IBM ist nicht an allem schuld

03.04.1981

Als in den vergangenen Wochen über die Finanzkrise des englischen Computerkonzerns International Computers Limited (ICL) berichtet wurde (CW 13 vom 27. März 1981, Seite 1: "Regierung hilft...), verdichteten sich die Anzeichen, daß sich die Briten einer Fusion mit einem anderen europäischen Mainframer (Siemens!) nicht länger widersetzen können.

Mittlerweile haben sowohl Siemens als auch ICL dementiert, daß ernsthafte Gespräche über eine Beteiligung der Münchner stattgefunden haben. Intimkenner beider Unternehmen hatten nichts anderes erwartet.

Aber ganz gleich, wie dieses Dementi zu bewerten ist: Interessant sind die Umstände, die das Feuer in der Gerüchteküche entfachten. Zweifellos haben die Briten ihre Kunden über Gebühr strapaziert, als sie im letzten Jahr reihenweise neue Maschinen ankündigten und gleichzeitig eine Radikaloperation an ihren bisherigen Betriebssystemen vornahmen. Man erinnere sich, daß Honeywell Bull 1974 bei der Markteinführung der Serie 60 auch einen "Zweisprung"

riskierte (neue Hardware, neue Software), der erst nach einer längeren Shlitterpartie auf trokkenem Gelände endete.

Nichts fürchten die Anwender bekanntlich mehr als Unverträglichkeiten, die sich beim Aufstieg zum nächstgrößeren Modell einstellen, wenn dieses einer neuen Rechnerserie angehört. Kommen dann noch Betriebssystem-Probleme hinzu (jungfräuliche Releases), dann ist der Ofen aus.

lm Falle ICL führte dies im Feld zu Konfusionen, insbesondere bei so prestigeträchtigen IBM-Ablöse-Projekten wie dem EG-Computer in Luxemburg. Deshalb aber anzudeuten, wie es die Tages- und Wirtschaftspresse getan hat, daß sich ein "Noch-alles-Anbieter" wie ICL gegen den "übermächtigen" Mainframer IBM heutzutage nur mit "Sidesteps" - sprich: Durch Ausweichen auf Teilmärkte -behaupten könne, ist weder stichhaltig noch sonderlich originell.

Wenn man sich anschaut, was an Produkt-Entwicklungen vom Marktführer in den späten 70er Jahren gekommen ist, dann geht das eindeutig mehr in Richtung Rückgewinnung und Behauptung der Marktherrschaft als in Richtung zum lieben Gott.

Branchen-Analysten behaupten gar, wirkliche Innovationen habe IBM noch nie hervorgebraht. Zumindest für den unteren Rechnerbereich scheint diese These zu stimmen.

Nein, Raum wäre für die anderen Hersteller, alternative DV-Konzepte zu verwirklichen, anstatt die als "mündig" apostrophierten Anwender ständig zu mahnen, sich nicht für den Quasi-Monopolisten IBM zu entscheiden.

Der Wettbewerb auf dem DV-Sektor funktioniert nur, wenn auch eine "mündige" Computer-lndustrie den Mut und die Kraft zur Verwirklichung neuer Ideen aufbringt, ohne gleich an den laufenden Forecast zu denken. Es besteht kein Grund anzunehmen, daß die Anwender diese Anstrengung längerfristig nicht honorieren würden.

Newcomer wie Amdahl und Cray im Großrechner- sowie Prime oder Tandem im Minicomputer- und Netzwerk-Bereich haben bewiesen, daß innovative Unternehmen den Competition-Streit mit IBM nicht zu fürchten brauchen.

In Bedrängnis sind immer nur diejenigen Anbieter geraten, die als reine IBM-Nachahmer den heißen Atem des Originals zu spüren bekamen. Das heißt freilich nicht, daß die Befürworter einer Ausweich-Politik recht haben.

Gewiß: IBM ist nicht zimperlich, langt auch schon mal zu, wenn die PCM-Konkurrenz allzu lästig wird.

Aber IBM ist nicht an allem schuld.