Armonker wollen bis 2005 Rechner für 3,6 Milliarden Dollar beziehen

IBM lässt Server von Sanmina-SCI fertigen

17.01.2003
MÜNCHEN (CW) - IBMs schleichender Abschied von der Hardwarefertigung geht weiter. Nachdem vor einem Jahr Sanmina-SCI größtenteils die Produktion der PC-Reihe "Netvista" übernommen hat, übertragen die Armonker nun auch die Herstellung von Servern der X-Series an den Auftragsfertiger.

Die IBM-Verantwortlichen forcieren die Metamorphose von einem Computerhersteller zu einer IT-Serviceorganisation. Jüngster Schritt in diese Richtung ist die Beauftragung der kalifornischen Sanmina-SCI, die in den nächsten drei Jahren Rechner im Gesamtwert von 3,6 Milliarden Dollar für IBM produzieren soll. Das in San Jose ansässige Unternehmen, das über Fertigungsstätten in aller Welt verfügt, wird Intel-basierende E-Server der X-Series sowie Workstations der Marke "Intellistation" für IBM fertigen.

Den bislang bekannt gewordenen Details zufolge betrifft die Vereinbarung alle Ein- bis Vier-Wege-Rechner der X-Series-Reihe. Ausgenommen sind jedoch Highend-Modelle vom Typ "X-Series 440" sowie Blade-Server. Neben der Rechnerproduktion übernimmt der Auftragsfertiger auch die Distribution von Zubehör wie Netzteilen oder Monitoren für Netvista-PCs, Thinkpad-Notebooks und X-Server, erklärte IBM-Sprecherin Nancy Kaplan.

Als weiteren Teil des Abkommens will Sanmina-SCI Produktionsstätten von IBM übernehmen. So wird der Anbieter von Electronic Manufacturing Sevices (EMS) künftig die Werke im schottischen Greenock sowie in Guadalajara in Mexiko betreiben. Den 1050 betroffenen IBM-Mitarbeitern würden Stellen bei Sanmina-SCI angeboten, heißt es in einer offiziellen Mitteilung des Unternehmens. Eine Garantie dafür, dass die Arbeitsplätze langfristig erhalten bleiben, gibt es nach Meinung von Insidern jedoch nicht. Angesichts des zunehmenden Kostendrucks und des härter werdenden Wettbewerbs bestehe immer die Gefahr, dass Werke geschlossen, die Produktion verlagert und Mitarbeiter auf die Straße gesetzt würden. Diese Strategie bekamen im vergangenen Jahr beispielsweise die 400 Sanmina-SCI-Mitarbeiter im niederländischen Heerenveen zu spüren. Im August 2002 kündigte das Unternehmen an, das Werk für die PC-Fertigung stillzulegen und die Produktion der dort gefertigten HP-Rechner nach Osteuropa zu verlagern.

Für IBM ist der Schritt, Teile seiner Hardwarefertigung abzugeben, nach Einschätzung von Experten durchaus sinnvoll. Gerade im Geschäft mit günstigen Lowend-Servern seien angesichts der zunehmenden Konkurrenz beispielsweise von Seiten Dells oder HPs die Margen im Laufe des letzten Jahres kontinuierlich kleiner geworden. Das Outsourcing der Produktion lohne sich nach Ansicht der IBM-Verantwortlichen eher, als selbst zu versuchen, die Fertigungskosten zu reduzieren. Für Robert Moffat, Senior Vice President für das interne Supply-Chain-Management (SCM) bei IBM, bedeutet der Deal mit Sanmina-SCI einen klaren Wettbewerbsvorteil. Damit verbesserten sich die Effektivität, die Flexibilität sowie die Geschwindigkeit, mit der man auf Kundenbedürfnisse reagieren könne, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme.

Laut Moffat ist es 2002 gelungen, durch Outsourcing und andere Maßnahmen die Kosten für Produktion und Beschaffung um rund fünf Milliarden Dollar zu senken. Dieser Betrag sei auch für das laufende Jahr die Messlatte, an der sich der Konzern orientiere. Spekulationen, IBM werde künftig auch Server der I-, P- und Z-Series von externen Dienstleistern fertigen lassen, wollte Moffat indes nicht bestätigen.

