Deutsche Tochter führt 725 Millionen Mark an Mother Blue in Armonk ab:

IBM-Neugeschäft stützt sich auf OEM-Speicher

25.04.1986

STUTTGART/MÜNCHEN (CW) - Verglichen mit den Ergebnissen der US-Mutter steht die IBM Deutschland GmbH nach dem Geschäftsjahr 1985 nicht schlecht da. Das Neugeschäft stieg - nicht zuletzt wegen guter OEM-Geschäfte im Speichermarkt - kräftig an. Dafür bieten die Umsätze mit mittleren Systemen und den PC dem IBM-Management wenig Anlaß zur Freude.

Auf 13,23 Milliarden Mark und damit um satte 17,3 Prozent ist der Umsatz der deutschen Filiale von Big Blue im Jahr 1985 gestiegen. Die kräftigsten Steigerungsraten weist der Geschäftsbericht im Bereich Verkauf Inland und bei den Dienstleistungen aus. Auf dem deutschen Markt kauften die Anwender letztes Jahr IBM-Produkte für 5,37 (4,07) Milliarden Mark, was einem Zuwachs von 31,8 Prozent entspricht. Allerdings hat sich die Stuttgarter Tochter durch stark rückläufige Einnahmen aus dem Umwandlungsgeschäft (Verkauf vermieteter Anlagen) die Prozentrate vermasselt. Das Neugeschäft sei nämlich, so der IBM-Geschäftsführer Lothar Sparberg, um 45 Prozent besser gelaufen als 1984. Nach Berechnungen der COMPUTERWOCHE sackte das Gebrauchsgeschäft um etwa die Hälfte auf eine knappe viertel Milliarde Mark.

Woher die hohen Verkaufsumsätze stammen, verraten die offiziellen IBM-Zahlen allerdings nicht. Nach der Diebold-Statistik für das abgelaufene Kalender- und damit IBM-Geschäftsjahr hat Big Blue nämlich nur bei wenigen Rechnerklassen die Zahl der Installationen erhöht. In der

Baureihe 4300 zählten die Marktforscher am 1. Januar 1986 von allen Typen außer der 4361 und der 4381 weniger Geräte bei den Anwendern als am Stichtag 1. Januar 1985. Bei den beiden genannten Rechnern wuchs der Bestand auf gut das Doppelte oder 515 Systeme. Von den 308X-Computern gewann im wesentlichen das Modell 3084 an Beliebtheit. Außerdem fiel für die Stuttgarter im vorigen Geschäftsjahr dadurch ein dicker Brocken ab, daß Großanwender 30 der neuen 3090-Systeme noch vor Jahreswechsel orderten.

Bei den PC erfüllten sich die Erwartungen nicht. Darüber können auch die angegebenen Zuwachsraten (40 Prozent bei der Menge und 60 Prozent beim Umsatz) nicht hinwegtäuschen. Äußerungen von Sparberg und von seinem designierten Nachfolger und jetzigen Vize, Hans-Olaf Henkel, lassen darauf schließen, daß sich IBM mehr erhofft hatte. Die deutschen Kunden seien eben sehr anspruchsvoll, sprich: Sie treffen keine übereilten Kaufentscheidungen.

Auf ein sehr lukratives Geschäft der IBM geht der Geschäftsbericht überhaupt nicht ein, nämlich auf den Speichermarkt. So ist Big Blue bei den Plattenspeichern in Dünnfilmtechnik marktbeherrschend. Wer sich nicht direkt bei IBM versorgt, kauft die gleichen Geräte bei Siemens, dem großen OEM-Kunden der Stuttgarter. Nach Ansicht von Branchenkennern baut der Konzern hier ein Standbein auf, das mit dem klassischen Betätigungsfeld, nämlich dem Beliefern der Anwender mit möglichst kompletten Rechenanlagen nicht mehr viel zu tun hat.

Im Dienstleistungsgeschäft verbesserte sich IBM nur um knapp 16,4 Prozent auf 2,17 Milliarden Mark. Damit liegt der Umsatzanteil des Bereiches Service in der Bundesrepublik bei 16,5 Prozent; in den USA schwemmt diese Sparte 31,7 Prozent der Einnahmen in die Kasse (bezogen auf das erste Quartal 1986). Wie erwartet gingen auch die Vermietungen kräftig zurück: Einschließlich des Leasingumsatzes brachte dieser Bilanzposten der IBM Deutschland GmbH 704 Millionen Mark ein, 1984 war es noch gut eine Milliarde gewesen.

Der Export, also die Belieferung der ausländischen IBM-Gesellschaften, hat dagegen eine ausgesprochen positive Entwicklung genommen. Er kletterte um 15,2 Prozent auf 4,98 Milliarden Mark. Der Überschuß, den die GmbH 1985 erwirtschaftete, beträgt 852 Millionen Mark; er wuchs damit wie der Umsatz um 17,3 Prozent. Die US-Mutter erhält als Ausschüttungssumme 725 Millionen Mark, was etwa dem Gewinnvortrag des Vorjahres entspricht.

Ob die kommenden Jahre allerdings eine Fortsetzung des positiven Trends bringen werden, scheint selbst IBM-Insidern fraglich zu sein. Die Entwicklung in den USA, die Big Blue eine Stagnation des Neugeschäfts gebracht hat, wird nämlich erfahrungsgemäß in absehbarer Zeit auf dem deutschen Markt nachvollzogen werden.