NAS prophezeit eine fortschreitende De-facto-IBM-Standardisierung der DV-Welt:

IBM-Kontinuität bestimmt den PCM-Wachstumspfad

27.02.1981

CW-Bericht, Jochen Ewe

MÜNCHEN - Der Markt der IBM-kompatiblen Hersteller (PCM-Markt) wird in den 80er Jahren schneller wachsen als der Gesamt-DV-Markt. Dieter Frank, Geschäftsführer der National Advanced Systems (NAS) Deutschland GmbH, Frankfurt, sagt dies voraus und verweist zur Begründung auf eine wachsende "De-facto-IBM-Standardisierung" des Marktes, aus der die PCMs überproportionalen Nutzen ziehen würden. Über diese Betrachtungsweise scheut NAS keine öffentliche Diskussion. Unlängst erst äußerte sich der für Nordrhein-Westfalen zuständige NAS-Geschäftsstellenleiter Dieter Linowsky auf der Düsseldorfer Polymedia-Trainingskonferenz Im gleichen Sinne.

Zu den generellen Anforderungen an einen Plug Compatible Manufacturer (PCM) rechnet Frank neben der Konkurrenzfähigkeit seiner Produkte vor allem ausreichendes Standvermögen. Frank weiß, wovon er spricht. Bevor er nämlich bei NAS, der Tochter des Chip-Herstellers National Semiconductor, die Zügel in die Hand nahm, leitete er die Itel Deutschland GmbH, die sich 1979 als zu kurzatmig erwies, als IBM zum 4300-Wettlauf blies.

Nach der Überführung des Itel-Erbes in die NAS GmbH seien unter dem strengen Finanzregime der Muttergesellschaft bereits nach sechs Monaten wieder schwarze Zahlen geschrieben worden, merkt Frank an. Wörtlich: "Der katastrophale Mißerfolg von Itel wurde ohne Auswirkungen auf die Kunden verkraftet; Wartung und Software-Unterstützung der Kunden wurden kontinuierlich fortgeführt; Auslieferungen erfolgten ohne Unterbrechung. "

Die 70er Jahre - so Frank rückblickend - hätten den PCMs hohe Wachstumsraten beschert. Diese Entwicklung sei durch folgende Rahmenbedingungen entscheidend begünstigt worden:

- das Quasi-Monopol der IBM,

- den Erlaß der US-Regierung (Consent Decree) und Regeln, die der Marktführer sich selbst auferlegte (Standard-Verträge, Preise und so weiter),

- kurzfristig verfügbare Konstruktionsunterlagen der IBM,

- kurzfristig verfügbare Mitarbeiter mit großem Konstruktions-Know-how, - rasant wachsendes Computergeschäft (IBM konnte Geschäftsziele trotz der Konkurrenz erreichen),

- Verfügbarkeit großer Kapitalsummen,

- wachsende Ansprüche der Benutzer,

- ehemals hohes IBM-Preisniveau.

In diesem Zeitraum, rekapituliert Frank, sei das PCM-Geschäft den ursprünglichen Grenzen entwachsen (periphere Geräte) und habe sich auf alle Bereiche der kommerziellen DV ausgedehnt. Die globale Zuwachsrate der PCMs zwischen 1970 und 1979 beziffert er mit 33, die des gesamten Computergeschäftes dagegen mit nur 15 Prozent.

Ende des vergangenen Jahrzehnts - so Frank - konnten die Steckerkompatiblen einen Anteil von 16 Prozent am DV-Gesamtmarkt verbuchen, und es hatte sich ein regelrechtes OEM-Geschäft mit IBM-kompatiblen Devices entwickelt. Frank zählt auf: STC-Bänder an Univac und Siemens, Memorex-Platten an DEC, CPUs von Hitachi und Fujitsu. Den Erfolg der PCMs führt Frank auf verschiedene Gründe zurück, darunter auf Preisvorteile, Lieferbarkeit und Ausbaufähigkeit ihrer Produkte, aber auch beispielsweise darauf, daß sie die Wartung sogenannter alter, von IBM nicht mehr unterstützter Systeme übernahmen.

Das Jahr 1979, in dem IBM die eigene und die Welt der PCMs mit der 4300-Ankündigung, aber auch mit der Nicht-Ankündigung der H-Serie arg durcheinanderbrachte, analysiert Frank folgendermaßen:

- Die Benutzer verschoben ihre Kauf entscheidungen im ersteh Halbjahr 1979 und zogen Mietverträge im zweiten Halbjahr Kaufverträgen vor.

- IBM hatte sein erstes negatives Wachstum der Quartalsgewinne seit 1951 und verbrauchte über 6,5 Milliarden Dollar liquider Mittel.

- Die Announcement-Politik führte zur Wiederherstellung und Verstärkung der Ausrichtung auf den IBM-Standard im gesamten Computergeschäft und verschaffte dem Marktführer wieder die Kontrolle des Marktanteils der kompatiblen Hersteller und von Firmenneugründungen, ferner die Wiedergewinnung eines ausgeglichenen Anteils an Miet- und Kaufverträgen; schließlich blockierte diese Politik den Zuwachs an Minicomputern in der kommerziellen Datenverarbeitung.

