IBM: Kooperation statt Konfrontation

17.12.1982

Als gnadenlos bezeichnete Ludwig Poullain in einem Fernsehinterview die Lage in der Unterhaltungselektronik. Der Ex-Bankier wollte damit unter anderem den beabsichtigten Verkauf des Grundig-Konzerns an die französische Thomson-Brandt-Gruppe begründen. Nur durch den nach wie vor umstrittenen Zusammenschluß der beiden Konzerne könne einer japanischen Invasion getrotzt werden.

Ob nun die Übernahme des Familienkonzerns von Max Grundig durch den staatseigenen Multi aus dem sozialistischen Frankreich zustande kommt oder nicht, die Parole lautet jedenfalls "Kampf gegen die Invasion aus Japan".

Daß die Parole statt Konfrontation auch Kooperation lauten kann und dies vermutlich sinnvoller ist, zeigt ein Ereignis, das sich in Japan zugetragen hat. Ende Oktober dieses Jahres einigte sich eine regierungsamtliche japanisch-amerikanische Arbeitsgruppe über den Austausch von Zukunftstechnologien bei ihrer dritten Gesprächsrunde

auf Empfehlungen für "Grundregeln für Wettbewerb auf diesem konfliktträchtigen Sektor". Obwohl sich die transpazifische Kooperation bei zukunftsorientierten Hochleistungstechnologien erst in zarten Umrissen abzeichnet, soll es unter anderem um die Frage direkter und indirekter Staatsförderung essentieller technologischer Forschung sowie der Teilhabe ausländischer Firmen an nationalen Fördermitteln gehen.

Und an diesem Punkt wird das japanische Ereignis zu einer Sensation in der Computerszene. Denn als solche darf wohl der Schritt bewertet werden, den der weltgrößte Computerkonzern getan hat: IBM fragte beim "größten Marktinformationszentrum der Welt", dem japanischen Ministerium für internationalen Handel und Industrie (MITI) an, ob der amerikanische Computergigant beim nationalen Forschungskartell für die "fünfte Computergeneration" zugelassen werden könne. Dabei soll es nicht um die Integration der japanischen IBM-Tochter in das vom MITI organisierten Zwangsforschungskartell gehen, sondern um eine organisatorische Einbindung der amerikanischen Konzernzentrale von IBM.

Vordergründig könnte man annehmen, daß sich IBM zu diesem Schritt entschloß, weil der Computerriese seinen bisherigen Technologievorsprung verloren hat. Untermauert wird diese Vermutung durch die japanischen Erfolge bei Supercomputern. Schließlich haben Japans Marktführer Fujitsu und Hitachi mit dem Facom VP-2000 beziehungsweise Hitac S-810 die gegenwärtig schnellsten Datenverarbeitungsgeräte vorgestellt und sind damit der US-Konkurrenz (Cray 1 und Cyber 205) davongeeilt.

Eher dürfte aber das Argument zutreffen, daß selbst für den größten Computerhersteller der Welt die immensen Entwicklungs- und Forschungskosten sowie Risiken der nächsten Computergeneration zu hoch werden - und dabei ist es gleichgültig, ob man technologisch führt oder geringfügig hinterherhinkt. Eher dürfte das Argument zutreffen, daß man der geballten japanischen Technologiemacht nicht im Alleingang - sei es als Unternehmen, sei es als Nation oder gar als europäische Lösung - entgegentreten kann, es sei denn in Form eines lückenlosen Protektionismus, und der funktioniert trotz Frankreich und trotz EG nicht.

Schließlich entscheidet die Computertechnologie inzwischen nicht nur über militärische Stärke sondern über die Fertigungstechnologie praktisch aller Schlüsselindustrien und damit über die Gesellschaft von morgen. Sie ist also zu wichtig geworden, als daß man sich in den westlichen Industriestaaten gegenseitig weiter den Wirtschaftskampf ansagen kann. Vielmehr sollte man gemeinsam die mit den nächsten Computergenerationen auftretenden (insbesondere sozialen) Probleme bewältigen. Offenbar also ein nachahmenswerter Schritt von Mother Blue, die Kooperation mit Japan, statt wie in der europäischen Unterhaltungselektronik die Konfrontation, zu suchen, und damit die technologische Führungsposition der Japaner und Amerikaner zu zementieren. FREDERIK REHMS