IBM, HP und Sun mit anwenderfreundlicher Initiative Mit dem Fibre-Channel gegen den Flaschenhals der Kommunikation

28.10.1994

MUENCHEN (kk) - Alle Welt spricht von der Datenautobahn, auf der Informationen schnell von einem Sender zu jedem beliebigen Empfaenger transportiert werden koennen. Leistungsstarke Rechner, die auch Bild- und Tondaten erzeugen, sind dafuer ebenso notwendig wie breite Leitungswege. Ein Hemmschuh fuer den ungebremsten Datenaustausch sind aber die "Auffahrten" auf den Daten-Highway. Der Fibre-Channel scheint das richtige Medium dafuer zu sein, Datenengpaesse aller Art zu beseitigen.

In einer fuer die IT-Industrie ungewoehnlichen Vorgehensweise vereinbarten im Februar 1993 drei Workstation-Hersteller die gemeinsame Entwicklung einer schnellen Kommunikationstechnik fuer digitale Daten - den Fibre-Channel. Ungewoehnlich an der Fibre Channel Systems Initiative (FCSI) von Hewlett-Packard, Sun und IBM ist, dass die Buendnispartner zuerst verbindliche Standards schaffen und so die Kompatibilitaet zukuenftiger Produkte gewaehrleisten wollten.

Interoperabilitaet heisst das Zauberwort, und so arbeitet FCSI eng mit der Fibre Channel Association (FCA) zusammen, die Teil des ANSI-Komitees ist und rund 60 Firmen zu ihren Mitgliedern zaehlt. Nach Ablauf der auf zweieinhalb Jahre angesetzten Zusammenarbeit innerhalb der FCSI uebernimmt die FCA die Weiterentwicklung und Pflege des Fibre-Channel-Standards.

Die drei am FCSI beteiligten Unternehmen einigten sich darauf, sogenannte Profile zu entwickeln, die auch anderen Herstellern als Basis zur Entwicklung von Fibre-Channel-Produkten dienen sollen. Unter einem Profil versteht die Gruppe "einen vertikalen Schnitt durch alle definierten Optionen des Fibre-Channels fuer einen bestimmten Markt oder eine bestimmte Applikation".

Man will vermeiden, dass zwei verschiedene Geraete zwar kompatibel sind, aber nicht miteinander arbeiten koennen. Beispielsweise wurde die Interoperabilitaet frueher SCSI-Implementierungen dadurch behindert, dass die einzelnen Hersteller eine nicht identische Auswahl aus den vielen optionalen SCSI-Kommandos trafen, die alle im SCSI-Standard definiert waren. Es dauerte Jahre, bis die Anwender die Hersteller so weit hatten, dass die sich auf ein verbindliches Subset von SCSI-Kommandos einigten.

Der Fibre-Channel bietet eine Reihe von Vorzuegen, die ihn fuer den Datenaustausch in Workstation-Clustern, als Schnittstelle fuer Massenspeicher sowie als Netzwerk und Zugangspforte zu WANs attraktiv machen. Ein Hauptvorteil ist die Geschwindigkeit, mit der Daten uebertragen werden koennen.

Der Fibre-Channel bietet Transferraten von ueber 100 MB/s,

(zum Vergleich: SCSI schafft maximal 20 MB/s) womit er auch fuer Simulationsaufgaben im Wissenschaftsbereich geeignet ist. Verdoppelt wird die Kapazitaet, wenn in einer Applikation Daten bidirektional verschickt werden, was im Fibre-Channel im Gegensatz zu einigen heute gebraeuchlichen Schnittstellen wie SCSI oder IPI moeglich ist.

Aehnlich wie bei einem Telefonsystem wird eine Verbindung zwischen zwei Teilnehmer nur so lange geschaltet, wie sie miteinander kommunizieren. Sie koennen die volle Bandbreite nutzen und werden nicht wie in LANs durch den sonstigen Netzverkehr behindert. Software-Overhead faellt dabei nicht an, da das gesamte Protokoll von der Hardware abgewickelt wird. Somit wird auch die CPU im Rechner von diesen Aufgaben befreit; selbst die Fehlerkorrektur fuer die uebermittelten Daten erledigt die Fibre-Channel-Hardware selbst.

