Benutzervereinigung GSE kritisiert Preismodelle für Mainframe-Software

IBM-Kunden fordern Transparenz

06.06.2003
Kostendruck versus Innovationsbedarf lautete das Motto auf der Jahrestagung der IBM-Anwendervereinigung Guide Share Europe (GSE). Zwar stellt Big Blue mit den neuen "Z990"-Mainframes Einsparungen in Aussicht. Doch die berüchtigten "Terms and Conditions" für die Softwareabrechnung werden immer undurchsichtiger, kritisiert GSE-Region-Manager Christoph Laube im Gespräch mit CW-Redakteur Wolfgang Herrmann.

CW: IBM verspricht mit den Optionen für Capacity on Demand auf den neuen Z990-Großrechnern erhebliche Kostenvorteile. Beispielsweise könne die erworbene Rechenkapazität einer Maschine um bis zu 40 Prozent unter der ermittelten Spitzenlast liegen, weil Kunden bei Bedarf Prozessoren zu- und wieder abschalten können. Wie realistisch sind solche Werte?

LAUBE: IBM beschreibt eine Idealsituation, in der sich die neuen Angebote besonders gut rechnen. In der Praxis aber stellt sich schon heute kein Unternehmen mehr einen Rechner hin, der sämtliche Lastspitzen abdeckt. In der Regel reicht die installierte Rechenkapazität für 90 Prozent der Fälle aus. In den restlichen zehn Prozent hilft man sich mit allerhand Tricks, um die noch benötigten Ressourcen aus der Maschine herauszukitzeln oder freizuschaufeln. Wenn man etwa weiß, wann solche Spitzen auftreten - und den meisten IT-Verantwortlichen ist das bekannt -, dann lässt man zu dieser Zeit eben bestimmte Anwendungen nicht laufen. Insofern sind die genannten 40 Prozent sicher zu hoch gegriffen.

CW: Es gibt aber auch unvorhersehbare Lastspitzen, beispielsweise im Online-Aktienhandel.

LAUBE: Je mehr ein Unternehmen im Internet Geschäfte abwickelt und weltweit Produkte anbietet, desto weniger lässt sich der zu bewältigende Workload einer Maschine vorhersagen. Die GSE hat schon vor Jahren Angebote von IBM gefordert, die die Softwaregebühren nicht mehr auf der Grundlage einer hohen Maximalkapazität kalkulieren. Das gilt nicht nur für IBMs eigene Softwarelizenzen, sondern ebenso für alle anderen Softwareanbieter. Wenn die nicht mitspielen, funktioniert das System nicht.

CW: In der Vergangenheit haben sich gerade die Independent Software Vendors (ISVs) gegen eine flexiblere und von der tatsächlichen Rechnernutzung abhängige Preisgestaltung gesträubt. Als IBM im November 2000 die "Workload License Charge" (WLC) einführte, galt stets Computer Associates (CA) als böser Bube, andere Anbieter zögerten ebenfalls mit passenden Offerten.

LAUBE: CA war immer ein besonderes Problem, das berichten die GSE-Mitglieder weiterhin. Das Management steht auf dem Standpunkt: Solange es nicht offiziell möglich ist, die Rechnernutzung exakt zu messen, müssen wir auch nichts ändern. Und IBM hat ja tatsächlich das ursprünglich angekündigte Mess-Tool "Workload Licensing Manager" nicht auf den Markt gebracht. Die meisten anderen Hersteller ziehen dazu allerdings andere Werte heran, beispielsweise die SMF-Sätze (SMF = System Measurement Facility), anhand derer sich die CPU-Nutzung einzelner Anwendungen zumindest grob bewerten lässt. In der Praxis wird die Nutzung häufig einfach geschätzt.

CW: Warum klappt es dennoch nicht so recht mit der nutzungsabhängigen Abrechnung?

LAUBE: Die GSE hat schon immer von IBM verlangt, das Software-Pricing einfacher zu gestalten. Diese Forderung ist bis heute nicht erfüllt. Im Gegenteil: Es ist noch komplizierter geworden.

CW: Die IBM-Managerin Marcy Nechemias empfiehlt IT-Verantwortlichen, das Thema permanent zu verfolgen, da IBM immer wieder Konditionen und Abrechnungsmodelle verändere. Ist das für Kunden noch nachvollziehbar?

LAUBE: Wir haben innerhalb der GSE schon einmal diskutiert, ob es sich für Unternehmen möglicherweise rechnet, jemanden einzustellen, der nichts anderes tut, als das IT-Verhalten eines Großrechners so auszurichten, dass es möglichst wenig kostet. Dieser Experte müsste mit sämtlichen Preisoptionen vertraut sein und würde dann immer im richtigen Moment Prozessoren zu- oder abschalten. Wir waren uns damals einig: Wenn die Installation eine bestimmte Größenordnung erreicht, dann rechnet sich so ein Spezialist. Das ist leider die Realität.

CW: Warum schafft es IBM nicht, die Preismodelle durchschaubarer zu machen?

LAUBE: Es gibt für IBM ein Problem, das nicht einfach zu lösen ist: Einerseits wollen die Kunden möglichst einfache Preissysteme. Andererseits fordern sie Gerechtigkeit, das heißt ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis für sehr unterschiedliche Situationen. Bei kleinen Kunden sieht so etwas ganz anders aus als bei Großanwendern. Diese Konstellationen mit einem simplen Schema abzudecken ist schwer. Irgendwann muss IBM sagen: Wir können es nicht jedem recht machen. Allerdings gäbe es auch die Möglichkeit, das System insgesamt einfacher zu gestalten, gleichzeitig aber mehr individuelle Vereinbarungen mit Kunden zu treffen.

CW: Aber solche Regelungen sind doch längst gängige Praxis.

LAUBE: Individuelle Verträge gibt es in allen Bereichen und in allen denkbaren Varianten. Allerdings kommt dann auch oft der Verdacht auf, es gehe um Teppichhandel. Je weiter man sich von Listenpreisen oder allgemeinen Bedingungen entfernt, desto stärker setzt man sich dieser Kritik aus.

CW: Könnte es sein, dass die IBM je nach Geschäftslage an der einen oder anderen Stellschraube im Preissystem dreht, um die Einnahmen in ihrem Sinne zu steuern?

LAUBE: Dafür gibt es ja historische Beispiele. Vor zirka zehn oder 15 Jahren brauchte IBM Geld und schickte seine Vertriebsleute los. Sie sollten den Kunden schmackhaft machen, das Betriebssystem MVS zu kaufen statt wie bisher zu mieten. Das sei auf lange Sicht billiger. Viele Kunden haben sich darauf eingelassen. Zum Wechsel ins Jahr 2000 traten die ersten Probleme auf. Um stets eine aktuelle Betriebssystem-Version zu erhalten, hätte man die Software neu kaufen müssen, was viele unterlassen haben. Mit den teilweise veralteten MVS-Systemen aber geriet der Jahrtausendwechsel zum teuren Mammutprojekt. Im Nachhinein muss man konstatieren: Hier hat IBM die Kunden schlecht beraten.

CW: Hat sich Big Blue gebessert?

LAUBE: Nein, das ist noch immer so. In der IT gilt für die meisten Unternehmen der Grundsatz: Never touch a running system. Wenn die IBM aber eine neue Software fördern will, um damit vielleicht neue Hardware zu verkaufen, werden halt interessante Angebote gemacht. Sehr beliebt sind dabei Bundling-Angebote: Denn erstens ist der einzelne Preis dann nicht mehr so transparent. Zweitens kann man dem Kunden auf diese Weise leichter Dinge verkaufen, die er nicht wirklich braucht.