Der Marktführer und die Leasingalternative der Unabhängigen:

IBM hilft sich und dem Second-Hand-Markt

25.05.1984

Seit 1980 beobachten aufmerksame Branchenauguren und IBM-Analysten die Verlagerung von der früher vorherrschenden Geschäftsart "Vermietung" auf die jetzt sehr erwünschte Geschäftsart "Verkauf". Seit 1982 ist IBM zunehmend auch als Leasinganbieter für die eigenen Produkte tätig und lehrt die freien Leasingfirmen das Fürchten. Thomas H. E. Godebus von der ICC Internationalen Computer & Consulting GmbH In Hamburg schildert die Aktionen und Reaktionen seiner Branche.

Mit einem wohldurchdachten Konzept holte sich der Branchenführer das Beste aus zwei Welten: Durch eine konsequent durchgeführte Umsichtung der Schwerpunktgeschäftsart "Vermietung" auf "Verkauf" hat IBM in den letzten zehn Jahren den "return on investment" beschleunigt, wobei dies seit 1980 besonders deutlich wurde.

Im Gegenzuge hat man einen großen Teil der zusätzlichen Liquidität wiederangelegt. Neben den klassischen Schwerpunkten wie Forschung und Entwicklung hat die IBM ich rechtzeitig in neue Bereiche vorgewagt. Satellitenkommunikation ist ein besonders spektakulärer Teil davon, genauso wie die weniger bekannten, jedoch genauso bilanzwirksamen Investitionen in steuersparende Investitionsgüter und neue Induistriezweige (IBM als Hauptkontraktor - hinter den Kulissen - für ein neues Waffensystem der U. S. Army, sich einem Kampfhubschrauber, bei dem IBM das Produktmanagement übernahm). Gleichzeitig begann die Materialschlacht gegen AT&T, als sowohl überaus erfolgreiche PC-Offensive des Marktführers.

Aber nicht nur in neue Bereiche hat das IBM-Management Geld gepumpt. Wie jeder Unternehmer haben die Vorstandsmitglieder der Mutter gemeinsam mit ihren vielen Töchtern, darunter der IBM-Deutschland GmbH, besonders gern in die eienen Produkte investiert. Uber ein keitangelegtes Leasingprogramm haben die IBM-Manager in dem jeweiligen Land ihre Maschinen "zurückgekauft" und dann über Leasing vermietet.

Sicherlich soll mit Spezialprogrammen, wie am Beispiel des 4381-Leasing (bezeichnenderweise zunächst nur für 84er Installationen) gezeigt, nicht nur die Leasingbranche getroffen werden, sondern mehr noch die bequeme PCM-Konkurrenz, die japanische Computer massenhaft bei IBM-Kunden installiert.

Der große Knall noch in diesem Jahr?

Wie weit kann IBM den Markt beeinflussen, bis es zu Gegenreaktionen kommt? Wahrscheinlich sagt man sich bei der IBM, solange die Verbände der "Broker" und sonstiger sogenannte "Third-Party-Lessors" nur diskutieren, gilt der alte Grundsatz "Hunde die bellen, beißen nicht." Aber wenn erstmal eine von einer breiten und neu vereinigten Ineressengruppe getragene Offensive gegen IBM läuft, wird der Branchenriese viel blaues Blut verlieren.

Offensichtlich sind die Grenzzäune bereits gezogen, die Gräben sind ausgehoben und die Munition wird gezählt. Es kann noch dieses Jahr zum großen Knall kommen. Man soll dabei die unabhängigen Dealer und Vermieter nicht überschätzen. Wenn sie sich auch untereinander oft

bekriegen, gibt es dennoch ein Einsames Interesse am Überleben, das sie zusammenbringen könnte. Hinter den Hunderten von lokalen, regionalen und internationalen Computer Handels- und Leasingfirmen stehen auch die Interessen von Tausenden IBM-Anwendern, die auf den Service der Second-Hand-Branche nicht verzichten wollen. Bisher war der IBM-Dealer beziehungsweise -Vermieter ein gutes Gegenmittel für IBM gegen die PCMs. Was aber, wenn die PCMs netter zu der Handelsbranche sind als IBM selbst? Will IBM die freiwilligen Helfer in den feindlichen Schützengraben treiben oder bewegt sie sich bewußt auf einer gerade noch vertretbaren Linie, scheinbar neutral?

Anzeichen für eine klare Linie des Frontverlaufs gibt es nach wie vor: IBM hat hinsichtlich des Geschäftes mit Second-Hand-Maschinen ganz deutlich gesagt, daß man diesen Handel und Geräteleasing unbeeinflußt lassen wird, und, wie man hinzufügen kann, auch muß. Die etablierte Branche der unabhängigen Händler und Vermieter wird von IBM als notwendig, anständig und vernünftig bezeichnet, wenn nicht hier, dann jedenfalls in offiziellen Statements in USA. Das Second-Hand-Geschäft sei in guten Händen, sagt IBM und man wolle auch die Vermarktung von Rückläufern aus eigenen Leasingverträgen dieser Branche überlassen. Jedoch meinen wir, daß IBM sich auch dort aufgrund ihrer Struktur und ihrer Interessen die Rosinen herauspicken möchte. Das Geld, das IBM damit zu verdienen hofft, zahlen letztlich die Anwender.

