IBM hat mit wichtigen Veraenderungen nicht Schritt halten koennen Louis Gerstner: Die Probleme von Big Blue sind hausgemacht

25.03.1994

SAN FRANZISKO (CW) - In einem Brief an die Aktionaere erklaert Louis Gerstner, Chairman und Chief Executive Officer der IBM, das erneut schlechte Abschneiden von Big Blue. Das Unternehmen habe nicht "mit wichtigen Veraenderungen in der Industrie Schritt halten koennen". Das belege vor allem die Entwicklung im Mainframe- Geschaeft, wo die Umsaetze des Herstellers 1993 um 27 Prozent auf zehn Milliarden Dollar schrumpften.

Gerstner haelt die Schwierigkeiten mittelfristig fuer loesbar. "Wir glauben, dass wir diese Probleme aus der Welt schaffen koennen, weil wir sie verursacht haben und keine aeusseren Umstaende dafuer verantwortlich sind", schrieb er in dem Brief an die Aktionaere, aus dem das "Wall Street Journal" zitiert. Diese Einschaetzung deckt sich nicht mit frueheren Stellungnahmen hoeherer IBM-Manager, die vor allem die wirtschaftliche Gesamtsituation und die Marktentwicklung fuer das schlechte Abschneiden verantwortlich gemacht hatten.

So gab der Vorsitzende der IBM Deutschland, Edmund Hug, in einem Interview mit der "Sueddeutschen Zeitung" (SZ) den "aeusseren Umstaenden" die Schuld an der fuenfprozentigen Umsatzeinbusse seiner Dependance: "Hier wirkt sich natuerlich die Rezession aus. Dazu kommt der starke Preisverfall bei der Hardware, der den hauptsaechlichen Grund fuer den Umsatzrueckgang darstellt. Auch die Softwarepreise geben inzwischen nach."

1993 betrugen die Verluste der IBM Corp. 8,1 (Vorjahr: fuenf) Milliarden Dollar. Die Umsaetze fielen gegenueber 1992 von 64,5 Milliarden auf 62,7 Milliarden Dollar. Big Blue sei "viel zu buerokratisch und zu sehr mit seiner eigenen Einschaetzung der Welt beschaeftigt gewesen", so Gerstner. "Wir waren in der Markteinfuehrung neuer Produkte viel zu langsam", kritisierte der CEO.

Gerstner, der im Juli vergangenen Jahres noch erklaert hatte, "das letzte was IBM jetzt braucht, ist eine Vision", denkt nach dem desolaten Geschaeftsjahr offenbar anders. In dem Aktionaersbrief schrieb er, dass "besonders fuer die IBM eine Strategie sehr wichtig" sei. Wie das "Wall Street Journal" weiter berichtet, ist mit der Veroeffentlichung des Konzepts noch in diesem Monat zu rechnen.

Der Mainframe-Verkauf ist weiterhin die Achillesferse des Herstellers. In diesem Bereich sank der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 27,6 Prozent auf zehn Milliarden Dollar. Der PC-Absatz nahm im Berichtszeitraum dagegen um 23,3 Prozent auf 9,7 Milliarden zu.

Bemerkenswert sind auch die Einnahmenverluste im Sektor Speicherprodukte, die im vergangenen Jahr 18,2 Prozent betrugen und den Umsatz auf 5,2 Milliarden Dollar schrumpfen liessen. Allein die Serviceerloese stiegen mit 32 Prozent auf 9,7 Milliarden Dollar.

Signifikanter Einbruch im Europa-Geschaeft

Der IBM-Jahresbericht zeigt einen signifikanten Geschaeftseinbruch in Europa. Hier fielen die Einahmen von 24 Milliarden auf 21 Milliarden Dollar. Einem "Research Bulletin" des Marktforschungsinstituts Input zufolge stiegen allerdings auch in der Alten Welt die Software- und Serviceseinnahmen von Big Blue. In Europa habe der Hersteller in diesen Segmenten 1993 fast die Zehn-Milliarden-Dollar-Marke erreicht. Der Anstieg sei jedoch in erster Linie auf IBMs Professional Services zurueckzufuehren, die in der Vergangenheit zum grossen Teil im Systempreis enthalten waren.