Für die Steckerkompatiblen waren damit Konsequenzen verschiedener Art verbunden, nämlich - so Franks Darstellung - erstmals ein negatives Wachstum der jährlichen Gewinne seit 1971 und ein vergrößerter Bedarf an liquiden Mitteln. Andererseits aber, darauf verweist Frank nachdrücklich, vergrößerte die in dieser Zeit sich abspielende Wiederherstellung und Ausweitung des IBM-Standards auch den von den PCMs angesprochenen Markt. Sichtbares Ergebnis dessen seien erhöhte Lieferstückzahlen und gewonnene Marktanteile gewesen, und zwar insgesamt, in den einzelnen Marktsegmenten, weltweit wie auch gegenüber IBM. (Zu den Marktsegmenten gehören nicht die Minicomputer und nicht die Hersteller-Software, wohl aber DFÜ-Hardware.)

Für die 80er Jahre erwartet Frank eine erhebliche Ausweitung des PCM-Geschäfts bei gleichzeitig steigendem Marktanteil. Das stärkste Wachstum sieht er auf dem Gebiet der Terminals und der Datenfernübertragung. Hier wollen die PCMs bis 1985 jährlich um durchschnittlich 32 Prozent wachsen, ihren Umsatz von 1,5 Milliarden Dollar in 1979 auf 6,9 Milliarden erhöhen und damit einen Marktanteil von 30 Prozent erreichen.

Unter der erwarteten jährlichen Gesamtwachstumsrate von 25 Prozent werden nach Franks Vorhersage einzig die Peripherie-Umsätze der PCMs bleiben (plus 19 Prozent). Mitte der achtziger Jahre soll der PCM-Markt ein Gesamtvolumen von 21,7 Milliarden Dollar erreicht haben.

Derart exakte Prognosen kann nur wagen, wer das Verhalten der marktbeherrschenden Kraft (IBM) als kalkulierbar ansieht. Was IBM angeht, so erwartet man bei NAS in den nächsten Jahren folgende Entwicklungen:

- Aggressive Verfolgung von integrierten Informations- und Datenfernübertragungssystemen,

- aggressive Weiterverfolgung der technologischen Evolution auf allen elektronischen Forschungssektoren (Halbleiter, magnetische Datenträger, optische Elektronik, Satelliten-Technik und so weiter),

- Produktpolitik mit dem Ziel, gesetzte Gewinnvorgaben zu realisieren (beispielsweise Strategien zur Einflußnahme auf das Verhältnis von Miet- zu Kaufverträgen oder von Software- zu Hardwarepreisen),

- weiteres Unbundling von Hardware, Software und Dienstleistungen,

- weitere Evolution der Rechner-Architektur unter gleichzeitiger Beibehaltung der Kompatibilität zu bestehenden Produkten sowie das Angebot weiterer Möglichkeiten im "native Mode" (vgl. 4300).

Die Konkurrenten, denen IBM sich gegenübersehen wird, sind nach NAS-Auffassung neben den PCMs hauptsächlich AT & T - dieses Unternehmen erzielte im vergangenen Jahr den höchsten in der Privatwirtschaft realisierten Gewinn aller Zeiten -, die Japaner und die Minicomputer-Hersteller. Parallel mit dem Fortgang des Geschehens im Hause IBM wird es nach Ansicht Franks einige weitere allgemeine Trends geben, die sich auf den D.V-Markt auswirken werden: Es wird zu einer Konsolidierungsphase kommen mit dem Ergebnis, daß die Anwender vornehmlich Lieferungen "aus einer Hand" nachfragen werden.

Speziell die steckerkompatiblen Hersteller werden sich vor der Notwendigkeit sehen, neue DV-Technologie zu beherrschen und zu entwickeln.

Die Preise werden sich mehr an den Produktionskosten als an der Nachfrage orientieren.

Das PCM-Marksegment wird schneller wachsen als der gesamte Computermarkt wegen der wachsenden De-facto-IBM-Standardisierung.

Größere DV-Anwender werden ihre Budgets exakter aufteilen und als Haupt-Kostengruppen mindestens kommerzielle Zentraleinheiten, Peripherie-Geräte, Terminals und Daten-Fernübertragunseinrichtungen, Software und Mitarbeiter unterscheiden.

Die Neigung wird zunehmen, multinationale Geschäftsverbindungen einzugehen (Hitachi, Fujitsu, Olivetti, und so weiter) unter Einschluß amerikanischer Produzenten.

Frank sieht dieser Zukunft gelassen entgegen. NAS, so erläutert er, besitzt 20 eigene Forschungs-, Entwicklungs- und Fertigungsstätten und hat eine bedeutende DEM-Verbindung mit Hitachi. Außerdem wird die Muttergesellschaft National Semiconductor in den nächsten fünf Jahren rund 800 Millionen Dollar in die Forschung und Entwicklung von Halbleiterbauelementen investieren.