IBM geht unter die "Hochstapler"

17.04.2007
Schon ab dem kommenden Jahr sollen in East Fishkill dreidimensionale Chips produziert werden.

Die IBM-Ingenieure setzen bei der Entwicklung der neuartigen Bausteine auf eine Technik namens "Through-Silicon Vias" (TSV), bei der Leitungen einzelne Chips verbinden, die übereinander angeordnet sind. Das soll deutlich schneller und energiesparender funktionieren als klassische Bussysteme zur Kopplung nebeneinander angeordneter Halbleiter. Durch die Stapelung der Chips spart Big Blue zudem Platz auf dem Motherboard. IBM ist zwar nicht der einzige Anbieter, der im TSV-Bereich forscht, dürfte aber hinsichtlich der Kommerzialisierung in Front liegen. Noch in diesem Jahr sollen Kunden erste Testmuster des TSV-Kommunikationschips erhalten. Für 2008 ist die Massenproduktion geplant. Anbieter, die heute schon Chips übereinander aufbringen, verbinden diese bislang noch über Busse. Damit sparen sie zwar Platz, erzielen aber keine nennenswerten Bandbreitengewinne.

Neben dem Geschwindigkeitsvorteil zeigen TSV-Bausteine weniger Energiehunger: Bei Silizium-Germanium-Chips, die zu den Favoriten von IBM gehören, soll sich die Stromaufnahme um rund 40 Prozent reduzieren. In diese Prozessoren werden mikroskopisch kleine Löcher gebohrt und mit Wolfram gefüllt, das die TSV-Verbindungen bildet.

Für CPU und Memory

In drei bis fünf Jahren will IBM die TSV-Technik auch dazu benutzen, um Prozessor und Arbeitsspeicher miteinander zu verbinden. Damit würde ein Memory Controller überflüssig. In so einem Szenario könnte die Stapeltechnik zudem die Leistung um zehn Prozent steigern und den Stromverbrauch um 20 Prozent senken. Diese Vorteile möchte IBM dann auch in seinen "Bluegene"-Supercomputern nutzen.

Außerdem erwartet man, dass TSV generell die Art und Weise, wie Chips zukünftig verkauft werden, verändern wird: Computerhersteller werden dann nicht mehr Prozesoren, Speicher und unterschiedliche Kommunikationschips von verschiedenen Anbietern beziehen, sondern stattdessen komplette Pakete vorverdrahteter Chips erwerben.

Das würde Herstellern wie IBM plötzlich neue Marktchancen eröffnen, da zum Beispiel Standard-Speicherchips mit den Premium-Halbleitern der "Cell"- und "Power"-Familie gekoppelt werden könnten. Auch wenn Chipverbindungen und Packaging nicht die gleichen Schlagzeilen machen wie zum Beispiel neue CPUs, gab es in diesem Bereich in den letzten Jahren zahlreiche Innovationen. Aus Sicht der Designer bestehen in diesen Bereichen noch viele Möglichkeiten, um signifikante Leistungsverbesserungen zu erzielen. So hat etwa die von Sandisk übernommene Firma Matrix Semiconductor ein Verfahren zur Fertigung dreidimensionaler Speicherchips entwickelt. Sun Microsystems forscht seit geraumer Zeit an der so genannten Proximitiy Communication, bei der Chips durch große Nähe zueinander verbunden werden.

Viele Möglichkeiten

Der Chipdesigner Rambus hat derweil die Chip-zu-Chip-Verbindung "Loki" entwickelt, die einen Durchsatz von 6,25 Gbit pro Sekunde erreicht und dabei nur 2,2 Milliwatt pro Gigabit verbraucht. Anfang des Jahres ließ die Firma ein Loki-System mit zwei herkömmlichen AA-Batterien laufen: Die Testinstallation arbeitete über 40 Stunden lang und übertrug während dieser Zeit 3,6 Petabit (Millionen Gigabit) Daten. Der weltgrößte Halbleiterkonzern Intel forscht seit 2005 an TSV und zeigte auf seinem Developer Forum im vergangenen Jahr einen experimentellen 80-Kern-Prozessor mit aufgesetztem Speicher.

Die leidige Abwärme

Intel hat aber noch keinerlei Angaben dazu gemacht, wann es TSV auf den Markt bringen möchte. Bis zur Volumenfertigung sei noch viel Entwicklungsarbeit nötig - unter anderem aufgrund der Tatsache, dass ein Prozessor viel mehr Wärme abgibt als ein Arbeitsspeicher und damit eine Kombination dieser beiden Halbleitertypen Wärmeprobleme bereitet. IBM hat dieses Dilemma vorerst auch noch nicht angepackt und sich noch nicht an das Zusammenpacken von Prozessor und Hauptspeicher gewagt. "Wirklich neu ist hier die Tatasche, dass wir eine Möglichkeit gefunden haben, dieses Verfahren schnell in Produktion zu bringen", erklärte Lisa Su, Vice President von IBMs Semiconductor Research and Development Center, den Einsatz der TSV-Technik. (tc)