Parallel zum Sanmina-SCI-Geschäft haben die Armonker eine auf drei Jahre befristete Vereinbarung mit der Firma Solectron geschlossen, wonach der EMS-Anbieter IBMs weltweites Geschäft für Asset Recovery Services übernehmen soll. Dieser Bereich nimmt geleaste Rechner und andere IT-Geräte zurück, überarbeitet diese und verkauft sie weiter. Solectron wird im Rahmen des 120-Millionen-Dollar-Deals ein IBM-Werk in North Carolina mit rund 250 Mitarbeitern kaufen.

IBM-Kunden werden von beiden Deals nichts spüren, prognostiziert Gartner-Analyst Brian Gammage. Spekulationen, Big Blue werde sich nach Abgabe der PC-Produktion ganz aus dieser Sparte verabschieden, hätten sich nicht bewahrheitet. Das Gleiche gelte für die jüngst abgeschlossenen Deals. IBMs Hauptinteresse bestehe darin, die operativen Kosten zu drosseln, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Laut Einschätzung von International Data Corp. (IDC) haben die Auftragsfertiger generell gute Chancen auf steigende Umsätze. Sie und die so genannten Original Design Manufacturers (ODMs) hätten sich im Jahr 2001 rund 20 Prozent des Gesamtmarktes für Elektronik- und IT-Geräte gesichert. Die Umsätze betrugen vor zwei Jahren 560 Milliarden Dollar. Bis 2006 wird der Anteil dieser Anbieter auf rund 27 Prozent steigen, schätzt IDC-Analyst Kevin Kane. Marktführer in der EMS-Sparte sind Flextronics, Solectron und Sanmina-SCI, die mit Marktanteilen zwischen zehn und 15 Prozent dicht beieinander liegen.

Fertiger spüren Kostendruck

In ihren Prognosen sind sich die Marktforscher jedoch nicht einig. So habe die allgemeine IT-Flaute auch die EMS-Sparte hart getroffen, da die großen IT-Firmen den auf ihnen lastenden Kostendruck an die Fertigungsunternehmen weitergegeben hätten, erklärt John Tuck vom "Manufacturing Market Insider". Demnach verzeichnete die Branche 2001 gegenüber dem Vorjahr einen Umsatzrückgang von 6,5 Prozent auf rund 78 Milliarden Dollar. Die Folge sei eine verstärkte Konsolidierung auf Anbieterseite gewesen. Beispielsweise entschlossen sich im Juli 2001 die Firmen Sanmina und SCI zu einer Fusion. Einen Monat zuvor hatte Celestica den in Singapur ansässigen Wettbewerber Omni für 890 Millionen Dollar übernommen. Im August 2001 schluckte Solectron für 2,7 Milliarden Dollar den kanadischen Konkurrenten C-Mac. Dieser Trend dürfte sich nach Einschätzung der Marktbeobachter 2003 fortsetzen. (ba)

Die Firmen im Rücken der IT

Das Beziehungsgeflecht zwischen den großen IT-Namen und den Auftragsfertigern ist undurchsichtig. Kein Computerkonzern wie IBM, HP oder Sun verlässt sich auf einen einzigen Electronic-Manufacturing-Service-(EMS-)Anbieter. Schließlich will man Abhängigkeiten vermeiden und auf Marktanforderungen flexibel reagieren können. Auf der EMS-Seite scheuen die Verantwortlichen ihrerseits davor zurück, sich allein auf einen Auftraggeber zu konzentrieren. Um möglichen Abhängigkeiten und daraus resultierenden Preiskämpfen zu entgehen, versuchen die externen Fertiger, mit möglichst vielen IT-Unternehmen ins Geschäft zu kommen.

So arbeitet IBM neben Sanmina-SCI auch mit Solectron zusammen. Hewlett-Packard lässt Rechner bei Flextronics und Solectron fertigen. Beide Auftragsfertiger wiederum haben auch Verträge mit dem Handy-Hersteller Ericsson. Celestica baut Server für Sun und NEC. Neben Computerfirmen sind auch Anbieter von Mobiltelefonen und Netzausstattung Kunden bei EMS-Firmen. Unternehmen wie Cisco, Nortel und Lucent auf der Netzseite sowie Siemens, Ericsson und Motorola lassen große Teile ihres Angebots bei den Auftragsfertigern produzieren. Außer der Herstellung von Geräten bieten Firmen wie Flextronics, Solectron, Celestica und Sanmina-SCI auch Services wie Distribution und Reparaturen an. So hat beispielsweise Celestica erst kürzlich alle Reparaturdienstleistungen sowie die damit verbundene Logistik des Handheld-Herstellers Palm übernommen.