Während die Leasingoffensive der IBM sich mehr gegen die PCMs richtet und dabei nach der Methode "Not = Tugend" mehr Geld in die Kassen bringt, muß sie das Second-Hand-Geschäft den freien Kräften des Marktes überlassen, wenn sie nicht zum internationalen Staatsfeind Nummer eins werden will.

Das Vordringen in den Leasingbereich seitens IBM ist verständlich, aber für die breite Masse der IBM-Anwender nicht unbedingt nötig. Wir meinen, daß der Markt und die Anwender IBM-Leasing nicht brauchen, und daß unsere Branche genügend gute, wenn nicht bessere Alternativen bereithält.

IBM verhält sich tatsächlich als Monopolist, wenn man sie läßt. Aber das kostet das Geld der Anwender. Warum sollte man IBM daher mehr Geld verdienen lassen als unbedingt nötig? Wir sind überzeugt, daß die Anwender nach einem rechtzeitig eingeleiteten Lernprozeß dem viel zu mächtigen Hersteller Widerstand leisten können, ohne gleich auf andere Lieferanten ausweichen zu müssen. Der Markt sollte die IBM steuern, nicht umgekehrt. Die Leasingbranche sollte nicht IBMs Amboß sein, sondern der Hammer der IBM-Anwender gegen einen übermütigen Hersteller. Wie und warum macht IBM das, was doch viele Leasinggesellschaften schon tun und wo die Marktanteile anscheinend in festen Händen sind?

Eigentlich müßte man auf gut bayrisch antworten "Drum", aber für alle, die IBM noch nicht auf die neuen Schliche gekommen sind, läßt sich das neue Instrumentarium des Marktführers einleuchtend analysieren und kommentieren:

IBM sieht im Leasing nicht nur eine Geldanlage, sondern auch ein hochwillkommenes Instrument der Verkaufsförderung, das man gezielt für bestimmte Produkte einsetzen kann. Während gegen das erstere niemand etwas haben dürfte, zumal die IBM-Angebote im Normalfall eher hochpreisig sind, ist dennoch der gezielte Einsatz von angeblichen Sonderangeboten und die kartellrechtlich bedenkliche, übergroße Kundenpräsenz der IBM ein unübersehbarer Anlaß zur Sorge für die Branche der Leasingindustrie und der spezialisierten Händler und Vermieter.

Das Leasinggeschäft der IBM ist relativ leicht mitzunehmen, wenn der Marktführer ohnehin beim Kunden sitzt und gerade eine Bestellung aufnimmt. Eine gewisse, in der Summe sehr erhebliche Menge an Finanzierungsvolumen wird dort gleich an der Quelle abgeschöpft. Das ist das Wasser, das IBM den freien Leasing firmen abgräbt! Kein Wunder, wend die Branche jetzt näher zusammenrückt und gemeinsam überlegt, ob man die IBM per Kartellklage in Brüssel in die Schranken weisen sollte. Dies ist nur einer der Punkte in denen IBM den freien Handel beeinträchtigt, sagen die Computer Dealers & Lessors Association (CDLA) in USA und European Computer Leasing and Trading Association (ECLAT). Die jüngsten der Verbände sprechen von eventuell bevorstehenden öffentlichen Kartellgerichtsverfahren gegen IBM für den Fall, daß in der direkten Verhandlung hinter geschlossenen Türen - keine vernünftige Einigung erzielt werden kann.

Kartellklage in Brüssel im Gespräch

Als Hersteller hat IBM - unter dem Strich, wenn man die Gesamtbilanz betrachtet - die Möglichkeit, den Listenpreis nach außen hin bei der Kalkulation von Leasingvertragen zugrundezulegen, jedoch intern, nur die Herstellungskosten und Vermarktungskosten bis zum Break, Even Point wirklich zu bezahlen. Wenn also IBM einen Leasingvertrag am Kapitalmarkt refinanziert, indem sie die Mietforderungen aus dem Leasingvertrag verkauft (Factoring) dann schöpft sie Geld von Anfug an, während sie bei reinen Mietverträgen, die es weiterhin gibt und die noch teurer sind, ihr Kapital notwendigerweise einfrieren mußte.

