auf die Beine zu kommen?

Richter: Ganz so ist es nicht. Die Unternehmen im Osten haben bereits nach kurzer Zeit die Mechanismen der freien Marktwirtschaft akzeptiert und setzen diese erfolgreich ein. Groesstenteils sind sie in der Lage, selbstaendig am Markt zu operieren. Das gilt fuer den betriebswirtschaftlichen Aspekt genau so wie fuer die IT-Belange.

CW: Warum dann diese Kurse? Wollen sich Initiatoren solcher Aktionen damit neu beweisen?

Richter: Ich glaube kaum. Was die IBM betrifft, so moechten wir damit die Verbundenheit zu ostdeutschen Herstellern und Kunden verstaerken. Florierende Firmen sind fuer uns auch langfristig gute Geschaeftspartner.

CW: Was wird den Teilnehmern in den drei Monate dauernden kostenlosen Seminaren geboten?

Richter: Es geht unter anderem um strategische Unternehmensfuehrung und Themen wie Marketing, neue Arbeitsmethoden sowie Finanzen und Controlling.

CW: Doch wohl auch um DV-Wissen ...

Richter: Keine Frage. Gerade moderne IuK-Systeme spielen eine grosse Rolle in der Ausbildung, vor allem in Hinblick auf die kuenftige weltweite Kommunikation ueber Netzwerke.

CW: Stichwort Zertifizierung: Am Ende der Ausbildung erhalten die Teilnehmer eine Urkunde.Welchen Wert hat das Papier fuer sie?

Richter: Das Zertifikat beweist, dass der Absolvent mit den modernsten Management-Techniken vertraut und fuer den eigenen Betrieb besser qualifiziert ist.

CW: Es scheint etwas verwunderlich, dass gerade IBM, selbst noch nicht aller Sorgen enthoben, andere Firmen moderne Fuehrungspraktiken lehren will.

Richter: Das duerfen Sie nicht vermischen. Natuerlich hatten wir Schwierigkeiten und mussten unsere Organisation straffen. Mit dem Abbau von Personal sowie veraenderten Strukturen sind wir jetzt naeher am Kunden dran. Diese Erfahrungen koennen doch fuer andere Wettbewerber nur von Nutzen sein.

CW: Es ist zwar erfreulich, wenn das deutsche Management in Ost und West auf dem neuesten Stand ist. Was nutzt es der heimischen Wirtschaft, wenn deutsche Firmen im Ausland produzieren?

Richter: Sie sprechen hier zwei Themen an. Zum einen die Frage des Standorts, zum anderen die sogenannte Food-chain - die technologische Nahrungskette und Abhaengigkeit von Schluesseltechnologien. Beim Produktionsstandort sind sicher solche Auflagen wie Steuern, Umwelt und Wirtschaftsfoerderung von Bedeutung. Die hohen Investitionen koennen von einem Unternehmen alleine heute nicht mehr getragen werden. Fuer Dienstleister sind Lohnnebenkosten und Flexibilitaet der Arbeitszeit entscheidend.

CW: IBM ist Produzent und Dienstleister gleichzeitig ...

Richter: Das ist richtig, doch wir waren schon immer ein Unternehmen in einem internationalen Verbund. In eine ueberwiegend nationale Rolle sind wir nie gekommen. Bei der Entwicklung und Produktion unserer Geraete und Systeme kooperieren wir mit vielen Herstellern in anderen Laendern.

CW: Ein Vorteil des Marktfuehrers ?

Richter: Nicht nur: Beim globalen Wettbewerb geht es um

"Time to market" und ob der IT-Anbieter in der Lage ist, die Wuensche des Kunden zu erfuellen. Kurz: Wird das Problem des Anwenders verstanden, dann sind raeumliche und zeitliche Naehe von beiden ein Vorteil. Doch noch eins ist zu beachten: Die IT-Branche hat in Deutschland und Europa an Boden verloren. Mit Initiativen wie dem Jessi-Projekt der Europaeischen Union oder Kooperationen wie zwischen Siemens, Toshiba und IBM bei der Chipproduktion koennten Rueckstaende aufgeholt werden.

CW: Wie sieht sich Ihr Konzern kuenftig in der grossen Anbieterriege?

Richter: Als Architekt, Lieferant und Integrator der IT-Branche. Dafuer haben wir eine schlagkraeftige und globale Struktur etabliert.

Ein halbes Jahr nach ihrer Einfuehrung wird diese Strategie von fast allen Kunden akzeptiert und honoriert.

CW: Also geht IBM mit neuen Ideen und Visionen auf Erfolgskurs.

Richter: In erster Linie leiten uns die sechs strategischen Saetze von Lou Gerstner. Der erste besagt, dass wir innovative Technologien schneller und kostenguenstiger in den Markt bringen muessen als die Konkurrenz. Was die Visionen betrifft: In vielen Teilmaerkten sind wir fuehrend, und in den anderen wollen wir es werden.