PC-Nachfolger feiert seinen ersten Geburtstag:

IBM hat keine glückliche Hand mit PS/2

08.04.1988

MENLO PARK (IDG) - Ein Jahr nach der Markteinführung der PS/2-Familie hat IBM im Bereich Personal Computing weiter Marktanteile verloren, während sich die Clone-Geräte nach dem alten Standard besser denn je verkaufen.

Nach einem Rekordjahr sehen die Anbieter PC-kompatiblen Equipments wenig Wirkung durch IBMs Mikrokanal-Maschinen auf dem Markt. Manche sagen sogar, der Clone-Boom sei durch Big Blues Verhalten erst richtig angefacht worden. So Jim D' Arezzo, Marketing-Chef bei Compaq: "Unser Geschäft hat sprunghaft zugenommen. Das verdanken wir IBMs Abkehr vom Industriestandard. Der Markt wählt mit dem Scheckbuch und kauft Standard-Pcs. "

Sein Kollege bei Tandy, Ed Juge, stößt ins gleiche Horn: "Wir haben letztes Jahr 40 Prozent mehr MS-DOS-Maschinen verkauft als im Jahr zuvor", und Mike Morand, Systems Marketing Vice-President bei der AST Research Inc., frohlockt: "Das Ende des IBM AT und der Verzicht auf dieses Bussystem bedeutet eine Verheißung für die Hersteller AT-kompatibler Rechner."

Dabei verkauft Big Blue seine PS/2-Linie nicht schlecht. Dennoch sinkt der Marktanteil des einstigen Standardsetzers kontinuierlich, wie die Fachhandelsstatistik des Marktforschungsinstitutes Storeboard ausweist. Danach ist der Anteil IBMs am PC-Markt im zweiten Quartal 1987 zwar gestiegen, lag aber zum Jahresende tiefer als in den Jahren zuvor. Auch die Preis- und Discountpolitik des Computerriesen hat der Konkurrenz bisher keine schlaflosen Nächte beschert. Dies ändert sich möglicherweise bald, meinen Analysten: IBMs Pläne, billigere Maschinen anzubieten, könnten zu verstärktem Wettbewerb führen. Die anhaltende Knappheit bei Speicherbausteinen würde dann allerdings die Gewinnspannen für die Hardwarehersteller weiter schrumpfen lassen. Wenn IBM seine Preise senkt, ist wohl Compaq am schlimmsten betroffen, sinnierte Marktforscher Aaron Goldberg von der International Data Corporation.

Als Indiz dafür, daß das Bündnis mit den Amerikanern doch schon so gut wie besiegelt ist, wertete die Branche die Ankündigung des IRI-Managers, sein Haus werde möglicherweise einen 10-Prozent-Anteil an der Ing. C. Olivetti SpA erwerben. Weil dieser norditalienische Büromaschinen- und Computerhersteller wiederum zu knapp 23 Prozent der AT&T gehört, lag ein Zusammenhang auf der Hand. Olivetti-Oberhaupt Carlo de Benedetti gab den Spekulationen zusätzliche Nahrung, indem er der Finanzzeitung "Il Sole - 24 Ore" sagte, er leugne nicht, daß es zwischen den drei Unternehmen Gespräche gebe, deren Gegenstand auch wechselseitige Kapitalverflechtungen seien.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte allerdings Marisa Bellisario, Telecom-Direktorin der Stet. Sie hatte am Tag vor Benedettis Interview angedeutet, bis zum Sommer werde eine

definitive Vereinbarung mit einem Partner zustande kommen.

Romano Prodi hält sich nichtsdestoweniger bedeckt. Es gebe keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Verhandlungen der Stet mit AT&T einerseits und Olivetti andererseits, behauptet der IRI-Chef. Allerdings nannte.auch Prodi für die endgültige Partnerwahl einen Termin, der kaum eine andere Interpretation zuläßt, als daß der Zug fÜr die europäischen Bewerber abgefahren ist: Schon im Juli soll alles unter Dach und Fach sein.