Wenn man jetzt noch bedenkt, daß der Multikeineswegs gezwungen ist, wie bankeigene oder unabhängige Leasingfirmen die Verträge am Kapitalmarkt zu refinanzieren, dann bekommt man auch gleich einen Blick dafür, daß die Leasingaktivitäten des Marktführers gleichzeitig eine finanzielle Manövriermasse für die Liquiditätsplanung des Unternehmens hereinholen. Somit wurde die Leasingoffensive der IBM zur Speerspitze nicht nur in der Kunden- beziehungsweise Marktlenkung, sonden auch der Finanzplanung. Wenn wir nun ungefähr wissen, was die Motivation der IBM-Leasingaktion ist dann können wir auch die Produkte, das heißt die Leasingmodelle, wesentlich besser verstehen, analysieren und bewerten.

Zunächst einmal muß gesagt werden, daß die interne Kapitalrendite des Unternehmens wesentlich höher ist als der Sollzins am öffentlicher Kapitalmarkt. Die Standard-Leasing modelle der IBM sind von daher nicht besonders billig. IBM will das auch gar nicht, denn dann hätte man neben den Verbänden der unabhängigen IBM-Vermieter auch noch sehr einflußreiche Lobby der Banken und der Finanzierungs-Leasingverbände auf dem Hals. Dies galt ist bedingt zu vermeiden, daher ließ sich aus der Not nur eine Tugend machen: der Zinssatz ist recht hoch. Aber dort, wo weder spezialisierte noch bankeigene Vermieter mitkomen, hat IBM als Hersteller denno eine Domäne behalten. Innerhalbder Regeln, die der Leasingerlaß des Bundesfinanzministeriums festelegt hat, ist es jedem Vermieter erlaubt, befristete Mietverträge abzuschließen, bei denen nicht die volle Kaufsumme finanziert wird.

Bei der IBM 4381zum Beispielwird derzeit ein "Sonderprogramm angeboten, in dem der Mieter, also der IBM-Anwender, nur drei Jahre lang gebunden ist. Danach kann er weitemieten oder kaufen, letzteres allerdings nur zum "Marktpreis". Was nach drei Jahren der Marktpreis sein wird, weiß heute niemand. Man gibt sich also in die Hände der IBM, ein Schritt ins Ungewisse. In den USA ist es durchaus üblich, in Non-Pay-Out-Verträgen eine Kaufoption "at fair market value", das heißt zum dann geltenden Marktpreis zu creben. Dies macht man aber nur bei ranglebigen Wirtschaftsgütern wie zum Beispiel Flugzeugen, Kränen, Pipelines und natürlich besonders gern bei Immobilien. Ein solches bei Computern zu tun ist zunächst einmal nur dem Hergeller möglich, der erstens nicht den vollen Kaufpreis an sich selber zahlen muß und zweitens seinen eigenen Marktpreis manipulieren kann, insbesondere, wenn er die Mehrzahl der Maschinen selbst durch Leasing "finanziert".

Kauf wäre günstiger gewesen

Noch vor wenigen Jahren wurden die meisten 4341-Rechner zunächst gemietet. Die Miete war nämlich am Anfang sensationell billig, was zum Kollaps der ersten PCM-Riesen wie Itel führte. Später wurden die Mieten erhöht, was schon für einige Anwender zur Ausübung ihrer Kaufoption bewegte - 50 Prozent der gezahlten Mieten wurden auf den Kaufpreis anprechnet. Als nun viele 4341-Rechner die Untergrenze ihres Optionspreises erreichten, wurden auch bis auf verschwindend wenige Ausnahmen noch die restlichen gekauft. Rechnet man zurück, dann wäre ein Kauf, gegebenenfalls mit einer marktgerechten Mietfinanzierung (Purchase-Lease-Back) von Anfang an billiger gewesen. Wieder hatte man der IBM eigentlich "zuviel" gezahlt.

Auch heute will die IBM dem Anwender gern das Objekt 4381 mit einem vorgeschalteten Mietvertrag, wie ich das 4381-Leasingprogramm der IBM nennen wage, zur Bestelder IBM zu Bestelung bewegen. Eine große Flexibilität wird optisch dadurch vorgeführt, daß man nach drei Jahren das Objekt zurückgeben kann. Weiterhin wird die Kaufmöglichkeit zum Schluß betont und der Anwender wiegt sich in Sicherheit. Aber genau wie früher, als das gemietete 4381-Objekt nach zwei bis drei Jahren noch teurer gekauft wurde, werden auch hier die meisten Anwender zur Zeit die Lebensdauer der 4381 unterschätzen und nach drei Jahren kaufen, ja sogar kaufen müssen, denn die IBM wird ihnen das 4381-Mietobjekt zu demselben Preis überlassen, den sie auch am Markt für eine "fremde" Second-Hand 4381 zahlen müßten. Dies aus zwei Gründen: Erstens will IBM sich nach deri Jahren einen dikken finanziellen "Nachschlag" holen, indem sie das Objekt bei 40 Prozent Buchwert zu - wie wir heute aufgrund der 4381-Philosophie schützen - zirka 55 Prozent verkauft. Und zweitens kann sich die IBM-Leasingabteilung bequem auf den Leasingerlaß berufen, alles andere wäre verdächtig.