Gastkommentar/

IBM hat Wachstumsmärkte noch nicht erobert

17.05.1996

Ulrich Dickamp Geschäftsführer der U-D-M Unternehmensberatung GmbH, Frankfurt am Main

Ein wenig Stolz dürfte in Armonk schon vorherrschen, nachdem sich die IBM mit einem blendenden Jahresergebnis zurückgemeldet hat. Auch das Resultat des ersten Quartals 1996 weist mit über 700 Millionen Dollar eine respektable Größenordnung aus. Dennoch gaben die Kurse zuletzt nach, und kritische Töne schlugen den Verantwortlichen der IBM entgegen. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären?

Zwar ist es der IBM gelungen, die finanzielle Situation zu stabilisieren, Kostennester auszumerzen und Personal abzubauen. Eine genaue Betrachtung der produktbezogenen Resultate zeigt jedoch, daß die wesentlichen Beiträge für das Betriebsergebnis aus dem traditionellen Produktsegment kommen, den MVS-Großsystemen. IBM konnte im vergangenen Jahr 54 Prozent mehr Mainframe-MIPS verkaufen als 1994. Man profitierte dabei nicht nur von den Einkünften aus der Systemsoftware, sondern auch von Wartungseinnahmen.

Vermutlich bezieht sich auch ein großer Teil des Finanzierungsgeschäfts auf dieses Produktgemisch. Das heißt überspitzt, IBM hat im wesentlichen von der Renaissance der zentralen Server und der damit direkt verbundenen Folgeumsätze profitiert. Dazu ist kritisch anzumerken, daß der Nettozuwachs dieses Segments deutlich niedriger ist als der der dynamischeren Produktsegmente PC, RS/6000 Workstation und Networking.

Hinzu kommt, daß IBM die technologische Führerschaft bei der bipolaren Rechnertechnik (9121, 9021) an Hitachi mit seinen Skyline-Systemen am oberen Ende verloren hat. Der Transformationsprozeß auf die neue CMOS-Technologie ab diesem Jahr wird schwierig, denn Fujitsu und Hitachi werden hier ebenfalls ein gewichtiges Wörtchen mitreden.

Ein weiteres ernsthaftes Problem ist der kontinuierliche Rückgang des Anteils am Speichermarkt. Der einstige Vorsprung wurde leichtfertig verspielt, und es ist schwer, sich nun gegen Konkurrenten wie EMC oder Hitachi zu behaupten - auch wenn die neuen 3990-Controller und die Ramac-3-Generation deutliche Verbesserungen zeigen.

Der Servicebereich wächst zwar um rund 30 Prozent pro Jahr, aber er wirtschaftet nach wie vor unprofitabel. Dennoch ist dieser Geschäftszweig für IBM unverzichtbar, schafft er doch Kundenbindung. Dies könnte auch deshalb ein Vorteil sein, weil es den IBM-Anwälten gelungen ist, den sogenannten Consent Decree aus dem Jahre 1956 - auch bekannt als Anti-Trust-Gesetz - zum größten Teil aufzuheben. IBM kann jetzt sehr interessante Angebote konstruieren, da der Servicebereich intern nach Belieben einkaufen kann.

Die größte Schwäche der IBM ist aber wohl nach wie vor das nur zögerliche Adaptieren der Wachstumsmärkte. Nach wie vor ist das Netzwerk-Engagement ohne Relevanz am Markt, und aktuelle Themen wie Internet-Software, Client-Server-Konzepte oder ein Consumer-orientiertes PC-Massengeschäft sind unzureichend behandelt. Auch mit Notes hatte Big Blue bisher nicht die erwarteten Erfolge.

Bleibt also festzuhalten: Die finanzielle Plattform der IBM ist im Augenblick besser als die strategische Position. Hier müssen Signale gesetzt werden. Da die Kriegskasse gut gefüllt ist, darf auf weitere Akquisitionen spekuliert werden, die sicherlich im nächsten Jahr erfolgen. Sie könnten sich auf dem Gebiet Netzwerktechnik sowohl im Hardware- als vor allem auch im Softwarebereich bewegen.

Die Services müssen profitabler gestaltet und gestrafft werden. Daß die IBM ihre Position im Speichergeschäft stärken will, hat sie bereits angedeutet: 500 neue Stellen sollen im Speicherwerk Mainz entstehen.

Die Preis-Leistungs-Angebote der IBM im PC- und RS/6000-Geschäft sind zur Zeit gut, die Verkaufsvolumen steigen. Bei kontinuierlicher Lieferfähigkeit kann eine Festigung der Positionen in diesem Low-Marging-Geschäft erwartet werden. Dabei ist allerdings wichtig, daß die Geschwindigkeit in der Chipentwicklung im RISC-Segment mit denen der Konkurrenten (Motorola und Sun) Schritt halten kann.

Das AS/400-Segment ist nach wie vor ein Garant für Umsatzstabilität, aber auch hier wird stärkerer Druck durch die Unix-Anbieter, vor allem aber durch NT-Entwicklungen, entstehen. Im Mainframe-Markt wird IBM mit ihrer CMOS-Technologie vor allem im unteren Segment mitmischen, am oberen Ende dürfte der Marktanteil von Hitachi steigen.

Die Parallelprozessor-Technik wird durch die Software-Entwicklung nach wie vor limitiert sein, so daß IBM seine 9021-Benutzerbasis wohl nur durch extrem günstige Angebote erweitern wird. Dies dürfte verstärkt über gebündelte Pakete mit Service- und Finanzierungsangeboten passieren.