Mittlerweile legte die FCSI-Gruppe vier fertige Profile vor. Das Fibre Channel Functional Profile in der Version 2.0 definiert den Gebrauch von SCSI-Verbindungen sowie die Schnittstellen zu bestehenden SCSI-Umgebungen. Fibre Channel IP Profile schreibt die Unterstuetzung des TCP/IP-Protokolls fest. Insbesondere Workstation-Cluster sollen davon profitieren.

Das Fibre Channel Profile Structure legt fest, wie - innerhalb des Standards - Profile zu konstruieren sind. Dieses Profil ist also fuer Gruppen gedacht, die fuer ein spezielles Segment oder eine Applikation ein eigenes Subset definieren wollen. Schliesslich wurde von HP, IBM und Sun noch ein Standardset von Funktionen definiert, das alle Fiber Channel Profiles nutzen. Das Fiber Channel Common Feature Set Profile dient den Herstellern, interoperable Produkte zu entwickeln.

Die Vorteile der Kommunikation ueber Fibre-Channel zeigten sich in der ersten Testinstallation im Lawrence Livermore National Laboratory, Kalifornien, das zugleich dem FCSI als Interoperabilitaets-Testlabor dient. Das Labor nutzt die neue Technik fuer komplexe Computersimulationen, beispielsweise von Kernfusionen. Selbst Supercomputer sind von der Komplexitaet solcher Aufgaben ueberfordert, so dass die Modelle zuerst von Physikern auf Workstations - von verschiedenen Herstellern - manipuliert werden muessen.

Fibre-Channel fuer Massenspeicher

Rund 160 MB an Daten sind dabei vom Supercomputer auf die Workstation zu uebertragen und nach der Bearbeitung zurueckzusenden - ein Vorgang, der per Ethernet rund 40 Minuten dauert und nun mit dem Prototyp-Fibre Channel in acht Minuten bewaeltigt wird. Wenn demnaechst die Gigabit-Verbindung verfuegbar ist, soll es nur noch zwei Sekunden dauern. Paul Rupert, Verantwortlicher fuer die Telekommunikation im Labor:

"Ich wollte eine Verbindung haben, die Daten so schnell uebertraegt, wie es das menschliche Auge erkennen kann. Der Fibre-Channel ist exakt das, wonach ich gesucht habe."

Selbst wenn keine Supercomputer oder hochkomplexen Simulationen im Spiel sind, wird zukuenftig der Fibre-Channel als Schnittstelle bei Massenspeichern eingesetzt werden. Festplattenspezialist Seagate plant, bereits zur diesjaehrigen Herbst-Comdex ein Laufwerk mit 4 GB Kapazitaet und Fibre-Channel zu zeigen. Passende Controller von Western Digital, Q-Logic und Emulex werden aber erst fuer Ende des Jahres erwartet.

Dave Anderson, Product Planning Manager bei Seagate, zeigt die besonderen Vorteile des Fibre-Channels fuer Massenspeicher auf: "Die Implementierung von grossen Disk-Systemen erweitert sich gegenueber SCSI von theoretisch moeglichen 16 Geraeten pro Adapter auf 256 bei Fibre-Channel. Die Ringstruktur macht es moeglich, Konfigurationen bis in den Terabyte-Bereich zu entwickeln. Hinzu kommt, dass Fibre-Channel wunderbar mit dem PCI-Bus im PC harmoniert."

Ausserdem erlaube der Fibre-Channel, dass Festplatten bis zu zehn Kilometer vom Rechner entfernt stehen koennen und sich so zentrale "Daten-Ressource-Zentren" aufbauen lassen. Wichtig ist fuer den Seagate-Mann ausserdem die serielle Kommunikation des Fibre- Channels: "Man spart gegenueber SCSI erheblich bei den Kosten fuer die Verkabelung und kann Geraete einfacher installieren und warten."