Anwender zweifeln an Netzwerk-Kooperation

IBM hat es nicht eilig mit der Integration von Netware in SNA

18.09.1992

MÜNCHEN (pg) - 18 Monate nach Bekanntgabe der Kooperation von IBM und Novell zeigen sich die Anwender von den Resultaten der bisherigen Zusammenarbeit eher enttäuscht. Die Integration von Netware in die IBM-Welt wurde von Big Blue bislang, so die Kritiker, nur mit angezogener Handbremse betrieben.

"IBM hat in puncto SNA mit Netware immer noch nichts am Hut", bringt Petra Borowka, unabhängige Unternehmensberaterin, das Engagement Big Blues in Sachen Novell-Kooperation auf den Punkt. Aus taktischen Gründen, wie die Expertin glaubt: "IBM wird einen Teufel tun und ein Host-Protokoll auf IPX aufsetzen", meint die Unternehmensberaterin. Damit nämlich werde der Konzern seiner Strategie, das traditionelle SNA-Konzept zu forcieren, untreu.

Nach Ansicht der Beraterin dürften die Verantwortlichen aus Armonk höchstens noch den Wechsel zu APPN propagieren, nicht aber zu Netware.

Trotzdem wird voraussichtlich Novell der große Gewinner der Allianz sein. Der Marktführer aus Provo profitierte von den IBM-Microsoft-Querelen und hat diese, so Borowka, auch reichlich ausgenutzt.

Mit dem Deal konnte Ray Norda zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Erstens wurde die Marktposition trotz der Konkurrenz des LAN Managers weiter gefestigt, und zweitens ist es nach dem Bekenntnis von IBM zu Novell gelungen, blaue Anwender auch für die rote Seite zu gewinnen.

Überhaupt war Novell nach Meinung der Marktbeobachter bisher der Aktivposten in der Beziehung. Mit dem "Requester für OS/2", der eine bessere Einbindung des Betriebssystems OS/2 in Netware bewirkt, sowie "Netware für SAA", das für eine effektivere Novell-IBM-Anbindung sorgt, hat der Netzwerk-Spezialist aus Provo in Sachen Produkte bisher jedenfalls die bessere Außenwirkung erzielt. Allerdings wäre die verstärkte Konzentration Novells auf OS/2 sicher nicht ohne die Hilfe Big Blues möglich gewesen, das mittlerweile auch das Novell-Protokoll IPX/SPX unterstützt.

Nach Ansicht von Peter Kaiser, Netzwerk-Manager des Nürnberger Unternehmens NCP Engineering, wissen die Entscheidungsträger der IBM bis heute noch nicht, welche Richtung sie einschlagen sollen. Für die Ratlosigkeit des Managements in Armonk in Sachen Netzwerk-Politik spricht Kaiser zufolge die mangelnde Aktivität von Big Blue im Server-Bereich. Der Fachmann: "Man könnte den Eindruck haben, IBM weiß nicht, was ein guter Server alles können muß." Außerdem verkalkuliere sich das Unternehmen, wenn es annehme, aus Netware-Anwendern APPN-Nutzer machen zu können.

Die Androhung einiger Anwender, die bislang über Gateways realisierte Verbindung von Netware-LANs und IBM-Mainframes durch die Eliminierung der Hosts hinfällig zu machen, hat Leben in die Führungsetage der Zentrale in Armonk gebracht. Bob Roth von der Networking Systems Division teilte mit, daß beide Unternehmen sich zunächst besonders auf folgende Punkte konzentrieren wollen: die Kontrolle entfernter Netware-Server durch IBMs Netview, die Unterstützung gleicher APIs sowie die Entwicklung von Netware-Treibern für Token Ring, Media Access Units und Bridge-Produkte.